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Theaterpremiere: Salomes tödlicher Liebestraum

Kay Metzger inszeniert im Landestheater Detmold die Skandaloper von Richard Strauss

Ilse Franz-Nevermann

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Salome. Foto: Landestheater/Schomburg - © Kerstin Schomburg, Schomburgstraße 48, 22767 Hamburg, Tel: +49.173.1447766, post@kerstinschomburg.de // Steuer-Nr: 02/564/28
Salome. Foto: Landestheater/Schomburg (© Kerstin Schomburg, Schomburgstraße 48, 22767 Hamburg, Tel: +49.173.1447766, post@kerstinschomburg.de // Steuer-Nr: 02/564/28)

Detmold. Auf der Bühne läuft die Geburtstagsparty des Mafia-Paten Herodes gewaltig aus dem Ruder. Und turbulent ist es am Freitagabend nach der „Salome“-Premiere auch im Publikum zugegangen.

Kräftige „Buhs“, umgehend erwidert von lauten Bravorufen, stehen für die kontroversen Meinungen der Besucher. Die Abneigung gilt zweifellos Intendant Kay Metzger, der die Handlung nicht nur aus dem geschichtsträchtigen fernen Orient in das heutige Europa verlegte. Er fand auch eine verblüffende Lösung für eine oft unspielbare Szene.

Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist der „Tanz der sieben Schleier“. Bis heute stellt er in allen Inszenierungen ein Problem dar. Denn nur selten gelingt es einer Darstellerin der Salome, deren Stiefvater Herodes damit in eine derart ekstatische Verzückung zu versetzen, dass er unmöglich zu haltende Versprechen absondert. Metzger lässt seine Salome nur einige harmlos-kokette Schritte machen. Die angedeutete Fast-Vergewaltigung durch Herodes wechselt in eine Traumwelt, die dem Paar Salome-Jochanaan liebende Erfüllung bietet. Und die wird durch die Musik überdeutlich bestätigt.

Lutz Rademacher erschafft mit dem Orchester des Landestheaters eine Klangwelt, die weniger von der schwülen Erotik orientalischer Nächte als von existenziellen Ängsten der Moderne kündet. Fiebrige Spannung voller nervöser Unrast, unterbrochen nur durch wenige Ruhepunkte, liegt in der Luft.

Petra Mollérus hat das Ambiente einer eleganten Lounge geschaffen, dazu die formelle Kleidung von Gästen, deren Pistole ebenso locker sitzt wie ihr Smartphone. Im Hintergrund führt ein Lift in das Verlies, in dem der Prediger Jochanaan gefangen gehalten wird. Aus der Welt der Gangster-Smokings ragt der brandrote Haarschopf der Salome heraus. Susanne Serfling, die phantastisch singt und gestaltet, ist weniger die dem frühen 20. Jahrhundert verhaftete „femme fatale“ als ein verzogenes It-Girl, für das die Erfüllung überhöhter Ansprüche eine Selbstverständlichkeit darstellt. Ihr Liebes- und Lustobjekt Jochanaan, in Ton und Gestalt kraftvoll verkörpert von James Tolksdorf, gibt sich, ungebrochen von der Kerkerhaft, keineswegs unempfindlich gegen weibliche Verführungskünste.

Gelegentlich dem Wahnsinn nahe scheint der Herodes von Paul McNamara, der an der Seite seiner Gattin Herodias (hart und stolz: Gritt Gnauck) alle Register einer Borderline-Persönlichkeit durchspielt. Der die Salome anschmachtende Hauptmann Narraboth (klangschön: Ewandro Stenzowski) erweist sich ebenfalls keineswegs als Weichei. Und der Disput zwischen Juden und Nazarenern um die Ankunft des Messias gerät zur bösen Parodie auf alle religiösen Eiferer.

Überragend gestaltet Susanne Serfling den Schlussgesang der Salome, in dem sich nekrophile Perversion und abgründige Liebes-Obsessionen zur Verklärung des Unmöglichen verbinden. Das brutale Finale ist bereits in der Dichtung von Oscar Wilde vorgezeichnet, die dem Text der Oper zugrunde liegt. Im Gedächtnis bleibt jedoch ein winziger Moment haften, in dem Salome in der behütenden Umarmung des Jochanaan jene tröstliche Geborgenheit findet, die sie in ihrer von kalter Macht geprägter Umgebung ein Leben lang vermisst hat.

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