Bad Salzuflen. Wenn Katrin Aleksander-Jungilligens auf den geplanten Verkehrsversuch angesprochen wird, dann platzt ihr fast der Kragen. „Das gibt es doch nicht, dass die Stadt diese Entscheidung einfach so trifft, ohne die Tragweite zu bedenken", sagt sie und schnaubt. Zuletzt hatte sie daher Einzelhändler, Anwohner, Hoteliers und Co. zusammengetrommelt, um sich auszutauschen. Mehr als 75 Leute seien zusammengekommen: „Und viele hatten vorher noch gar nichts von den Plänen der Stadt mitbekommen."
"Kunden bleiben weg"
Für Katrin Aleksander-Jungilligens, die das Geschäft KJ Fashion an der Steege betreibt, steht fest: Wird der Verkehrsversuch tatsächlich umgesetzt, ist das der Todesstoß für den Handel in der Innenstadt. „Denn letztlich werden unsere Kunden, die nun mal im Schnitt schon älter sind, dadurch ausgesperrt." Nicht nur die Taxen, auch die Parkplätze müssten ihrer Meinung nach zwingend bleiben. „Sonst bleiben unsere Kunden weg."
Das befürchtet auch Apotheker Hans Martin Zillmann von der Brandesschen Apotheke. Schon die Dauerrenovierung der Innenstadt hat ihm die vergangenen fünf Jahre schwer zu schaffen gemacht – er hat alle Hoffnung auf die jetzt anstehende Fertigstellung der Arbeiten gesetzt. „In den vergangenen vier Jahren haben wir rund 15.000 Kunden eingebußt", erzählt der Apotheker. Wenn jetzt der Verkehrsversuch umgesetzt wird, werde es für ihn kaum besser werden. Im Gegenteil: „Wenn die Menschen nicht mehr zum Arzt in der Innenstadt gehen, wandern die Ärzte ab – und in Folge auch die Apotheken", sagt er.
Katrin Aleksander-Jungilligens sieht ein weiteres Problem in den beiden geplanten Pollern, die die Zufahrt zur Innenstadt an der Osterstraße sowie an der Salzsiederstraße versperren sollen. „Für große Lkw, die beispielsweise den Edeka-Markt oder die Pensionen beliefern, ist dann kein Durchkommen mehr", sagt sie. Und auch die eingeschränkten Zeiten beim Lieferverkehr stoßen ihr sauer auf. „Für die Paketdienste ist das einfach nicht zu schaffen", sagt sie. Für sie ist die Idee, die Fußgängerzone auszuweiten absolut „realitätsfern" – verstehen könne sie einzig die Gastronomen in der Osterstraße, die im Außenbereich natürlich profitieren könnten, wenn kein Durchgangsverkehr mehr vorbeikäme.
Lars Wolfmeier vom Fachbereich Straße, Verkehr und Grün will die erhitzten Gemüter ein wenig beschwichtigen. „Wir haben sowohl über die Presse als auch über das Ratsinformationssystem die Möglichkeit gegeben, sich jederzeit über die anstehenden Maßnahmen zu informieren", sagt er. Für ihn biete der geplante Versuch die Chance, mögliche Probleme aufzuzeigen. „Dann können wir – etwa bei den Lieferzeiten – immer noch nachjustieren." Zudem verweist er auf mögliche Ausnahmegenehmigungen, was das Befahren der Stadt angeht.
Bereits vorab alle Einzelhändler ins Boot zu holen, hätte für ihn aber keinen Sinn gemacht. „Natürlich werden wir noch das Gespräch suchen und dann mit den Vertretern von Einzelhandel, Taxen oder Post sprechen. Aber vorab alles schon tot zu reden macht keinen Sinn – wir warten erst einmal auf die Rückmeldungen und versuchen dann eine akzeptable Lösung für alle zu finden."Zu Kompromissen sind sowohl Katrin Aleksander-Jungilligens als auch Hans Martin Zillmann durchaus bereit. Doch der Versuch in seiner jetzigen Form komme für beide auf keinen Fall in Frage. „Wir dürfen den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken", sagt Aleksander-Jungilligens. Sie will in den kommenden Tagen erst einmal das Gespräch mit den einzelnen Fraktionen suchen – zu einem Austausch ist im Übrigen auch Lars Wolfmeier durchaus bereit. Wenn alle Stricke reißen will Katrin Aleksander-Jungilligens aber in jedem Fall auf ein Bürgerbegehren setzen: „Ich bin auf keinen Fall bereit, bei diesem Thema klein beizugeben."
Der Versuch
Der Rat hat über vier verschiedene Varianten für den anstehenden Verkehrsversuch abgestimmt. Die Entscheidung ist letztlich auf die Variante C gefallen, bei der die Fußgängerzone am weitesten ausgedehnt wird und sich von der Steege aus über die Osterstraße bis hin zur Ecke Grabenstraße verlängert. Damit soll die Querung der Innenstadt komplett unterbunden werden. Zugleich wird der Lieferverkehr nur noch von 22 bis 10.30 Uhr möglich sein, der Taxistand am Salzhof soll verschwinden und die Kurzzeitparkplätze an der Post werden gestrichen. Rückmeldungen zum Verkehrsversuch, der von 1. Juli bis 30. September läuft, können über die Internetseite der Stadt gegeben werden.
"Miteinander sprechen, bitte"
Kommentar von Alexandras Schaller
Seit Monaten – wenn nicht noch länger – beschäftigen sich die Salzufler Verwaltung und die Politik mit der Idee, einen Verkehrsversuch in der Innenstadt zu unternehmen. Und keiner aus der Verwaltung fühlt sich berufen, die betroffenen Anwohner, Gastronomen, Ärzte, Apotheker, Einzelhändler, Hoteliers ins Boot zu holen, geschweige denn, überhaupt zu informieren? Nicht gerade die feine englische Art.
Schon 2015 haben sich die Einzelhändler vehement gegen eine autofreie Innenstadt ausgesprochen – mit Erfolg. Es kommt also kaum überraschend, dass die Resonanz auf eine ähnliche Idee einige Jahre später erneut wenig positiv ausfällt. Klar hätte man sich über die Presse oder das Ratsinformationssystem vorab informieren können – leider tut das aber noch lange nicht jeder. Eine zusätzliche Mitteilung für die Anlieger hätte der Verwaltung nicht wehgetan. Vielleicht wäre das Thema dann auch nicht jetzt schon so hochgekocht.