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Wildschwein greift Rentner an

Katrin Kantelberg

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Bad Salzuflen. Bereits im Dezember hatte ein Wildschwein am Kriegerdenkmal im Forst am Obernberg einen Spaziergänger angegriffen – bis heute sorgt dieser Vorfall bei Waldbesuchern für Verunsicherung. Das Wildschwein war damals unvermittelt aus dem Dickicht gebrochen und hatte einen vorbeigehenden Mann mit seinen spitzen Hauern attackiert. Der überraschte Rentner hatte vergeblich versucht, das angriffslustige Tier abzuwehren, doch erst als eine Spaziergängerin und ihr Hund beherzt eingriffen, drehte das Wildschwein ab und verschwand im Wald.

Polizei und Rettungswagen kamen zum Einsatz, der 71-jährige Herforder wurde mit Fleischwunden ins Krankenhaus gebracht.

Förster und Jäger versuchen nun, die besorgten Bürger zu beruhigen: Wohl sei der Bestand der Wildschweine in den vergangenen Jahren im Salzufler Forst stark angestiegen, doch für Spaziergänger, Wanderer oder Jogger bedeute das keinen Grund zur Sorge. „Das Wildschwein an sich ist ein scheues Tier", so Hegeringleiter Martin Lücking. „Normalerweise wird es nur aggressiv, wenn es verletzt ist oder Junge hat."

Ersteres könnte der Grund für die Attacke auf den Rentner gewesen sein. Am selben Tag hatte es im Forst eine Treibjagd gegeben. Zwar sei bis zu dem Zwischenfall noch kein Schuss gefallen, doch später erlegten die Jäger ein Wildschwein, das am Hinterlauf deutliche Verletzungen – vermutlich von einem Verkehrsunfall – aufwies. „Es könnte sein, dass eben dieser Keiler den Mann angegriffen hat", so Lücking.

Als Gründe für den starken Zuwachs an Wildschweinen führt der Hegeringleiter vor allem die milden Temperaturen und die vielen Maisfelder an. Habe früher der kalte Winter für eine natürliche Auslese gesorgt, so sei dies heute kaum noch der Fall. Zudem fänden die Wildschweine überreichlich Nahrung. Im Sommer, so ergänzt Förster Detlev Pankatz, fressen sie sich durch die Maisfelder, im Herbst und Winter ziehen sie sich dann in die Wälder zurück, wo die Früchte von Eichen und Buchen genug Nahrung bieten.

Für das Ökosystem Wald berge die große Population der Wildschweine keine Gefahr. „Sie helfen, Eicheln und Bucheckern im Boden einzuarbeiten, fressen auch Mäuse. Das Rehwild geht ihnen eigentlich aus dem Weg", so Pankatz. Anders aber sieht es für Jäger und Bauern aus. Auf den Feldern verursachen die Tiere große Schäden, die die Bauern im Zweifelsfall bei den Jagdpächtern einklagen können.

Zudem gilt das Wildschwein als Überträger der Schweinepest, so Martin Lücking. Das bereite vor allem den Schweinezüchtern existenzielle Sorgen. Frischlinge können bereits im ersten Jahr trächtig werden, Bachen mitunter zweimal im Jahr bis zu acht Junge werfen – um die ungebremste wachsende Population aufzuhalten, sehen die Jäger keine andere Möglichkeit, als immer mehr Tiere abzuschießen.

Als Förster Detlev Pankatz vor 33 Jahren seinen Dienst in Bad Salzuflen antrat, galt der heimische Forst noch als wildschweinfrei. Groß war die Freude, als einige Jahre später die ersten Borstenviecher im Wald gesichtet wurden. Heute sehen sie viele öfter, als ihnen lieb ist.

Pankatz erinnert sich noch gut an den Aufruhr, den die Tiere vor einiger Zeit an der Obernbergstraße verursachten. Damals waren vier bis fünf Schweine zur Villa Dürkopp getrottet und hatten sich dort auf dem Vorplatz breit gemacht. Ein Keiler meinte in seinem Spiegelbild in der verglasten Tür einen Konkurrenten ausgemacht zu haben und ging auf Konfrontationskurs. Immer wieder rammte er die Tür, während die verschreckten Gäste Zuflucht in den hinteren Räumen der Villa suchten. Auf dem Rückweg in den Wald pflügten die Tiere noch einige Gärten auf der Strecke um.

Weniger gut verlief der Ausflug für eine Rotte, die versuchte, die Autobahn zu überqueren. Mehrere Tiere kamen dabei ums Leben, der Sachschaden war groß.

Ihre eigenen Erfahrungen haben auch die Betreiber des Land- und Golfclubs Bad Salzuflen am Schwaghof mit den borstigen Tieren gemacht. In der Vergangenheit haben die Wildschweine dort immer wieder für Schäden gesorgt. Die Verantwortlichen zogen schließlich einen Zaun um das riesige Areal. Seitdem, so erzählt Sandra Linnemann vom Golfclub, halte sich der Schaden in Grenzen, aber noch immer gelinge es den Tieren, den Zaun zu durchbrechen und das Grün auf der Suche nach Engerlingen umzugraben.

An ein Schweinerennen quer über den Platz kann sich Detlev Pankatz noch erinnern. Damals hatte ein Hund eine größere Rotte gescheucht. Die Herde raste quer über den Golfplatz, dann in den Landschaftsgarten hinein und wurde zuletzt beim Bismarckturm am Hollenstein gesehen.

„Eine Rotte kann in einer Nacht durchaus 50 Kilometer zurücklegen", so Pankatz. Wie viele Wildschweine sich derzeit im Salzufler Forst aufhalten, sei daher schwer zu schätzen. Der Förster geht von etwa 30 bis 40 Tieren aus.

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