Detmold. Es geht um die Liebe. Um die große, reine Liebe, wie sie sich wohl nur im Märchen findet. Cinderella, das Ballett nach der Musik Sergei Prokofjews, ist dieses Märchen. Es hat am Freitag Premiere auf der Bühne des Landestheaters Detmold gefeiert.
Die Geschichte von Cinderella ist in Deutschland bekannt als das Märchen von Aschenputtel: Ein junges, sozial und familiär benachteiligtes Mädchen lernt auf wunderbare Weise einen jungen, vermögenden und mächtigen Mann kennen. Natürlich stehen der Liebe Familienräson und gesellschaftliche Konventionen entgegen. Am Ende kriegen sie sich doch.
Man hätte ein sozial- oder gesellschaftskritisches Drama aus diesem Stoff machen können. Doch Ballettdirektor Richard Lowe hat Cinderella genommen als das, was es ist: als Märchen. Petra Mollérus schuf einen himmelblauen Bühnenraum. Weiß eingefasste, knallig einfarbige Türelemente symbolisieren das Haus der Familie. Ein paar Bilder später stehen im abgedunkelten Bühnenraum Leuchter und ein filigranes Tor. In diesem Ballsaal gibt der Prinz sein Fest, auf dem Cinderella unerkannt auftaucht. Nur einmal verschwindet der blaue Hintergrund: als die bösen Schwestern und ihre Mutter versuchen, den Prinzen für sich zu gewinnen.
Wie das Bühnenbild, sprechen auch die Kostüme eine eindeutige Sprache. Der Prinz trägt Weste mit Rockschößen, die er alsbald gegen die Weste ohne Rockschöße seines Freundes tauscht. Cinderella trägt ein aschgraues Kleid, die Schwestern und die Stiefmutter bonbonbunte Kostüme. Den Vater schmücken Zipfelmütze und Weinflasche. Die Fee erscheint wie eine Fee sein muss: schneeweiß. Eine graue Decke verwandelt sie in eine alte, bedürftige Frau.
Alles ist schnell erfassbar und ohne überladende Symbolik. So klar, wie Bühnenbild und Kostüme ist Lowes Choreografie. Sie nutzt die Figuren des klassischen Ballettes. Hebungen, Pirouetten, Spitzentanz, all das kommt vor, und nur wenig davon ist Selbstzweck. Der Tanz dient der Handlung, er treibt sie voran, stützt und illustriert sie. Ein ausgeprägtes Minenspiel und hohe Präzision aller Tänzerinnen und Tänzer kommt dazu. Lowe hat alle Figuren klar charakterisiert. Isabella Heymann gibt eine unschuldig-überlegene Cinderella. Gaetan Chailly ist eine bis ins Komische hinein böse Stiefmutter.
Die Schwestern werden von Karina Campos Sabas und Caroline Lusken herrlich exaltiert dargestellt. Narcis Subatella Sánchez als Prinz und Marc Balló y Cateura kommen jugendlich-kraftvoll und elegant daher. Schön geführt werden Keegan Raven May als Vater und Gisela Fontarau i Galea als Mutter des Prinzen, wie sie sich auf dem Ball als Nebenpaar finden. Der guten Fee läuft Manches aus dem Ruder, Charline Pinxteren-Dujardin stellt das wunderbar dar. Das Orchester unter Mathias Mönius trägt die Tänzer trotz einiger intonatorischer Ungenauigkeiten in den Streichern mehr als solide.
Am Ende verschlingen sich Prinz und Cinderella im Kuss. „Oh, wie schön“, entfährt es einer Zuhörerin. Das Publikum applaudiert sehr herzlich und fordert mehrere Vorhänge.