Brustkrebs: „Auch Männer müssen sich abtasten“

Bad Salzuflen. 70.000 bis 80.000 Frauen erkranken pro Jahr an Brustkrebs. Und: 700 Männer. Dass sie ebenso wie Frauen vom Mammakarzinom betroffen sein können, wissen allerdings die wenigsten. Dorothé Düpont, die das Brustzentrum am Klinikum Lemgo leitet, will das ändern.

Beim Thema Brustkrebs denkt man zuerst an Frauen...

Dorothé Düpont : Das Thema Brustkrebs beim Mann ist immer noch ein wenig exotisch und bekommt nicht die Aufmerksamkeit, die es eigentlich bräuchte. Dabei kommt auf 100 Frauen etwa ein Mann. Statistisch gesehen erkranken die meisten Frauen und Männer im Alter von 50 bis 69 Jahren.

Anatomisch gibt es deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Wie entsteht Brustkrebs beim Mann?

Dorothé Düpont : Grundsätzlich haben Männer genau wie Frauen Brustdrüsen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die wenigsten Männer haben einen ganz flachen Brustbereich, die meisten einen gewissen Brustansatz. Dadurch steigt das Risiko auf eine Veränderung im Drüsengewebe.

Wie kommt es zu dieser unterschiedlich starken Ausprägung der Brustdrüsen beim Mann?

Dorothé Düpont : Es gibt eine ganze Reihe von Medikamenten, die eine sogenannte Gynäkomastie, also das gutartige Wachstum der Brustdrüse, fördern. Das können unter anderem Prostata- oder Blutdruckmedikamente sein. Hinzu kommen genetische Faktoren, auch Männer können die sogenannten Brustkrebs-Gene geerbt und damit ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben. Viele Ursachen sind aber auch noch nicht bis ins Detail geklärt.

Welche Rolle spielt die richtige oder falsche Ernährung?

Dorothé Düpont : Eine große Rolle. Fetthaltige Lebensmittel können Östrogen enthalten und damit zum Brustwachstum beim Mann führen. Wer zu Übergewicht neigt, bildet automatisch mehr Fett- und damit auch mehr Drüsengewebe. Daher sollte man auf eine ausgewogene Ernährung achten. Generell kann ein starkes Immunsystem das Risiko an Brustkrebs zu erkranken minimieren. Eine absolute Sicherheit gibt es aber nicht. Auch, weil wir nach wie vor nicht wissen, weshalb Brustkrebs entsteht.

Auf welche Symptome sollte ich als Mann achten?

Dorothé Düpont : Genau wie Frauen müssten sich Männer auf Veränderungen hin abtasten. Indizien für Brustkrebs könnten sein, wenn die Brustwarze juckt, sich die Farbe verändert oder sie sich einzieht. Die Symptome sind beim Mann dieselben wie bei der Frau.

Muss eine solche Veränderung immer auf Brustkrebs hindeuten?

Dorothé Düpont : Auf keinen Fall. Viele Männer haben nur eine Gynäkomastie, sie merken, dass das Brustdrüsengewebe gewachsen ist, was in der Regel als Tastbefund auffällt. Das kann zum Beispiel auch passieren, wenn man sehr viel Sojaprodukte isst. Denn Soja wird sekundär in Östrogen umgewandelt. Das ist ein sehr auffälliges Beispiel, wie es durch Ernährung zu Brustwachstum kommen kann.

Wenn ich eine Veränderung feststelle, wohin wende ich mich als Mann?

Dorothé Düpont : Der erste Weg wäre zum Hausarzt, der kann eine Mammografie veranlassen. Zur weiteren Abklärung wird eine Stanzbiopsie durchgeführt. Dabei wird eine Gewebeprobe entnommen und abgeklärt, ob es sich nur um eine einfache Gynäkomastie oder um Brustkrebs handelt.

Für Frauen wäre erster Ansprechpartner der Frauenarzt. Könnte ich da auch als Mann hingehen?

Dorothé Düpont : Theoretisch schon. Wobei Frauenärzte Männer nicht abrechnen können, weshalb sie viele Praxen gar nicht annehmen.

Was tun, wenn mich der Frauenarzt als Mann abweist?

Dorothé Düpont : Die Männer könnten zu uns ins Brustzentrum kommen. Wir können das Ganze zwar auch nicht kostendeckend, aber zumindest teilweise abrechnen, wenn der Hausarzt einen Einweisungsschein fürs Krankenhaus ausstellt. Das Ganze ist ein wahres Paradoxon. Hier müsste sich dringend etwas ändern.

Angenommen der Befund lautet Brustkrebs. Was dann?

Dorothé Düpont : Auch hier entsprechen die Behandlungsmöglichkeiten die der Frau. Je nachdem wie aggressiv der Befund ist, macht man – manchmal noch vor der Operation – eine Chemotherapie, um zu kontrollieren, ob der Tumor gut darauf anspricht. Die Operation kann auch beim Man mit Erhalt der Brustwarze sein. Gleichzeitig werden Lymphknoten, Lunge, Leber und Knochen kontrolliert. Danach kann eine antihormonelle Therapie folgen.

Und die Heilungschancen?

Dorothé Düpont : Die Datenlage ist hierzu ein wenig schlechter als bei den Frauen, weil einfach weniger Männer erkranken. Ein paar Studien gibt es aber. An und für sich kann man sagen, dass die Prognose auf Heilung beim Mammakarzinom beim Mann ein wenig schlechter ist als bei der Frau.

Weil der Brustkrebs beim Mann häufig später erkannt wird als bei der Frau?

Dorothé Düpont : Je eher man eine Veränderung erkennt, desto größer sind die Heilungschancen. Eigentlich müssten daher auch Männer – wie Frauen ab 50 – regelmäßig zum Brustkrebs-Screening gehen. Damit die Krankenkassen dafür die Kosten übernehmen, ist die Zahl der Erkrankten aber nicht groß genug. Meine Befürchtung ist, dass sich daran auch nichts ändern wird, solange nicht mehr Männer erkranken.

Dabei geht es beim Mammografie-Screening darum, einen Tumor festzustellen, bevor er überhaupt erst ertastet werden kann.

Dorothé Düpont : Und der Mann kann erst reagieren, sobald er etwas ertastet – dafür muss der Tumor bereits eine gewisse Größe haben. Natürlich ist die Brust beim Mann in der Regel deutlich kleiner als bei der Frau, es ist weniger Gewebe vorhanden und die Chancen, eine Veränderung zu erkennen, sind größer. Trotzdem erleben wir es häufig, dass Männer erst zu uns kommen, wenn die Befunde schon relativ groß sind. Männer haben es beim Thema Vorsorge viel schwerer als Frauen und das tut mir wirklich leid.

Ist das Thema Brustkrebs für Männer ein Tabu-Thema?

Dorothé Düpont : Gerade der älteren Generation ist das Thema oft unangenehm oder peinlich. Erschwerend kommt hinzu, dass der Weg häufig über die Gynäkologen läuft. Die jüngere Generation geht damit offener um: Es ist selbstverständlich geworden, dass auch Männer in Frauenarztpraxen sitzen, weil sie etwa ihre schwangere Partnerin zur Untersuchung begleiten. Trotzdem muss es insgesamt noch viel mehr Öffentlichkeitsarbeit zum Thema geben. Denn es gibt sogar Ärzte, die nicht wissen, dass es Brustkrebs beim Mann gibt.

Persönlich

Dorothé Düpont ist 55 Jahre alt, verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Sie kommt gebürtig aus Erftstadt und lebt in Lemgo. Düpont hat eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und danach in Bonn Medizin studiert. Nach Stationen in ganz Deutschland leitet sie seit 2012 das Brustzentrum am Klinikum Lippe in Lemgo, das 2005 als erstes Brustzentrum in NRW zertifiziert wurde. Das Brustzentrum arbeitet interdisziplinär mit Radiologen, Onkologen, Strahlen- und Physiotherapeuten sowie Nuklearmedizinern zusammen – für den operativen Part sind am Brustzentrum mit Düpont insgesamt drei Ärzte zuständig.

Informationen von Betroffenen in Schötmar

Dorothé Düpont kommt am Freitag, 22. Oktober, ins Café am Kirchplatz in Schötmar. Ab 9 Uhr berichtet sie beim Frühstück der &bdquo;Kilians-Männer-Runde" über Brustkrebs bei Männern. Mit dabei ist auch Uwe Stübben aus Lemgo, Leiter einer Selbsthilfegruppe für Männer mit Prostatakrebs. Anmeldung unter Tel. (05222) 85166. Von 14 bis 17 Uhr steht Düpont danach im Café für Gespräche rund um das Thema Brustkrebs für alle Interessierte bereit. Sabine Mirbach, selbst Brustkrebspatientin, ist bereits am Donnerstag, 21. Oktober, von 14 bis 17 Uhr als Gesprächspartnerin vor Ort.

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