Neue Erkrankung nach Corona-Infektion bei Kindern: Das müssen Eltern wissen

Berlin/Detmold. In Großbritannien werden jede Woche bis zu 100 Kinder mit einem neuartigen postviralen Syndrom in Krankenhäuser eingeliefert. Deutlich mehr, als noch 2020. Forscher vermuten, dass das sogenannte Pädiatrische Inflammatorische Multisystem-Syndrom, kurz PIMS, in Folge einer Infektion mit dem Coronavirus bei Kindern auftritt. Doch wie ist die Lage in Deutschland?

Was ist PIMS für eine Erkrankung? &bdquo;PIMS ist eine multisystemische Entzündung bei Kindern, die wahrscheinlich durch eine Überreaktion des Körpers auf Viren ausgelöst wird", erklärt Thomas Brune, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums Lippe. Hauptsymptome von PIMS sind nach Angaben des Kinderarztes lange andauerndes Fieber, Bauchschmerzen und Durchfall. Weitere häufige Symptome sind Hautausschläge im Intimbereich und an den Handinnenflächen sowie Bindehautentzündungen. &bdquo;Das Syndrom kann auch Herzprobleme verursachen", erklärt Brune. Weshalb für betroffene Kinder häufig auch eine intensivmedizinische Versorgung nötig werde.

PIMS ähnelt nach Angaben Brunes zwei, bei Kindern bereits bekannten, systemischen Erkrankungen. Zum einen dem Kawasaki-Syndrom, gekennzeichnet durch Entzündungen der kleinen und mittleren Arterien, sowie dem Schönlein-Henoch-Syndrom, gekennzeichnet durch die Entzündung der kleinen Blutgefäße. &bdquo;Auch bei diesen Erkrankungen kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems bei Kindern."

Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Coronavirus und PIMS? Laut der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) gibt es seit Ende April 2020 aus vielen von der Pandemie betroffenen Ländern Berichte von Kindern, die an PIMS erkrankt sind. Je höher die Zahl der Corona-Infektionen, desto höher die Zahl der PIMS-Fälle.

Zwar ist laut der DGPI bisher kein Nachweis erbracht, dass das Syndrom direkt mit einer Corona-Infektion zusammenhängt. Allerdings seien der zeitliche Zusammenhang, die lokale Verteilung und auch der sehr häufige positive Nachweis von Corona-Antikörpern im Blut betroffener Kinder auffällig. In den meisten Fällen erkranken Kinder zwei bis sechs Wochen nach einer Infektion mit dem Coronavirus an PIMS.

Deshalb bezeichnet das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten einen Zusammenhang zwischen einer Corona-Infektion und PIMS als plausibel. Auch deshalb, weil eine Infektion mit dem Coronavirus auch bei Erwachsenen zu einer Überreaktion des Immunsystems zur Folge haben kann.

Wie häufig kommt PIMS vor? Ende April berichteten britische Pädiater als erste weltweit über Kinder, die nach einer Corona-Infektion an einer schweren multisystemischen Entzündung erkrankten. Kurz darauf berichteten auch Kinderärzte aus den USA über eine Häufung der Fälle. Seit dem Beginn der zweiten Corona-Welle mit steigenden Infektionszahlen, steigt auch die Zahl der Kinder, die wegen PIMS im Krankenhaus behandelt werden müssen. Eine Studie aus Großbritannien geht davon aus, dass etwa eines von 5.000 Kindern nach einer Corona-Infektion an PIMS erkrankt.

Auffällig: Betroffen sind laut einer Studie aus Großbritannien überwiegend Kinder mit asiatischen oder afrikanischen Herkunft, insgesamt 75 Prozent. Die Forscher vermuten, dass die Genetik dabei eine Rolle spielen könnte. Darauf deuten auch Zahlen aus den USA hin. Dort gehören nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC bislang etwa 70 Prozent der erkrankten Kinder einer ethnischen Minderheit an.

Auch in Deutschland wurden bereits PIMS-Fälle dokumentiert, laut DGPI bislang 168. 63 Prozent der Betroffenen waren Jungen und 34 Prozent im Alter zwischen sieben und zehn Jahren. Todesfälle sind bislang nicht aufgetreten. &bdquo;Die Erkrankung ist in Deutschland deutlich weniger verbreitet als in Großbritannien oder den USA. Warum das so ist, wissen wir allerdings noch nicht", sagt Brune.

&bdquo;Bevor klar war, dass es sich bei der Erkrankung um ein neuartiges postvirales Syndrom handelt, hieß es häufig, dass die Kinder an einem untypischen Verlauf des Kawasaki- oder des Schönlein-Henoch-Syndroms leiden. Doch bei nachträglichen Untersuchungen zeigte sich, dass sich die meisten Kinder zuvor mit dem Coronavirus infiziert hatten." Häufig seien die Infektionen jedoch wegen milder oder gar nicht erst auftretender Symptomen nicht bemerkt worden. &bdquo;Eltern konnten sich, wenn überhaupt, nur mit Mühe an harmlose Infekte zurückerinnern", sagt Brune.

Wie sollten sich Eltern jetzt verhalten? Auch wenn PIMS als Folge einer Corona-Infektion bei Kindern in Deutschland bislang nur selten aufgetreten ist, rät der Kinderarzt weiter zur Vorsicht. &bdquo;Wir wissen noch zu wenig über Langzeitfolgen durch PIMS und auch durch Covid-19, weshalb ich Eltern dringend dazu rate, sich und ihre Kinder weiter vor einer Ansteckung zu schützen", erklärt Brune.

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