Am Pfingstsonntag 1995 fallen auf einem Detmolder Flohmarkt Schüsse

Detmold. Hans V.* geht über den Detmolder Flohmarkt. Der Bielefelder ist zufällig hier und möchte später seine Frau bei ihren Eltern abholen. Seine Pistole trägt der 23-Jährige geladen und entsichert bei sich. In wenigen Augenblicken werden vier Kugeln den Lauf verlassen und Bernd R. lebensgefährlich verletzen. Auch der 21-Jährige ist auf dem Flohmarkt unterwegs und wird Hans V. zufällig begegnen. Unbekannte sind die beiden Männer nicht. Sie sind seit Kindertagen miteinander befreundet.

Drei Schüsse in den Rücken Es ist Pfingstsonntag, der 4. Juni 1995. Auf dem Parkplatz eines Einkaufmarktes an der Bielefelder Straße ist Flohmarkt, viele Besucher bummeln zwischen den Marktständen umher. Gegen halb fünf am Nachmittag halten sich die Bernd R. und sein Kumpel Marten O. an einem der Stände auf.

Plötzlich fühlt Bernd R. den Lauf einer Pistole an seinem Kopf. Hans V. hatte sich von hinten genähert. Er ist wild entschlossen abzudrücken. Marten O. stößt den Angreifer geistesgegenwärtig weg, "so dass der erste Schuß das Opfer in die Brust und nicht in den Kopf getroffen habe", heißt es im LZ-Bericht von 6. Juni 1995. Marten O. hat Glück. Die erste Kugel verpasst ihn nur knapp: Seine Hose ist durchlöchert, doch verletzt ist er nicht.

Bernd R. hingegen versucht schwer verletzt zu flüchten, doch Hans V. lässt nicht von ihm ab. Noch dreimal feuert er seinem fliehenden Freund in den Rücken. Dann flüchtet der Täter. Er schafft es den belebten Parkplatz Richtung Hiddesen zu verlassen.

Täter übergibt Waffe an Zeugen Kurz darauf klingelt es an der Wohnungstür von Uwe T. Er wohnt in einer Straße, die knapp eine Viertelstunde Fußweg vom Tatort entfernt liegt. Vor der Tür steht Hans V., der dem Hauseigentümer unaufgefordert die Tatwaffe überreicht. Der Täter bittet darum, mit der Polizei telefonieren zu dürfen. Keine zehn Minuten später wird er verhaftet.

"Er soll auf das Eintreffen der Beamten gewartet und zu keinem Zeitpunkt Widerstand geleistet haben", heißt es in dem damaligen LZ-Artikel weiter. Als "Affektstau" und Wahn wird das Verhalten von Hans V. einige Monate später von einem Psychologen im Prozess beschrieben. Das Motiv: Eifersucht. Was war geschehen?

Wahnhafte Eifersucht als Motiv Die Vergangenheit von Hans V. und Bernd R. wird in einem LZ-Bericht vom 28. November 1995 rekonstruiert: Beide stammen aus demselben Dorf und gingen gemeinsam zur Schule. Sie pflegten als Erwachsene weiter intensiven Kontakt, "auch als der Angeklagte 1992 seine Cousine heiratete", heißt es in dem Text.

Das erste Ehejahr verlief angeblich glücklich, doch dann keimte im Hans V. ein Verdacht, der ihn bis zu dem verhängnisvollen Pfingstnachmittag im Sommer 1995 nicht mehr losließ: Seine Frau könnte ein Verhältnis mit seinem Freund Bernd R. haben. Denn: "Sie hätten sich zugezwinkert, angelacht, so der Angeklagte vor Gericht". Eindeutige Beweise für diesen Ehebruch hatte Hans V. nicht. Trotzdem entwickelte er nach Aussagen des psychologischen Gutachters vor Gericht eine "wahnhafte Eifersucht". In erster Linie beschuldigte er seine Frau, sein Vertrauen zu missbrauchen.

Im Sommer 1994, ein Jahr vor der Tat, bedrohte er das vermeintliche Liebespaar dann erstmals mit einer Pistole, die er sich Jahre zuvor angeblich aus Angst vor Übergriffen gekauft hatte. Als Konsequenz verließ ihn seine Ehefrau, kehrte aber nach einer Entschuldigung wieder zu ihm zurück.

Die zufällige Begegnung Doch das Drama nahm weiter seinen Lauf. Hans V. wurde gegenüber seiner Frau handgreiflich. Daher zog sie zu ihren Eltern nach Detmold. "Von hier wollte der junge Mann sie abholen, als er auf seinem Weg an besagtem Flohmarkt vorbeikam", heißt es in dem LZ-Bericht vom November 1995.

Von da an soll am Pfingstsonntag 1995 alles Zufall gewesen sein: Dass Hans V. am Flohmarkt ausstieg, dass Bernd R. ebenfalls dort war und dass der Täter seine Pistole geladen und entwaffnet dabei hatte. Was dann geschah, erklärt der Psychologe vor Gericht als "'Affektstau', der sich in der Tat und der Flucht entlud." Hans V. hatte Angst seine Frau zu verlieren und damit die ganze Familie. Denn diese stand hinter ihr. "Erst nach einigen Metern sei er wach geworden, habe bemerkt, dass etwas passiert sein muß", heißt es in der Prozessberichterstattung von 28. November 1995.

Wegen des "Affektstaus" wird Hans V. eine verminderte Schuld zugewiesen. Zugute kommt ihm außerdem, dass Bernd R. die vier Schüsse überlebt hat. Mit schwersten inneren Verletzungen wurde er nach der Tat in das Detmolder Klinikum eingeliefert und schwebte in Lebensgefahr. Fünfeinhalb Monate später stehen sich die beiden Männer vor Gericht das erste Mal wieder gegenüber. Bernd R. ist mittlerweile Vater. Seine Verletzungen werden ihm sein Leben lang zu schaffen machen. Hans V. wird zu vier Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe wegen versuchten Totschlags verurteilt.

*alle Namen von der Redaktion geändert

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