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Lügde

Klosterkrug erlebt turbulente Tage mit den Kochprofis

Lügde-Falkenhagen. In der Nacht vor dem Finaltag hat Gastwirtin Anneliese Abbenhardt kaum geschlafen: "Ich war schon um 4 Uhr hellwach. Mir geht’s gut", erzählt sie, während sie Kartoffeln schält. Seit das zwölfköpfige Team der RTL II-Fernsehsendung "Die Kochprofis" zwei Tage zuvor hier eingefallen ist, geht es rund im Klosterkrug Falkenhagen.

Ole Plogstedt, der auch die Toten Hosen bekocht, und die beiden Sterneköche Frank Oehler und Andi Schweiger wollen der 54-jährigen ungelernten Köchin innerhalb von drei Tagen gastronomisch auf die Sprünge helfen. LZ-Redakteurin Marianne Schwarzer darf am Finaltag als Küchenhilfe Mäuschen spielen.

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Helfer vor Ort

Dass die Gäste über eine heile Veranda in den Klosterkrug kommen und im frisch gestrichenen Gastraum sitzen können, ist Helfern zu verdanken: Die Produktionsfirma hatte zuvor im Lügder Rathaus angerufen und um Vermittlung gebeten. Walter Schrader von der Verwaltung trommelte die Truppe aus dem Südosten zusammen. Er selbst packte ebenso mit an wie Karl-Heinz Schaper, Werner Schröder, Karl-Heinz Köster, Heinz Grote und Rosemarie Möhring, Detlef Schieder, Volkmar Bolte und Fritz Köster: "Klar, wir helfen", sagten sie alle. Sie schliffen Balken und Brüstung, tauschten ein ganzes Stück aus und strichen das Ganze.

Beim großen Abschlussessen soll Anneliese Abbenhardt mit Unterstützung des Trios 60 Gästen beweisen, dass sie mehr kann, als Schnitzel zu braten und Gemüse aus der Dose zu servieren. Denn das ist passé, haben ihr die drei Profis bereits nach dem ersten Testessen klar gemacht. "Ich soll frisch kochen." Das hat sie bereits gelernt und tags zuvor ausprobiert: "Die Selleriesuppe mit Apfelwürfeln ist ein Traum." Heute Abend soll diese Suppe, diesmal unter Oles Anleitung von ihr gekocht, das Drei-Gänge-Menü eröffnen.


Sternekoch Frank Oehler (links), Kochprofi Ole Plogstedt, Caterer der Toten Hosen (rechts oben) und Sternekoch Andi Schweiger (rechts unten).

Nun muss die Herrin dieser nostalgisch anmutenden Küche fast brüllen: Sternekoch Andi Schweiger mag Hardrock. Mit "Rammstein" schälen sich die Bosköppe für seinen edlen Apfelstrudel anscheinend schneller. "Heute Abend hab ich sicher so ’ne Birne", unkt Anneliese, die kaum ihr eigenes Wort versteht.

Apropos Verständnis: Das meiste, das Sternekoch Frank Oehler alias "Fo" sagt, ist für lippische Ohren schwer verständlich: Das Enfant Terrible der Kochtruppe redet in breitem Allgäuer Dialekt schnell und viel, auch die Küchenhilfe versteht seine Anweisungen kaum. "Für die Interviews bemüht er sich, langsam zu reden", tröstet TV-Redakteurin Veronika Elbert. Sie überwacht heute die Dreharbeiten, und kaum taucht die Kamera auf, schweigt Rammstein.

Nichts ist getürkt. Draußen finden Deko, eine neue Vitrine für die Vereinspokale und historische Fotografien ihren Platz. Karin Abbenhardt weist die Servicehelferinnen ein und deckt die Tische. Derweil nehmen die drei Spitzenköche Anneliese Abbenhardt immer wieder beiseite und erklären ihr Details. Bei "Fo" lernt sie, Fleisch zu parieren. "Wir machen zweierlei Braten", erklärt der Bajuware. "Als Annettes Eltern noch den Klosterkrug betrieben, sind Sonntagsbraten immer sehr gut angekommen. Das greifen wir auf und interpretieren es neu."

Passend dazu bringt ihr Andreas Schweiger bei, Krokant für
ein Parfait und Apfelstrudel herzustellen, und Ole Plogstedt führt sie in die Geheimnisse des frischen Gemüses ein.

Während der Gastronomin der Kopf schwirrt und sie jedes Lob genießt, schauen die Profis nach der jeweiligen Lektion allein in die Kamera: "Toll, wie aufmerksam Anneliese bei der Sache ist, wie bereit, Neues zu lernen" - wertschätzende Äußerungen wie diese landen auf dem Band.

Kritik hört sie zumindest bis zur bisher noch nicht datierten Ausstrahlung der Sendung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Anneliese Abbenhardt hat echte Probleme. Eins davon - neben der maroden Veranda - sind die Dorfbewohner: Viele haben ihr den Rücken gekehrt.

„Es liegt sicher auch an meiner Art" - diese Erkenntnis der Wirtin teilen die Falkenhagener wohl: Die Kochprofis sind durchs Dorf gegangen und haben gefragt, was schief läuft. Einige Befragte haben dabei Tacheles geredet. Genau dies tut die Gastwirtin im Umgang mit Gästen mitunter auch, zu deren Ärger.

"Fo" hat sich Anneliese beiseite genommen und ihr ins Gewissen geredet. Da flossen auch Tränen. "Aber das ist nichts, was wir bewusst herbeiführen", betont Redakteurin Veronika Elbert. "Wir wollen den Leuten wirklich helfen - aber natürlich auch eine Fernsehsendung machen." Bei Anneliese ist die Kritik jedenfalls auf fruchtbaren Boden gefallen: "Ich möchte mich bei allen Falkenhagenern dafür entschuldigen, wie ich mich in der Vergangenheit verhalten habe", wird sie nach dem Drei-Gänge-Menü zu ihren hochzufriedenen und satten Gästen sagen. Die Kochprofis stärken ihr dabei den Rücken, "Fo" bringt es auf den Punkt: "Der Klosterkrug braucht Euch, aber Ihr braucht den Klosterkrug auch."

Im Übrigen hat das TV-Team extra Biker - die "Ratten" aus Lothe - eingeladen, denn am Fuße des Köterberg wären gerade sie die richtige Zielgruppe. "Es hat super geschmeckt. Aber die meisten von uns wussten gar nicht, dass der Klosterkrug noch geöffnet ist", sagen die Lother Gäste.

Hat die Gaststätte eine Chance? - "Fo" ist nicht sicher: "Wir haben eine Erfolgsquote von 30 Prozent. Aber verdient hätte sie
es."

Fotostrecke: Kochprofis im Klosterkrug Falkenhagen

Kommentar

Rettet die Dorfkneipe

Wenn Dorfbewohner ihrer örtlichen Kneipe den Rücken kehren, dann mag das vereinzelt am Wirt liegen, vielleicht auch an schlechter Küche. Aber das allein ist es nicht. Es ist ein Zeichen für den Niedergang einer kulturellen Institution: Die Menschen verlieren immer mehr den Bezug zum einstigen Umschlagplatz für Neuigkeiten und Hort der Geselligkeit vor der Haustür.

Längst haben die Dorfkrüge ihren Rang an all die Vereinsheime abtreten müssen, in denen Getränke eben doch noch billiger sind als am Tresen. Die Neuigkeiten kommen per Smartphone digital nach Hause, der Frühschoppen ist nicht mehr in Mode. Wer abends noch fix etwas Warmes auf dem Teller haben will, greift unter Umständen lieber zum Fertiggericht aus dem Supermarkt, anstatt auszugehen. Da müssen Küche und Service schon exzellent sein, um die Bequemlichkeit zu überwinden: Der Gast muss sich hier Zuhause fühlen.

Manche Wirte haben sich zu lange auf ihren Traditionen ausgeruht. Sie müssen sich was einfallen lassen, damit die Menschen merken, was ihnen fehlt, wenn die Dorfkneipe stirbt. Andererseits: Wer will, dass sie überlebt, muss einfach auch mal reingehen. Denn es wäre wirklich schade - für beide Seiten.

MSchwarzer@lz.de

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