Es irrt der Faust in Bad Salzuflen: Horwitz zwischen Wahn und Poesie

Bad Salzuflen. &bdquo;Goethe war gut“, dichtete einst Rudi Carrell. Womöglich etwas grob in der Wertung. Falsch? Nein. Der Dichterfürst und Universalgelehrte aus Weimar wurde vor 276 Jahren geboren. Das ist lange her und in den Schulen ist das deutsche Drama &bdquo;Faust I“ seit einigen Jahren auf dem Rückzug, ebenso auf den Bühnen. In der Konzerthalle Bad Salzuflen fanden sich rund 180 Menschen ein, um festzustellen, dass der Mensch weiter irrt, wenn er strebt.

Ist das Stück noch zeitgemäß? Taugt ein intellektueller weißer Mann bei den derzeitigen Diskursen noch als Hauptfigur? Was sagt uns sein Erfinder über die Welt von heute? Goethe war Beamter und Minister in seiner Wahlheimat Weimar. Antworten suchte in der Badestadt aber der Schauspieler Dominique Horwitz. Und nahm das Publikum über zweimal 45 Minuten mit auf einen Planeten, der als Bühnenbild in Salzuflen wie eine Formel aus der Chemie daherkam. Und wertlos erschien dem Gelehrten Heinrich Faust dabei &bdquo;das verfluchte Hier und Jetzt“, sodass er mit dem Teufel eine Wette vereinbart. Der deutsche Klassiker - soweit bekannt.

Renomierter Schauspieler &bdquo;Wie viel Teufel sind wir? Welchen Preis wären wir bereit, für die Erfüllung unserer Träume zu bezahlen, wissend, dass das nicht unbedingt Glück verheißt?“, formuliert Horwitz die Kernbotschaft. Er ist eine bekannte Figur im deutschen Theater und auch im Fernsehen, trat an den großen Bühnen auf: am Berliner Ensemble, dem Schauspielhaus Zürich, dem Theater in der Josefstadt in Wien, den Hamburger Kammerspielen. Im Fernsehen war er in verschiedenen Krimi-Serien zu sehen, darunter &bdquo;Tatort“, &bdquo;Der Alte“, &bdquo;Polizeiruf“, &bdquo;Derrick“, aber auch in Produktionen wie &bdquo;Der große Bellheim“ (1993). In dieser One-Man-Show ohne Gretchen stellen sich mehrere Fragen. Eine bestimmt: &bdquo;Hör ich die Botschaft wohl, allein fehlt mir der Glaube“?

Nehmen wir doch mal Folgendes an - ob das Salzufler Publikum das so sieht, ist nicht überliefert - also: Die ständige Getriebenheit der modernen Welt, die Beschleunigung, der Zwang zur stetigen Selbstoptimierung, zu mehr Achtsamkeit, mehr Klimaschutz und und und - die Figur des Faust wäre März 2025 ebenso unglücklich wie zu seiner eigenen Zeit. Wie es das Bildungsbürgertum erwartet, fragt Horwitz mit kritischem Blick in der verdichteten &bdquo;Faust“-Fassung von Torsten Fischer, was uns die Gelehrtentragödie heute noch zu bieten hat? Außer einen Zitatenschatz: &bdquo;Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“

Anspruchsvoll und ermüdend Und das Ergebnis? Das Solostück &bdquo;Herr Teufel Faust“ ist anspruchsvoll. Horwitz wechselt die Masken wie andere Leute Unterhosen, liegt auf dem Boden, steht vor dem dicken Vorhang und übergießt sich auch mal mit Alkohol. Der Teufel bleibt ein Egoist. Und Dominique Horwitz bleibt einer der großen Charakterdarsteller in der deutschsprachigen Theaterlandschaft; ein vielseitiger Künstler, ein leidenschaftlicher Jacques-Brel-Interpret.

Völlig unabhängig von der Inszenierung und der Relevanz des Stücks im Hier und Jetzt. Die Textmenge in der Konzerthalle ist extrem. Zitate geben sich die Klinke in die Hand. Am Ende ist es mehr, als ein Hirn verarbeiten kann. Der Augenblick hat kaum eine Chance, zu verweilen. Gretchen ist tot und die Weltformel konnte auch in Bad Salzuflen nicht gefunden werden. Selten hatte Ambivalenz einen passenderen Namen: Sensationelle Schauspielkunst, große Literatur, noch größere Müdigkeit. Faust? Stimmen aus der Hölle.

Es irrt der Faust in Bad Salzuflen: Horwitz zwischen Wahn und Poesie

Goethe-Jubiläum: «Er gab Weimar Seele und Weltbedeutung»

„Mord in der Haifischbar“ gastiert in der Konzerthalle

Ballett, Oper, Kabarett, Rock’n’Roll - was funktioniert in Bad Salzuflen?

Theaterabend über die Zukunft der Kirche - Päpstin wirbt in Bad Salzuflen für Sponsoren

Bühnenmagie in Bad Salzuflen: Märchenhaftes Musical entführt Jung und Alt

Dämonen und Despoten in der Musik? Wie an der HfM Detmold das Fürchten gelehrt wird

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus