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Wolf reißt in Sommersell zwei Ziegen

Kamera nimmt Attacke auf

Jobst Lüdeking

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Dieser Wolf wurde von einer Nachtkamera auf landwirtschaftlichem Gelände aufgenommen. - © Doris Lüdeking
Dieser Wolf wurde von einer Nachtkamera auf landwirtschaftlichem Gelände aufgenommen. (© Doris Lüdeking)

Barntrup. In unmittelbarer Nähe einer Wohnsiedlung soll ein Wolf mehrere Ziegen attackiert haben. Eine DNA-Analyse steht noch aus. Experten halten weitere Wolfsangriffe auf Nutztiere für möglich.

Auf den ersten Blick scheint es ein überaus großer Hund zu sein, der Zwergziegenbock „Peter" attackiert. Erst auf den weiteren Aufnahmen der Wildkamera, die Landwirt Ulrich Thieling aufgehängt hatte, zeigt sich das Tier in voller Größe: Ein Wolf hat offensichtlich am Karsamstag und am Ostersonntag im Dorf Sommersell bei Barntrup zwei der Zwergziegen getötet und den Bock so schwer verletzt, dass der eingeschläfert werden musste.

Zu dem Riss war es knapp 50 Meter entfernt von der Wohnbebauung des 400 Einwohner Dorfes im Begatal bei Barntrup gekommen. Wolfsberater waren am Samstag und Sonntag vor Ort.

Die Landwirte in Barntrup suchen nach dem Angreifer auf mehrere Zwergziegen. Derzeit gehen die Experten von einem Wolfsangriff aus. Die Attacke beunruhigt das 400 Seelen Dorf. - © Lüdeking
Die Landwirte in Barntrup suchen nach dem Angreifer auf mehrere Zwergziegen. Derzeit gehen die Experten von einem Wolfsangriff aus. Die Attacke beunruhigt das 400 Seelen Dorf. (© Lüdeking)

Wilhelm Brüggemeier, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), fordert angesichts der zahlreicher werdenden Wolfsrisse frühzeitig ein Handlungskonzept: „In Niedersachsen, wo Wölfe bereits häufiger vorkommen, haben wir bereits in einigen Bereichen die Situation, dass die Weidehaltung von Rindern oder Schafen massiv beeinträchtigt ist." Dort würden Wölfe auf den Weiden geborene Kälber, aber auch ältere und größere Jungtiere, töten.

Einige Landwirte hätten die Weidetierhaltung deshalb bereits eingestellt. „Ich kann nicht auf der einen Seite die Erhaltung von Dauergrünland und Weidehaltung fordern", so Brüggemeier in Richtung Politik, „und anderseits ist es den Eigentümern des Grünlandes nicht mehr möglich, es zu nutzen."

Gefahren sieht der Vizepräsident des WLV in dem Fall, dass ein ganzes Wolfsrudel Rinder angreife. Wenn die Tiere die Umzäunung durchbrechen, auf die Straße laufen und einen Unfall verursachten, wer hafte dann?

Bei dem Wolf, der in Sommersell gefilmt wurde, handelt es sich offenbar um ein einzelnes Tier. „Wolfsrudel gibt es in NRW bisher nicht", hatte der Naturschutzbund im Februar in einer Pressemitteilung betont. Hintergrund war ein Verdachtsfall im Bergischen Land. Auf der Suche nach neuen Territorien und Partnern wanderten Jungwölfe weite Strecken. Möglicherweise könnte auch der Sommerseller Wolf zu dieser Gruppe gehören.

Weil er unsicher war, sich nicht vorstellen konnte, was für ein Tier den ersten Schafbock mit Namen „Klaus" gerissen hat, informierte Landwirt Thieling noch am Karsamstag Hans-Jürgen Helpup, seinen Nachbarn. Der Jäger ist für das Revier Sommersell zuständig. „Die Innereien und Teile der Keule sind aufgefressen worden", erklärt der Waidmann. Hunde, die so groß sind, dass sie Ziegen töten, habe aber niemand im Umkreis. Ein wildernder Hund hätte wahrscheinlich versucht, alle Ziegen zu reißen, hätte sie aber nicht gefressen. An jedem Stück fehlen aber rund zehn Kilo Innereien und Fleisch", erklärt Hans-Jürgen Helpup. Am Ostersonntag wurden dann eine Ziege – mit Namen „Klara" – getötet und Ziegenbock „Peter" so schwer verletzt, dass ihn Tierarzt Burkhard Falk einschläfern musste.

Gerhard Höltke, Leiter des Hegerings Begatal, will nicht ausschließen, dass es zu weiteren Angriffen des Wolfes auf Nutztiere kommen könnte. Was ihn beunruhige, so der Jäger, sei das Verhalten des Tieres, das sich überaus nah in ein Dorf gewagt hat. Das sei ungewöhnlich, möglicherweise habe der Wolf bereits Kontakt zu Menschen gehabt.

Katharina Stenglein, ehrenamtliche Wolfsbeauftragte und Sprecherin des Landesfachausschusses Wolf beim Nabu (Naturschutzbund) in NRW, geht davon aus, dass die Gelegenheit, an die Ziegen zu kommen, für den Wolf einfach günstig war. Sie zeigt sich deshalb nicht überrascht. „Ich habe aber Verständnis, das der Fall Ängste auslöst", so Stenglein. Dass der Wolf scheu sei, bedeute aber nicht zwangsläufig, dass man ihn nicht auch sehen könnte, so die Biologin, die aber darauf hinweist, dass der Nachweis noch ausstehe. „Füchse, Wildschweine und Rehe sind bei Spaziergängen auch kurz zu sehen, genauso der Wolf", so Stenglein weiter. Das gelte auch für kurze Sichtungen in Orten.

Bei dem Angriff soll es sich um ein einziges Tier handeln

Bislang geht sie davon aus, dass es sich bei dem vermutlichen Wolf um ein einzelnes Tier handelt. Es müsse beobachtet werden, wenn der Wolf im Bereich des Begatals und Blomberg bleibe, müsse über Herdenschutzmaßnahmen nachgedacht werden. Dafür reiche meist ein 90 Zentimeter hoher Elektrozaun mit Maschen aus. Entscheidend sei aber, dass die unterste Zaunlinie Strom führe. „Die weitaus meisten Wölfe springen nicht. Sie versuchen unter dem Zaun herzukriechen." In einer Studie, so die Biologin auf die Frage nach Angriffen auf Menschen, seien neun Todesfälle in Europa in den vergangenen sechs Jahrzehnten erfasst worden. „In diesen Fällen waren aber die Wölfe entweder tollwütig – ein Problem, dass wir hier in Deutschland nicht mehr haben – oder sie waren von Menschen angefüttert worden."

Anmerkung: Das Filmmaterial benutzen wir mit der freundlichen Genehmigung der Familie Thieling. Der Angriff auf den Ziegenbock ist nicht im Video zu sehen. Er ist aber dokumentiert worden.
Video
Mit freundlichen Genehmigung der Familie Thieling.

Das Filmmaterial benutzen wir mit der freundlichen Genehmigung der Familie Thieling. Der Angriff auf den Ziegenbock ist nicht im Video zu sehen. Er ist aber dokumentiert worden.

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