Bad Salzuflen. Als Roland Thomas Ende Oktober 2015 erstmals auf dem Chefsessel im Rathaus Platz genommen hat, war er nicht der einzige Neue in der Stadt. Fast zeitgleich erreichte Salzuflen damals auch die Flüchtlingswelle mit großer Wucht. Es war ein denkbar turbulenter Start für den Bürgermeister; manches seiner Wahlkampfziele musste zunächst hintanstehen.
Nach einem Jahr im Amt stellte sich das neue Stadtoberhaupt jetzt den Fragen der LZ. Was ist aus seinen Plänen geworden? Welche Impulse konnte er setzen? Und warum finden sich unter seiner Regie mehr Themen als früher auf nicht-öffentlichen Tagesordnungen, wo er doch die Transparenz fördern wollte?
Herr Thomas, wie fällt Ihre Bilanz nach einem Jahr im Amt aus?
Roland Thomas: Es hat sich vieles eingeruckelt. Am Anfang musste man sich erst einmal an die Verfahrensabläufe in der Verwaltung gewöhnen und das Zusammen- oder auch Gegeneinanderspiel im Rat kennenlernen. Wir hatten sehr emotionale Themen – und bis zu 50 neue Flüchtlinge pro Woche. Das hat alles überlagert.
In der Flüchtlingskrise habe ich alle Infoveranstaltungen für die Anwohner selbst geleitet. Ich suche auch generell nach neuen Beteiligungsformen, wie zum Beispiel am Zukunftsdialog für das Gesundheitskonzept. Letztlich sind wir da noch in der Experimentierphase. Ich könnte mir aber eine Art Bürgerbeirat vorstellen, der Politik und Verwaltung ein Stimmungsbild gibt.
Gerade in der Flüchtlingskrise haben aber viele Bürger die von Ihnen im Wahlkampf versprochene Transparenz vermisst. Die zunächst geplante Komplett-Schließung des „@on" etwa hat viele aufgebracht.
Thomas: Wir haben aus dem Prozess lernen können. Sicherlich habe ich damals die Dimension unterschätzt. Und doch war das Vorgehen richtig. Die Infoveranstaltung für die Belegung der Festhalle stand, als wir erfuhren, dass die Stadt innerhalb kurzer Zeit minderjährige Flüchtlinge unterbringen muss. Hätten wir über die Festhalle informieren und das „@on" verschweigen sollen?
In den städtischen Ausschüssen wird die Öffentlichkeit bei brisanten Themen öfter ausgeschlossen als früher – Stichworte wären Schülerstraße, Fürstenhof, Salzhof oder Flüchtlingsheime.
Thomas: Ist das so? Ich hatte noch wenig Erfahrung mit der Ratsarbeit und habe daher vielleicht etwas vorsichtig agiert. Nehmen wir zum Beispiel die Schülerstraße. Die Straße wird regelrecht schlecht diskutiert. Der Schutz der Anlieger ist mir daher wichtiger als die Öffentlichkeit. Aufgrund der Kritik prüfen wir jetzt aber noch sorgfältiger, was wirklich nicht-öffentlich behandelt werden muss.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im Rat? Nach langen Jahren der großen Koalition gibt es immer öfter Misstöne zwischen SPD und CDU. Sind Sie da als Schlichter gefragt?
Thomas: Nein, dafür gibt es keine Notwendigkeit und das sehe ich auch nicht als meine Aufgabe an. Ich habe ein gutes Verhältnis auch zur CDU-Spitze. Gemeinsam mit dem Beigeordneten Rolf Oberweis (mit CDU-Parteibuch; Anm.d.Red.), zu dem ich ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut habe, gab es einige Treffen mit den Fraktionsspitzen – zum Beispiel zur Wandelhalle.
Apropos: Müsste ein Bürgermeister nicht an entscheidenden Stellen mal ein Machtwort sprechen? Was ist denn nun mit dem freien Kurparkeintritt?
Thomas: Ich sehe es als meine Aufgabe, die derzeitige öffentliche Diskussion um ein Gesundheits- und Tourismuskonzept in die richtige Richtung zu lenken. Ob die Wandelhalle nun frei oder kostenpflichtig wird, ist jetzt noch nicht wichtig. Ich bin für Diskussionen, die zu Entscheidungen führen, die ich am Ende mittragen kann. Das Verfahren ist mir dabei wichtiger als das Ergebnis.
Wo haben Sie bislang Ihre Fußspuren in Salzuflen hinterlassen?
Thomas: Es sind eher einzelne, kleine Dinge. Aber bestimmte Themen liegen mir besonders am Herzen, die ich in den vergangenen Monaten vorangetrieben habe. Da ist zum einen die Nahmobilität. Ich bin viel mit dem Rad unterwegs, darüber wird gesprochen. Auch das Stadtradeln als gemeinsame Aktion der Stadtgesellschaft ist ein toller Erfolg gewesen.
Jetzt geht es zum Beispiel um einen Radschnellweg nach Herford oder auch Bielefeld. Auch die Sicherheit ist mir wichtig. Die Nachtabschaltung der Laternen würde ich gerne abschaffen, und am Salzhof sind wir aktiv geworden. Es gibt eine Ordnungspartnerschaft mit der Polizei, die den Bürgern auch vermitteln soll, dass sie sich sicher fühlen können. Und dann ist da noch Schötmar. Der Stadtteil ist jetzt einfach dran.
Anträge und Impulse zu diesen Themen gab es aber von den Parteien und nicht von Ihnen.
Thomas: Es geht es doch ums Thema und nicht um mich. Ich brauche keine tollen Überschriften. Es gibt Leute, die haben ständig neue Ideen, und wenn man nach einem Jahr mal nachfragt, haben sie schon wieder ein anderes Thema. Mir ist es wichtiger, nachhaltig zu agieren. Und ich finde es generell gut, wenn die Parteien die einzelnen Themen nach vorne tragen. Als Bürgermeister möchte ich eine gewisse Neutralität bewahren – auch wenn ich manchmal vielleicht die Faust in der Tasche balle.
Das Profil ist noch unscharf
Kommentar von LZ-Redakteur Stefan Backe
Von der CDU war Roland Thomas noch kurz nach der Wahl im September 2015 als „Importbürgermeister" verunglimpft worden. Mittlerweile ist der Bielefelder nicht nur mit einer Wohnung in der Innenstadt mitten in Bad Salzuflen angekommen.
In der Tat gibt er sich volksnah und ist auch bei Veranstaltungen sehr präsent. Was er allerdings noch nicht im Übermaß importiert hat – oder es noch nicht zeigen konnte – sind frische Ideen und Visionen für die Badestadt. Es ehrt Roland Thomas, wenn er anderen Protagonisten bei der Besetzung verschiedener Themen den Vortritt lässt – und offenbar nicht darum bemüht ist, krampfhaft Lorbeeren für sich zu reklamieren.
Und auch der Hinweis, dass allein schöne Worte noch keine glorreiche Tat sind, ist richtig. Aber es wäre wünschenswert, wenn sich die Bürger beim Namen Roland Thomas nicht nur an den radelnden Bürgermeister erinnern. Nach einem Jahr im Amt dürfte das Stadtoberhaupt öffentlich gerne mehr Profil zeigen und sich dabei auch von den Verwaltungsexperten und Fraktionsspitzen im Rathaus emanzipieren. Auch bei parteipolitischer Neutralität kann man klare Kante zeigen.
Bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 33 Prozent haben dem SPD-Kandidaten Roland Thomas im September 2015 nur 7255 Stimmen zum Sieg über CDU-Fraktionschef Volker Heuwinkel gereicht. Seit Anfang des Jahres wohnt der 54-jährige Vater zweier erwachsener Kinder in der Innenstadt; seine Frau ist aus familiären und beruflichen Gründen allerdings weiterhin vor allem in Bielefeld-Senne beheimatet. Vor seiner Wahl zum Bürgermeister hat der Jurist 23 Jahre lang beim Städte- und Gemeindebund in Düsseldorf gearbeitet.