„Muss sein“, sagt der Familienvater, der in der Schlange im Lindt-Schokoladen-Laden in der Frankfurter Innenstadt ansteht. Gleich drei Weihnachtsmänner hat er sich geschnappt. Eine kleine Überraschung mitten im Advent für die drei Kinder soll es sein.
Auf den Preis habe er gar nicht geschaut, räumt er ein. Dabei fällt der ziemlich stolz aus: 6,99 Euro für die süße Hohlfigur, die 125 Gramm auf die Waage bringt.
Schokolade hat sich stark verteuert – nicht nur zur Weihnachtszeit. Die offizielle Zahl des Statistischen Bundesamtes: Um 21,8 Prozent lagen die Preise schon im Oktober über dem Niveau des Vorjahresmonats.
Zwei Länder dominieren den Kakaomarkt
„Wenn Schokoladenerzeugnisse dieses Jahr in der Weihnachtszeit deutlich teurer sind, dürfte das kaum an den aktuellen Kakaopreisen liegen“, schrieben die Rohstoffexperten der Commerzbank in einer Analyse Ende November. Damals war die Kakaonotierung gerade zum ersten Mal seit fast zwei Jahren unter die Marke von 5.000 Dollar pro Tonne gefallen.
Wie passt das zusammen? Das globale Geschäft mit der wichtigsten Zutat für Schokolade unterliegt ganz besonderen Mechanismen. Produziert wird Kakao in nur wenigen Ländern. Die Elfenbeinküste und Ghana in Westafrika sind die dominierenden Erzeuger.
Der Klimawandel macht den Anbauern zunehmend zu schaffen. Hinzu kämen Pflanzenkrankheiten und überalterte Baumbestände, erklärt Carsten Bernoth, Chef des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI).
Langfristige Lieferverträge und staatlich kontrollierte Preise
Das führt zu einem heftigen Auf und Ab bei Erträgen und Preisen. Jahrelang kostete Rohkakao zwischen 2.000 und 3.000 Dollar pro Tonne. Anfang 2024 ging es steil in die Höhe. Nach einer zwischenzeitlichen Korrektur nach unten wurde vor fast genau einem Jahr der historische Höchstwert um die 11.000 Dollar pro Tonne erreicht. Doch dann erneut ein tiefer Fall: Aktuell sind es rund 5.700 Dollar.
Also müsste Schokolade eigentlich billiger werden? Ganz so einfach ist es nicht. Der BDSI verweist darauf, dass bei Kakao meist langfristige Lieferverträge gelten, die Preise und Mengen mit deutlichem Vorlauf festlegen. „Auch wenn die Preise für Kakao an der Börse zuletzt gefallen sind, wird in den Produkten, die jetzt und in den nächsten Wochen produziert werden, der Kakao verarbeitet, der zu den Konditionen von vor einem halben Jahr oder noch länger eingekauft wurde“, sagt eine Sprecherin dieser Redaktion.
Zudem hätten die Elfenbeinküste und Ghana ein staatlich kontrolliertes Verkaufssystem, das die Ernte im Durchschnitt schon zwölf Monate im Voraus absetze. „Somit hinken die Preise für den eingesetzten Kakao immer hinterher.“
Allerdings: Bereits Anfang März 2024 – als die Preisrallye so richtig Fahrt aufnahm – kündigten verschiedene Produzenten auch schon für das laufende Jahr steigende Preise an, obwohl damals der besagte zeitliche Versatz eigentlich für eher stabile Notierungen gesprochen hätte.
Weihnachtsmänner büßen Gewicht ein
Also doch Wucher? Aktuelle Stichproben der Verbraucherzentrale Hamburg zeigen jedenfalls, dass es bei Schoko-Weihnachtsmännern von bekannten Marken wie Lindt oder Milka Preissprünge von bis zu 36 Prozent gibt. Noch krasser fallen die Aufschläge demnach bei Eigenmarken von Discountern aus: Hier ging es binnen zwölf Monaten um bis zu 72 Prozent nach oben.
Um die Erhöhungen quasi optisch zu entschärfen, werde dabei mit dem Trick der sogenannten Shrinkflation gearbeitet: Kleinere Weihnachtsmänner sind zum Standard geworden. Die Verbraucherzentrale Hamburg verweist zudem auf Daten der Vergleichs-App Smhaggle, die für bestimmte Weihnachtsmänner über einen Zeitraum von drei Jahren sogar fast eine Verdreifachung des Preises registriert hat.
„Verwunderlich“: Verbraucherschützer kritisieren hohe Preise
Die Verbraucherschützer räumen zwar ein, dass sich Änderungen beim Rohstoff nicht sofort im Supermarkt niederschlagen. „Trotzdem ist es sehr verwunderlich, dass nach einem Jahr Preisabsturz bei Kakao immer noch keine Preissenkungen für Schokolade in den Supermärkten und Discountern angekommen sind. Im Gegenteil: Die Preise bleiben konstant hoch.“
Hier kommt zum Tragen, dass es Einzelhändlern immer darum geht, genau den Preis durchzusetzen, den die Kundschaft gerade noch akzeptiert. Und in der Adventszeit steigt nach Einschätzung von Marktforschern die Toleranzgrenze – wegen der glücklichen Kinderaugen.
Gewöhnungseffekt bei Verbrauchern
Außerdem, so Branchenkenner, setzen Händler darauf, dass Kunden sich mit der Zeit an die Erhöhungen gewöhnen. Deshalb bleibe insbesondere die Schokolade bekannter Marken mutmaßlich teuer, selbst wenn sie sich im Einkauf verbilligt. So könne der Handel seine Gewinnspanne erweitern.
Da auch die Hersteller diesen Effekt kennen, versuchten auch sie, Großhandelspreise hoch zu halten – selbst bei nachgebenden Notierungen für Rohkakao. Indes betont die BDSI-Sprecherin: „Die Festsetzung der Endverbraucherpreise von Lebensmitteln wie Schokolade liegt in der Verantwortung des Lebensmitteleinzelhandels – und nicht in der Verantwortung der Hersteller einzelner Produkte.“