Barntruper Kläranlage filtert erfolgreich einen Großteil der Mikroschadstoffe

Barntrup. Seit einigen Monaten nehmen die Warnungen vor Mikroplastik in der Umwelt zu. In Barntrup werden Mikroschadstoffe bereits seit einem Jahr aus dem Abwasser gefiltert. Die neue Anlage am städtischen Klärwerk, am Oberlauf der Bega gelegen, hat etwa fünf Millionen Euro gekostet, von denen das Land NRW den überwiegenden Teil übernommen hat. Wie die Technik des Pilotprojekts funktioniert und warum die Verwendung von Zahnpasta zunehmend zum Problem für die Umwelt wird, erläutert Frank Waermer im Interview. Der Ingenieur hat mit seinem Büro die Barntruper Technik entwickelt .

Arbeitet die Anlage so, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Frank Waermer : Sie tut es sogar noch besser. Die Auswertungsergebnisse aus dem Labor zeigen, dass die Kläranlage mit der neuen Absorbtions- und Filterstufe mehr als 97 Prozent der untersuchten Mikroschadstoffe eliminiert.

Was für Wasser kommt aus anderen Kläranlagen ohne diese Technik?

Waermer : Andere Kläranlagen können diese Stoffe nur bedingt reinigen. Dabei handelt es sich um sogenannte Mikroschadstoffe mit Partikeln im Mikro- und Nanometer-Bereich. Es sind vor allem Medikamente wie Ibuprofen, Antibiotika, Schmerzmittel wie Diclofenac oder Diabetesmittel. Aber auch Haushalts-Reinigungsmittel gehören dazu. Zum Beispiel Stoffe in Spülmaschinen-Reinigern, die verhindern, dass die Geräte anfangen zu rosten.

Was ist mit Peelings?

Waermer : Da sind wir beim Thema Mikroplastik. Das sind Kunststoff-Teilchen mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern. Diese werden bei herkömmlichen Kläranlagen vielleicht über den Schlamm mit rausgeholt. Bei den ganz kleinen Teilchen aber mit Sicherheit nicht. Bisher landete das Mikroplastik mit dem Klärschlamm auf den Äckern. Damit hatten wir das Plastik auf den Flächen für unsere Nahrungsmittelproduktion, und es gelangt so möglicherweise in Pflanzen oder in Lebewesen, die dann geschädigt werden – Stichwort: Bienensterben. Mikroplastik findet sich inzwischen auch im Meer. Beispielsweise sind handgeschöpfte Salze, die aus Meerwasser gewonnen werden, stark mit Mikroplastik verseucht.

Wo findet es sich noch?

Waermer : Heutzutage ist in nahezu allen Zahnpasten Mikroplastik, das die Zähne weiß machen soll. Oder nehmen Sie die Duschgele, die Mikroplastik als Hautpeelingmittel enthalten. Im Wäschetrockner fangen sich die Flusen im Sieb, in der Waschmaschine fließt der Abrieb der Kleidung mit dem Wasser ab. Das große Problem mit Mikroplastik in Gewässern ist, dass es dort von Tieren aufgenommen wird, weil sie denken, es wäre Nahrung. Dann haben die Tiere den Magen voll von nicht verwertbarem Plastik und verhungern. Darüber hinaus tun wir etwas gegen Antibiotika-Resistenzen, wenn wir dem Abwasser eben diese Stoffe entnehmen.

Hat es Sie gewundert, dass das Thema Mikroplastik verstärkt Schlagzeilen macht?

Waermer : Nicht unbedingt, denn eigentlich ist das Problem schon länger bekannt. Aber ich glaube, es machen sich nur wenige Gedanken darüber, dass die Industrie Mikroplastik Produkten wie Zahnpasta oder Peelings gezielt zusetzt. Daneben finden sich natürlich immer mehr Mikroschadstoffe wie Medikamentenrückstände im Abwasser – schon allein, weil wir alle immer älter werden und mehr Medikamente Verwendung finden.

Wenn Mikroplastik Produkten extra zugesetzt wird: Schaffen wir uns da nicht ohne Not ein Umweltproblem?

Waermer : Ja, man kann hinterfragen, ob wir nicht wieder auf Zahnpasta zurückgreifen sollte, wie sie früher hergestellt wurde. Aber das hängt natürlich vom Verbraucher ab. Allerdings muss man sich intensiv mit dem Thema beschäftigen, um Produkte ohne Zusatzstoffe zu finden.

Zurück zur Barntruper Technik: Wieso ist der Filter gerade hier eingebaut worden?

Waermer : Es bestand die Chance, einen Filter gegen die hohen Phosphorwerte im Abwasser inklusive Mikroschadstoffelimination zu bauen und dafür 70 Prozent Fördermittel zu bekommen. Darüber hinaus hat das Land Barntrup ausgewählt, weil hier die Bega als ökologisch sensibles Gewässer entspringt. Sauberes Wasser am Oberlauf ist besonders wichtig. Überdies wird in Lemgo an einigen Stellen Trinkwasser aus der Bega gewonnen.

Inwiefern haben Sie mit der Technik Neuland betreten?

Waermer : Was diese Anlage weltweit einmalig macht, ist der Einsatz des Fuzzy-Filters in Kombination mit Pulveraktivkohle. Andere Anlagen wie die in Lemgo nutzen in Zukunft vielleicht Ozon, um Mikroschadstoffe zu eliminieren, und Sand, um Partikel herauszufiltern. Dafür brauchen sie mehr Fläche. Die hatten wir hier nicht, deshalb haben wir diese platzsparendere Technik mit den innovativen Fuzzy-Filtern entwickelt.

Wird diese Technik jetzt auch anderswo eingesetzt?

Waermer : Wir haben im Moment drei weitere Anlagen in OWL in Vorbereitung. Besuchergruppen aus ganz Nordrhein-Westfalen sehen sich unsere Anlage regelmäßig an.

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