Lemgo. Die Stadt hat es schwarz auf weiß: Baugrundstücke für Einfamilienhäuser sind akut Mangelware, kommen aber nach. Bei Studentenwohnungen brennt es ebenfalls – doch die große Baumaßnahme am Lüttfeld dürfte hier auf Jahre Abhilfe schaffen. Bei Mehrfamilienhäusern ist der Markt gut gesättigt. Und ob Sozialwohnungen fehlen? Bei der letzten Antwort tun sich alle Seiten schwer – Gutachterin eingeschlossen... Hier die Ergebnisse im Einzelnen. Bevölkerungsentwicklung: In den Jahren 2006 bis 2012 hat Lemgo Einwohner verloren. Dann zwei Jahre des Stillstands; und wegen des Zuwachses an Beschäftigten und dem wachsenden Hochschulstandort gehts nun wieder nach oben, den stattfindenden Flüchtlingszuzug noch nicht eingerechnet. „Eine Trendumkehr", stellt Regina Höbel fest, die Lemgos Wohnraumkonzept zu Papier gebracht hat. Interessant: Nach Bielefeld, Paderborn, Gütersloh und Bad Salzuflen verliert die alte Hansestadt im Saldo Bürger, aus den kleinen Landkommunen im Norden und Osten Lippes gewinnt sie Menschen. Übrigens auch aus Lage und Detmold. Und das trotz durchaus „hoher Baulandpreise bei 180 Euro je Quadratmeter" in Lemgo, so Regina Höbel. Gründe: viele Jobs, gute Infrastruktur, attraktive City. Vor allem Studenten und 30- bis 50-Jährige ziehts nach Lemgo. Bis 2035 soll die Stadt so von 40.200 auf 41.400 Einwohner anwachsen. Die alte Prognose – 35.800 Lemgoer – liegt bei den Akten. Mehrfamilienhäuser: Viel haben Investoren im Bausektor jüngst bei Mehrfamilienhäusern getan – sie machten 62 Prozent der Bautätigkeit in Lemgo aus. „Das ist doppelt so stark wie in vergleichbaren Städten in NRW", sagt Regina Höbel. Entsprechend gering falle der Nachholbedarf in diesem Bereich aus. Vor allem im gehobenen Segment, in dem pro Quadratmeter Eigentumswohnung mehr als 2000 Euro aufgerufen werden, sei das Angebot vergleichsweise groß. Es fehle jedoch an barrierefreien Wohnungen am Markt. Bauland: Hier liegt der Hase im Pfeffer. Höbel ist sich sicher: Insbesondere bei Grundstücken um 500 Quadratmeter, auf die ein kleines Einfamilienhaus passt, hat Lemgo Bedarf. Auch der Preisanstieg von sechs Prozent im Jahr beim Bauland halte Häuslebauer nicht ab. Denn, so Höbel: „Auch der Markt für Alt-Immobilien ist leer gefegt." Trotz der stetig erfolgten Baulandausweisung sollte Lemgo daher den Fokus künftig auf Einfamilienhausgebiete innerhalb des Bestandes und einen breiten Wohnungsmix legen. Sozialwohnungen: Auf dem Papier reichen die Wohnungen für Menschen mit Berechtigungsschein nicht. Gilt doch jeder fünfte Haushalt als einkommensschwach. Und die Nachfrage nach Wohnungen bis 4,65 Euro kalt und 65 Quadratmeter für Singles oder Paare sei tatsächlich hoch. Neubau? Fehlanzeige. Das betont auch Wohnbau-Chef Thorsten Kleinebekel. Zwar könne in Neubauten die Kaltmiete nun 5 Euro betragen, wie die Landesregierung für Lemgo festgesetzt habe. Doch angesichts der hohen Baukosten (Barrierefreiheit, Energiesparverordnung, Handwerkerpreise) denke er nicht, dass in Lemgo jemand Sozialwohnungen baut. Aber die Lage sei nicht hoffnungslos, meint die Gutachterin. Lemgo regele vieles auf dem freien Markt, auf dem für nicht modernisierte Wohnungen ähnlich niedrige Mieten wie die bis zu 4,65 Euro bei Bestands-Sozialwohnungen aufgerufen würden. Dafür spricht nach Angaben von Berit Weber von der Stadt auch, dass Lemgo bei der Anmietung günstiger Bleiben für Flüchtlinge keine Probleme hatte, fündig zu werden. Allerdings gebe es eine Schere zwischen Orten mit guter Infrastruktur und schlechter. Höbel: „Ohne Stadtbus ist ein Dorf abgehängt – da fällt die Nachfrage schwächer aus." Ein Problem: Bis 2035 fallen 470 Wohnungen (37 Prozent) aus der Preisbindung heraus, dann könnten Eigentümer modernisieren und die Miete auf mehr als die derzeit 4,65 Euro erhöhen. Doch, ob sie das tun? Weiß niemand. Wenn es jede zweite Wohnung betreffe, wäre das schon „exorbitant", bekräftigt Baudirektor Markus Baier. Studentenwohnungen:Die Hochschule boomt. Entsprechend eng ists bei den Appartements. Doch gerade entstehen am Braker Weg sieben große Studentenhäuser. „Das wird auch Einkommensschwachen zugute kommen, weil Studenten umziehen werden", ist Höbel überzeugt. Wenn der „Innovation Campus" allerdings einschlägt wie erhofft, wird das Projekt wohl nicht reichen. Die Strategien: Beim Bauland hat die Stadt einiges in der Pipeline: die alten Spielplatzflächen etwa, aber auch Planungen hinter der Südschule, Neu Eben-Ezer, Gartenstraße oder auf der großen Grünfläche zwischen Pöstenweg und Goethestraße, wo es jetzt etwas abgespeckt doch voran gehen soll. Ob es, wie von SPD und Grünen im Ausschuss diskutiert, eine Offensive für mehr Sozialwohnungen geben wird, ist noch nicht klar, wo es sich laut Wohnbau-Chef Kleinebekel ja für Investoren nicht lohnt, diese neu zu bauen. Eine Stellschraube gäbe es jedoch bei den Grundstücken für Einfamilienhäuser. So gibt es Überlegungen, dass bei neuen Baugebieten die Stadt einen Anteil der Baufelder selbst übernimmt und vermarktet. Dabei könnte sie nach noch festzulegenden Kriterien Käufer auswählen, die von den günstigeren Preisen profitierten. Doch über solch ein Programm muss voraussichtlich im Mai der Rat entscheiden. „Schlechte Lagen gibts in Lemgo nicht" Auch die Immobilienmakler sehen die angespannte Situation in der alten Hansestadt. Christoph Vieregge, Pressereferent der Sparkasse: „Für alle Lemgoer Ortsteile verzeichnen wir aktuell eine hohe Nachfrage nach Immobilien. Für Lieme eine etwas höhere." Für Objekte in der Kernstadt gebe es traditionell die meisten Interessenten. Diese Nachfrage spiegele sich dann auch in den Preisen wider.Norbert Stukenbröker, Vorsitzender der Eigentümervertretung Haus und Grund, meint: „Wir haben einen ausgeglichenen Wohnungs- und Mietmarkt; und es gibt keine schlechten Lagen. Besonders kleinere Wohnungen bis 70 Quadratmeter für Alleinstehende, Singles und Studenten sind gefragt." Tobias Krumsiek vom Immobilienzentrum der Volksbank sagt: „In Lemgo gibt es mehr Nachfrage als Angebot." Dass Häuser verkauft würden, komme schon sehr selten vor.