Darum geht es bei den Fliegermorden von Hohenhausen

Bad Salzuflen. Die Beteiligung an der Ermordung von fünf amerikanischen Soldaten im August 1944 bezahlte der Schötmaraner Gustav Deppe am Ende selbst mit dem Leben. Um den Kaufmann und die sogenannten Hohenhausener Fliegermorde geht es am Donnerstag, 20. Februar, ab 18.30 Uhr in der Wandelhalle im Kurpark. Der Eintritt ist frei.

Der Historiker Dr. Stefan Wiesekopsieker wird dann in der Veranstaltungsreihe zur Themenreihe &bdquo;80 Jahre Kriegsende“ über seine Nachforschungen berichten. Denn mit Gustav Deppe verbindet ihn eine besondere Geschichte. &bdquo;Meine Großeltern und meine Mutter haben zusammen mit den Deppes im selben Haus in der Krummen Weide 50 in Schötmar gelebt“, berichtet er im Gespräch mit der LZ.

Im Untergeschoss führten die Deppes einen kleinen Lebensmittelladen namens &bdquo;Feinkost Deppe“. Die Geschichte von Gustav Deppe wurde ihm bereits als Kind erzählt. &bdquo;Als die amerikanischen Soldaten ihn Mitte April 1945 festnahmen, soll seine Frau angeblich gerufen haben: Jetzt wird der Mörder abgeholt.’“

Die Festnahme erfolgte kurz, nachdem die Amerikaner Schötmar am 4. April eingenommen hatten. &bdquo;US-Spezialeinheiten ermittelten in den Fällen von sogenannter Fliegerlynchjustiz“, sagt Wiesekopsieker. Dabei handelte es sich um ein Phänomen, das sich während des Krieges vor allem ab 1943 entwickelte: Überlebende Besatzungsmitglieder von abgestürzten alliierten Kampffliegern wurden ermordet, zum Teil wohl als Vergeltung für die Bombenangriffe auf deutsche Städte.

Unter Schutz &bdquo;Die Täter waren häufig Parteifunktionäre, aber auch mal ein aufgebrachter Mob“, sagt Wiesekopsieker. Nach der Genfer Konvention galten diese Flieger allerdings als Kriegsgefangene und hätten Schutz genossen.

Zurück zum Fall Deppe: Als eine amerikanische Maschine, eine B-24, nach einem Bombenangriff auf Braunschweig am 5. August 1944 über dem Gebiet der Ortschaft Echternhagen der Gemeinde Kalletal abgeschossen wurde, konnten sich neun der zehn Besatzungsmitglieder mit einem Fallschirm retten. Bei seinen Recherchen hat Wiesekopsieker unter anderem sowohl auf Unterlagen des Landesarchivs Detmold als auch auf Veröffentlichungen des Hohenhausener Heimatforschers Walter Otto zurückgegriffen, der sich in einer Ortschronik ebenfalls mit den Fliegermorden befasst hatte.

Fünf der US-Flieger wurden um Hohenhausen herum aufgegriffen, wo Gustav Deppe als Hilfspolizist diente, weil er, geboren 1893, nicht mehr als Soldat eingezogen worden war. &bdquo;Auch der damalige Polizeichef von Lippe, Heinrich Jürgens, kam zu dem Hof in Hohenhausen, wo die amerikanischen Soldaten festgesetzt worden waren“, berichtet Wiesekopsieker.

Er gab den Befehl, die Soldaten auf der Stelle zu erschießen. In der Nähe des Hofs auf offenem Feld brachten Gustav Deppe und zwei Mittäter die Männer um. &bdquo;Deppe hat zwei der Soldaten erschossen.“ Heinrich Jürgens selbst hatte sich, nachdem er den Befehl erteilt hatte, ins Auto gesetzt und war davongefahren.

Abgetaucht Während Deppe und den Mittätern 1947 der Prozess in Dachau gemacht wurde, konnte Jürgens nach Kriegsende zunächst abtauchen, so Wiesekopsieker. Zur Verteidigung gab Deppe an, er habe nur einen Befehl befolgt, zudem habe man einen sechsten US-Soldaten verschont, der ebenfalls an anderer Stelle festgesetzt worden war. Auch er sollte laut Jürgens eigentlich erschossen werden.

Die Richter ließen das aber nicht gelten. Deppe und die beiden anderen Männer wurden zum Tode durch den Strang verurteilt und am 20. Juni in Landsberg am Lech hingerichtet. Warum Gustav Deppe den Befehl ausgeführt hatte, obwohl die deutsche Niederlage sich bereits abzeichnete, bleibt unklar.

Angst um das eigene Leben wird es eher nicht gewesen sein. Denn mittlerweile ist Forschungsstand, dass weder Soldaten noch Polizisten die Hinrichtung drohte, wenn sie einen Erschießungsbefehl von Vorgesetzten verweigerten. Sie wurden unter Umständen lediglich degradiert oder versetzt.

Für die SPD kandidiert War er also ein überzeugter Nationalsozialist? Aus seiner überlieferten Biografie lasse sich jedenfalls nicht ableiten, dass er den Nazis nahegestanden habe, sagt Wiesekopsieker. So habe Deppe in den späten 1920er Jahren für die Schötmaraner Sozialdemokraten für die Stadtverordnetenversammlung kandidiert.

Zudem habe er bis 1933 eine Filiale des &bdquo;Lippischen Konsum-Vereins“ geführt. Dabei handelte es sich um einen Genossenschaftsladen, der Nahrungs- und Genussmittel verkaufte und seinen Ursprung in der Arbeiterbewegung hatte.

Es bleibt zwar die Mutmaßung, dass es mit dem Tod von Deppes Sohn zu tun gehabt haben könnte, der als Soldat während des Krieges fiel. &bdquo;Allerdings hat Deppe vor Gericht kein Rachemotiv oder etwas Ähnliches ins Feld geführt“, sagt Wiesekopsieker. Möglicherweise ist es also einfach blinder Gehorsam gewesen.

Heinrich Jürgens, der den Befehl zur Erschießung der Amerikaner gegeben und der sich zwischenzeitlich vor den Alliierten versteckt hatte, tauchte 1952 übrigens in Horn wieder auf. &bdquo;Bis er 1967 im Alter von 77 Jahren verstarb, bekam er eine Pension als ehemaliger höherer Polizeibeamter“, berichtet Stefan Wiesekopsieker.

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