Bad Salzufler richten mit über Mord und Totschlag

Bad Salzuflen. Es gibt Fälle, an die erinnert sich Gabriele Bröker heute noch. Zum Beispiel an die Verhandlung über einen Mordfall, der sie als Schöffin zugeteilt worden war. &bdquo;Mich hat lange die Frage beschäftigt, ob man die Tat innerhalb der betreffenden Familie hätte verhindern können“, sagt sie. Fast 20 Jahre ist Bröker Schöffin am Landgericht Detmold gewesen, nach der laufenden Amtsperiode ist für sie Schluss. Sie ist jetzt 69 Jahre alt.

Für Schöffen gilt, dass sie bei Beginn der Amtsperiode nicht jünger als 25 Jahre und nicht älter als 69 sein dürfen. Alle fünf Jahre werden die Schöffinnen und Schöffen an den Strafkammern und Schöffengerichten sowie für die Jugendkammern der Landgerichte und für die Jugendschöffengerichte neu gewählt.

Die Kommunen im Kreis Lippe stellen dafür Vorschlagslisten auf. Aus diesen wählt ein Schöffenwahlausschuss die Haupt- und Hilfsschöffinnen und -schöffen. Für die kommende Amtsperiode 2024 bis 2028 ist die Bewerbungsfrist in Bad Salzuflen allerdings bereits abgelaufen. 56 Bewerbungen sind laut Stadt eingegangen.

Gleichberechtigtes Miteinander Für Bröker ist es nun ihre vierte Amtszeit, Ende des Jahres läuft sie aus. &bdquo;Es war eine spannende und interessante Zeit“, sagt die Laienrichterin. Nachdem sie zunächst zwei Amtszeiten gedient hatte, machte sie eine Pause von zehn Jahren und wurde dann erneut gewählt. Sie sei von Parteifreunden gefragt worden, ob sie sie sich vorstellen könne, Schöffin zu werden. &bdquo;Das hat mich neugierig gemacht“, sagt die Sozialdemokratin. Beruflich habe sie im medizinischen Bereich gearbeitet. Eine juristische Vorbildung habe sie nicht. Das ist aber auch nicht notwendig.

&bdquo;Schöff*innen sollten über soziale Kompetenzen verfügen, also das Handeln eines Menschen in seinem sozialen Umfeld beurteilen können. Lebenserfahrung und Menschenkenntnis werden erwartet“, heißt es beispielsweise zu den Anforderungen.

Auch Carsten Möller ist am Landgericht Schöffe. Für den 50-Jährigen ist es seine zweite Amtsperiode. Er ist Berufsbetreuer, unterstützt also Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. &bdquo;Wenn ich zu einer Verhandlung gehe, kenne ich meist nur die Namen des Angeklagten und der Richter und Anwälte. Um was es geht, erfahre ich dann vor Ort.“

Wesentlich sei, dass man unvoreingenommen in die Verhandlung gehe. &bdquo;Ich versuche mich voll und ganz auf das zu konzentrieren, was die Zeugen und die Angeklagten sagen und auch auf die Mimik zu achten, um mir ein Bild über den Wahrheitsgehalt machen zu können“, sagt er. &bdquo;Gesunder Menschenverstand ist wichtig für das Amt“, sagt Bröker. Schließlich zähle die Stimme des Schöffen genauso viel wie die Stimme des Berufsrichters oder der Berufsrichterin.

30 Sitzungstage Ob eine Angeklagter schuldig gesprochen werde und wie hoch das Urteil ausfällt, werde gemeinsam besprochen. &bdquo;Der Richter gibt vor, wo juristisch das Strafmaß liegt“, sagt Möller. Ansonsten habe er die Gespräche aber immer als sehr offen erlebt. &bdquo;Es ist nicht so, dass man als Schöffe einfach nur alles abnickt, was der Richter sagt. Ich habe es bisher immer als ein sehr gleichberechtigtes Miteinander empfunden.“

Neben den bis zu drei Berufsrichtern wirken am Landgericht jeweils zwei Schöffen mit. &bdquo;Üblicherweise bekommt man zu Ende des Jahres eine Liste mit den Verhandlungen, an denen man als Schöffe teilnimmt“, sagt Bröker. Die Teilnahme sei verpflichtend, Urlaub oder Krankheit würden natürlich berücksichtigt. Wie viel Verhandlungstage sich ergeben, stehe nicht immer vorab fest. &bdquo;Meine längste Verhandlung hatte 30 Sitzungstage“, sagt Bröker.

Ein bisschen Sitzfleisch muss man also mitbringen. Bisweilen geht es auch um Kleinigkeiten. &bdquo;In einem Fall hat der Angeklagte Lebensmittel im Wert von ein paar Euro gestohlen. Da er auf Bewährung war, ging es vor das Landgericht“, sagt Möller. Dennoch konzentriere er sich auf jeden einzelnen Fall. Denn für die Angeklagten geht es oft darum, ob sie ins Gefängnis müssen oder nicht. Aber auch für die Schöffen kann ein Fall belastend sein.

Forderung nach Betreuung Neben dem bereits genannten Mordfall sei es auch die Verhandlung zu einer Vergewaltigung gewesen, die ihr sehr nah gegangen sei, sagt Bröker. Ins Detail können weder Bröker noch Möller gehen, da sie zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. &bdquo;Was möglich ist, bespreche ich aber mit meiner Familie“, sagt Carsten Möller. &bdquo;Ich mache es mit mir selbst aus“, sagt Gabriele Bröker.

Andreas Höhne, Präsident des Bundesverbandes der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, fände es daher gut, wenn es eine psychosoziale Begleitung für Schöffen gäbe. Er hält auch die Amtszeit von fünf Jahren für zu lang. &bdquo;Sich so lange zu binden, schreckt vor allem junge Leute ab“, sagt er gegenüber der LZ. Höhne regt eine kürzere Periode von drei bis vier Jahren an. Das Durchschnittsalter der Laienrichter liege derzeit bei 55 Jahren plus.

&bdquo;Eine Verjüngung um zehn Jahre würde der Justiz guttun“, so Höhne. Carsten Möller sagt, dass sein Blick auf die Justiz sich gewandelt habe, seit er Schöffe ist. &bdquo;Als Bürger hat man ja in der Regel ungern mit der Justiz zu tun. Ich glaube aber, dass wir ein sehr gerechtes Justizwesen haben.“ Er kann sich jedenfalls gut vorstellen, sich erneut als Schöffe zu bewerben. &bdquo;Ich habe sehr viel über Menschen gelernt.“

Schöffen 2019 gab es rund 38.000 Hauptschöffen in Deutschland. Hinzukommen Ersatz- und Ergänzungsschöffen. Ersatzschöffen springen ein, wenn ein Hauptschöffe ausfällt. Das Landgericht Detmold zählt aktuell 76 Schöffen (35 Frauen, 41 Männer), davon 40 Hauptschöffen für Erwachsenenstrafsachen und 10 für Jugendstrafsachen, wie das Gericht mitteilt. Schöffen haben Anspruch darauf, für die Verhandlungen von ihrem Arbeitgeber freigestellt zu werden. Für Zeitversäumnis, Verdienstausfall oder sonstige Aufwendungen wird eine Entschädigung gewährt.

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