Chance genutzt: Wie ein Lügder den Weg aus der Langzeit-Arbeitslosigkeit gefunden hat

Lügde. 17 lange Jahre ist Esalettin Dirik aus Lügde arbeitslos gewesen. Dabei habe er immer arbeiten wollen, wie der 59-Jährige erzählt. Doch wollte dem ungelernten Mann niemand so recht eine Chance geben. Nachdem die Firma, bei der er bis Anfang der 2000er beschäftigt war, pleite gegangen ist, fand er keinen Weg zurück in die Arbeitswelt. Das zog ihn in ein tiefes Tal, wie an seinen Ausführungen deutlich wird. Das Selbstwertgefühl und die soziale Teilhabe litten. Doch dank des &bdquo;Sozialen Arbeitsmarktes“ konnte Dirik im Jahr 2019 wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. Das Jobcenter Lippe und die Stadt Lügde gaben ihm eine Chance - und er hat sie erfolgreich genutzt.

Kurz vor Feierabend kehrt Dirik nach seiner heutigen Tour auf den Lügder Bauhof zurück. Den Bulli, beladen mit Besen, Schaufeln und anderen Werkzeugen, steuert sein Kollege Stefan Schüttemeyer in die Fahrzeughalle. Dirik sitzt immer auf dem Beifahrerplatz, denn einen Führerschein hat er nicht. Das habe ihm in der Vergangenheit die Jobsuche oft zusätzlich erschwert, berichtet er. Doch ob mit oder ohne Führerschein, auf dem Bauhof der Osterräderstadt möchte den engagierten Mitarbeiter niemand mehr missen: &bdquo;Er macht gute Arbeit und ist sich für nichts zu schade“, lobt Bauhofleiter Uwe Rinsche den Einsatz von Dirik.

Neue Perspektive für Langzeitarbeitslose Mit dem 2019 in Kraft getretenen Teilhabechancengesetz wurde Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, eine neue Perspektive auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Das &bdquo;Gesetz 16i“ ist ein Programm zur Förderung von Langzeitarbeitslosen, um ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, bis zu fünf Jahre Lohnkostenzuschüsse zu erhalten. Doch nicht jeder kann in den Genuss dieser Förderung kommen. &bdquo;Das Gesetz hat hohe Hürden“, erklärt Michaela Krupke vom Jobcenter Lippe. Es komme nur für Menschen infrage, die innerhalb der vergangenen sieben Jahre seit mindestens sechs Jahren Leistungen vom Jobcenter beziehen.

&bdquo;Ich kannte Herrn Dirik noch von der Ausbildung“, erzählt der Leiter des Bauhofs. Beide Männer lernten Anfang der 80er-Jahre im selben Betrieb. Doch nur einer von ihnen beendete die Maurerausbildung. Dirik, der im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie aus der Türkei nach Deutschland kam, brach die Lehre ab und arbeitete schließlich in einer Holzverarbeitungsfirma. Als diese 2002 geschlossen wurde, habe er keinen neuen Job gefunden, erzählt er. Unglücklich sei auch der Zeitpunkt gewesen, sagt Bürgermeister Torben Blome: &bdquo;Es war die Phase der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland.“

&bdquo;Verlässlicher und fleißiger Mitarbeiter“ Nach ihrer gemeinsamen Zeit im Ausbildungsbetrieb verloren sich Uwe Rinsche und Esalettin Dirik aus den Augen, doch 2019 kreuzten sich schließlich wieder ihre Wege. Durch das Förderprogramm des &bdquo;Sozialen Arbeitsmarktes“ bekam Dirik die Möglichkeit, sich auf dem Lügder Bauhof zu beweisen. &bdquo;Jeder Mensch hat mehrere Chancen verdient“, sagt der Bürgermeister. Diese Chance, jemandem in Form von Arbeit zu geben, halte er für deutlich sinnvoller als irgendwelche Qualifizierungsprogramme. &bdquo;Arbeit haben wir genug“, so Blome.

Die Stadt hätte als Arbeitgeber jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Zusammenarbeit wieder zu beenden, erklärt der Bürgermeister. In einem anderen Fall sei das auch geschehen. &bdquo;Wir hatten schon Leute, die sind mit viel Elan angefangen und dann wurde es mit der Zeit immer dünner mit der Motivation“, berichtet Uwe Rinsche von seinen Erfahrungen. So aber nicht bei Esalettin Dirik: Der Bürgermeister beschreibt ihn als sehr verlässlichen und fleißigen Mitarbeiter. So sei schnell klar gewesen, dass Dirik auch nach den fünf Jahren der Förderung dem Bauhof als Mitarbeiter erhalten bleiben sollte. Zunächst sei ein befristeter Vertrag von zwei Jahren vorgesehen gewesen. Doch der Bauhofleiter und die Kollegen hätten sich so für ihn eingesetzt, dass er schließlich einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhielt. Der Bürgermeister bereut die Entscheidung nicht: &bdquo;Wir wissen, was wir an ihm haben.“

Lebensfreude ist zurückgekehrt &bdquo;Mir macht die Arbeit Spaß“, erzählt der 59-Jährige, der unter anderem die Grünanlagen pflegt, den Müll beseitigt und im Winterdienst im Einsatz ist. Durch die Arbeit sei auch seine Lebensfreude und sein Selbstwertgefühl zurückgekehrt. &bdquo;Wenn man jahrelang arbeitslos ist und nur zu Hause ist, weiß man gar nicht, was man tun soll“, erklärt er seine damalige Situation. Heute nehme er gerne wieder am gesellschaftlichen Leben teil.

Seit dem Start in 2019 könne der &bdquo;Soziale Arbeitsmarkt“ im Kreis Lippe viele Erfolgsgeschichten, wie die von Esalettin Dirik, vorweisen, berichtet die Mitarbeiterin des Jobcenters. So wurden in den vergangenen sechs Jahren bisher insgesamt rund 650 Kunden des Jobcenters Lippe in das Programm aufgenommen. Mehr als die Hälfte konnte langfristig in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Vor einem Jahr hat das Jobcenter Lippe auf die Erfolgsgeschichte &bdquo;Fünf Jahre Sozialer Arbeitsmarkt“ in der Stadthalle Detmold zurückgeblickt. Die dort präsentierten Informationstafeln werden in diesem Jahr einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Daher zeigt das Jobcenter jetzt Zahlen, Daten, Fakten und auch die Menschen, die sich hinter den Zahlen verbergen, in einer aktuellen Wanderausstellung. Gestartet ist diese in Lügde und wandert nun durch die lippischen Kommunen.

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