Gilla Cremer: „Uns vereint ein zähes Durchhaltevermögen“

Detmold . In ihrer Musik vereinte Hildegard Knef instrumentell den Stil des Jazz mit der textlichen Einfachheit des Schlagers. Ihre Rolle in &bdquo;Die Mörder sind unter uns", dem ersten deutschen Nachkriegsfilm, machte sie 1946 auch international von sich reden. Auch abseits der Bühne führte Knef ein bewegendes Leben.

In &bdquo;So oder so: Hildegard Knef" wird Schauspielerin Gilla Cremer am Sonntag, 26. Mai, um 18 Uhr im Detmolder Landestheater aus dem Leben der &bdquo;Woman and a half" erzählen. Die 62-Jährige spielt, erzählt, tanzt und singt sich durch die Höhen und Tiefen einer außergewöhnlichen Biografie. Vorab stand sie der LZ Rede und Antwort.

Frau Cremer, wissen Sie noch, was Sie an jenem Tag gemacht haben, an dem Hildegard Knef verstarb und Sie davon erfuhren?

Gilla Cremer: Nein, ihr Todestag ist irgendwie an mir vorbei gegangen. Erst zwei Jahre nach ihrem Tod habe ich begonnen, ihrem Leben nachzuspüren. Leider – sonst wäre ich ihr vielleicht noch leibhaftig begegnet...

Und dann...?

Cremer: Ich hätte ihr gedankt, weil sie sehr früh Frauenthemen angesprochen hat, die man damals auf gar keinen Fall öffentlich machen wollte. Brustkrebs zum Beispiel. Heute gilt das als mutig. Damals wurde sie dafür angefeindet und man warf ihr vor, dass sie ihre Krankheit bloß für die Presse ausschlachte.

Weil sie es gerade indirekt ansprechen. Was haben im Leben der Hildegard Knef überwogen – die Höhen oder Tiefen?

Cremer: Ich stelle mir vor, dass sich diese beiden Seiten die Waage gehalten haben. Mit wehenden Fahnen und voller Zuversicht ist sie beispielsweise nach Hollywood aufgebrochen. Und dann passierte nichts. Kein einziges Filmangebot, bloß stumpfsinniges Warten. Auch ihre Liebe zu David Cameron war von großen Höhen und Tiefen begleitet. Die beiden waren ein tolles Paar. In dieser Zeit wagte sie auch beruflich ganz neue Schritte als Sängerin und Autorin und feierte unglaubliche Erfolge. Umso schmerzhafter dann die spätere Ehekrise und besonders die Periode ab der Diagnose Brustkrebs. Die Angst, Bestrahlungen, ihre anschließenden Alkoholprobleme, die Trennung von Cameron – alles grauenhaft. Aber diese Frage wirklich beantworten könnte wohl nur sie selbst.

Gibt es Parallelen zwischen Ihnen und Knef?

Cremer: Ich bin zum Beispiel auch sehr viel auf Tournee und kenne, wie sie, sehr gut das unerquickliche Gefühl, morgens aufzuwachen und nicht zu wissen, in welcher Stadt man gerade aufwacht. Auch die Doppelbelastung einer berufstätigen Mutter ist mir sehr vertraut. Und ich glaube, dass uns ein zähes Durchhaltevermögen vereint.

Gewähren Sie uns einen Einblick Ihren Arbeitsalltag als freischaffende Künstlerin...

Cremer: Ein alltägliches Gleichmaß gibt es auf jeden Fall nicht. Auf Tour düse ich mit meinem kleinen Bus, vollgepackt mit Requisiten und sonstigem Equipment zu den Theatern. Ich fange morgens mit dem Aufbau und der technischen Einrichtung an, Das dauert gerne mal den ganzen Tag. Dann spiele ich und baue die ganze Chose wieder mit den Technikern ab.

Und wenn Sie nicht auf Tour sind?

Cremer: Dann liegt immer sehr viel Schreibtischarbeit an. Gastspiele müssen geplant und vorbereitet werden, neue Projekte müssen ausgeheckt oder geschrieben werden. Wenn ich dann ein neues Thema gefunden habe, beginnen Recherche, Gespräche, Verhandlungen. Wenn es dann in die Probenphase geht, arbeite ich wochenlang mit einem Team aus Regie, Bühnenbild und Musikern zusammen. Zwischendurch Büroarbeit, Gastspiele – die klassische &bdquo;never-ending-story", die allen Freiberuflern wohl bekannt sein dürfte

Was war für Sie der Auslöser, sich ihr zu widmen?

Cremer: Als meine Eltern früher begeistert &bdquo;die Knef" aufgelegt haben, mochte ich das zunächst gar nicht. Deutsche Schlager fand ich furchtbar. Ich hörte natürlich englischen Pop und Rock und hielt Frau Knef für eine unmögliche Diva. Erst als ich durch Anregung eines Musikers schließlich &bdquo;Der geschenkte Gaul" las, mir ihre Filme ansah und ihre Lieder ernsthaft anhörte, hat mich diese Allround-Künstlerin &bdquo;infiziert".

Apropos Diva – für welche exzentrischen Allüren war Knef zu Ihrer Zeit bekannt?

Cremer: Ich erinnere mich daran, dass viele Leute sie als unerträgliche Klatsch-Tante abgetan haben, die sich um jeden Preis in den Vordergrund spielen wollte. Ich fand sie vor allem einfach ehrlich. Sie hat kein Blatt vor den Mund genommen. Exzentrisch, weil sie mit Pelzmantel, Hut und großer Brille auftrat und ein loses Mundwerk hatte? Menschen, die mit ihr zusammengearbeitet haben, sprechen manchmal von Allüren, weil sie wohl sehr empfindlich war – aber das kann ich nicht beurteilen.

Was hat Sie Ihrer Meinung nach künstlerisch ausgezeichnet?

Cremer: Ihr unglaubliche Vielseitigkeit, ihr köstlicher Humor, gepaart mit ihrer einzigartigen Stimme. In meinen Ohren klingt sie sehr markant, tief, rauchig, manchmal sehr schnodderig-berlinerisch. Dann wieder äußerst genau, jeden Buchstaben, jede Silbe mit Präzision gegriffen.

Verraten Sie uns doch mal Ihre Lieblingspassage in &bdquo;So oder so".

Cremer: Unmöglich – eine Lieblingspassage jagt doch die nächste! Aber ein Lied, das ich besonders mag: &bdquo;Doch hör nicht auf mich". Sie schrieb es für Ihre 6-jährige Tochter, nachdem sie die Brustkrebs-Diagnose erhalten hatte. Für mich das schönste und weiseste Lebens-Lied, das ich kenne.

Was wollen Sie den Zuschauern im Landestheater vom Menschen Knef vermitteln?

Cremer: Das Stück ist eine Reise durch ihr ganzes Leben, von der Kindheit bis zum Tod – es erzählt von ihrem Mut und ihrem Witz, der sie in allen Höhen und Tiefen begleitet hat. Ich mache nicht Theater, um dem Zuschauer eine bestimmte &bdquo;Message" vorzuspielen. Meine Stücke handeln unter anderem von urmenschlichen Befindlichkeiten. Vielleicht findet der Zuschauer sich darin wieder, stellt Fragen oder nimmt etwas zum Nachdenken mit nach Hause. Ein weiser Satz von Hildegard Knef, den ich besonders liebe: &bdquo;Man muss die eigene, dümmliche Eitelkeit abgeben, als absolute Spende, um weiterleben zu können".

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