Worauf Unternehmen bei Bewerbern immer stärker achten

Detmold. Auf ihren Schreibtischen landen jedes Jahr mehr als 3000 Bewerbungen. Sie kommen als Anhang per E-Mail, in bewährter Papierform, so manches Mal gar handschriftlich – doch zumeist digital über das angebotene Online-Portal. Als Teil der gemeinnützigen Netzwerk Lippe GmbH kümmern sich Sonja Wolter (Arbeitsmarktintegration) und Jens-Georg Grünebaum (Personaldienstleistungen) darum, Arbeitssuchende in den regionalen Arbeitsmarkt einzugliedern. Stets geht es darum, für jeden die richtige Beschäftigung und Perspektive zu finden.

Mit der Redaktion sprachen Sonja Wolter und Jens-Georg Grünebaum über...

...Chancen auf dem Arbeitsmarkt: &bdquo;Die Bewerbenden haben mittlerweile eine etwas bessere Ausgangsposition“, sagt Grünebaum, &bdquo;aber trotzdem habe ich gewisse Parameter zu erfüllen, die ich mir vergegenwärtigen und kommunizieren muss.“ Einer Bewerbung sollten Werdegang, Motivation, Qualifikation, Berufserfahrung und Alleinstellungsmerkmale schnell zu entnehmen sein. &bdquo;Das hat sich nicht geändert. Wichtig ist, nicht zu künsteln, um der Erwartungshaltung, die natürlich aus einer Bewerbung heraus entsteht, auch im Vorstellungsgespräch gerecht werden zu können. Man soll sich nicht verkaufen, sondern authentisch bleiben – wir sind alle nur Menschen.“

...Anforderungen der Unternehmen: Es finde ein Umdenken statt. &bdquo;Wenn die Person menschlich überzeugt, sind Unternehmen heute eher dazu bereit, fehlende Kompetenzen im Nachgang zu fördern.“ Denn: &bdquo;Die Suche nach dem idealen Kandidaten gestaltet sich schwieriger.“ Eine umso höhere Bedeutung komme dem &bdquo;Onboarding“-Prozess zugute, betont Sonja Wolter: &bdquo;Probleme treten häufig erst nach der Einstellung auf. Oftmals liegt es daran, dass die Bewerber andere Erwartungen hatten. Daher weisen wir immer darauf hin, sich im Vorfeld genau mit dem Stellenangebot auseinanderzusetzen, sich über den Betrieb zu informieren und auch zu bedenken: Wo will ich überhaupt hin?“

...neue Wege, sich ins Gespräch zu bringen: &bdquo;Unternehmen halten für die Besetzung bestimmter Stellen vermehrt Ausschau nach Kandidaten, die selbst jedoch nicht aktiv auf der Suche sind“, beobachtet Grünebaum einen steigenden Trend hin zu passiven Bewerbern. Auch Arbeitssuchende selbst nutzen soziale Netzwerke wie &bdquo;Xing“ und &bdquo;LinkedIn“, um nach Stellenangeboten zu filtern und direkten Kontakt knüpfen zu können. Auch für &bdquo;persönlichere“ Social-Media-Netzwerke wie Facebook und Instagram würden die Unternehmen verstärkt Kampagnen fahren: &bdquo;Dieser Bereich wird weiter ausgebaut, obwohl damit durchaus hohe Streuverluste einhergehen.“

...höhere Erwartungshaltung der Bewerber: &bdquo;Derzeit ist den Bewerbern schon bewusst, dass sie gebraucht werden. Die Entlohnungserwartung ist gestiegen, und sie wird auch mit mehr Nachdruck artikuliert“, sagt Sonja Wolter. Verwerflich sei das nicht, im Gegenteil: &bdquo;Der eigene Wert sollte gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber schon formuliert und begründet werden. Eine gute und realistische Argumentation überzeugt.“

...Vorstellungsgespräche seit der Pandemie: Digitale Formate haben sich bewährt – und seien nach wie vor angesagt. Verfügen Kandidaten nicht über das nötige Equipment, stellt das Netzwerk Lippe es ihnen zur Verfügung und leitet sie an. Auch die Räumlichkeit sollte mit Bedacht ausgewählt sein, rät Jens-Georg Grünebaum: &bdquo;Man sollte in einer hellhörigen Wohnung einen Raum wählen, der vielleicht nicht gerade an den Hausflur grenzt. Auch in Sachen Redeanteil sollte ein Spagat gelingen, bei dem man einerseits nicht zu verschlossen, andererseits auch nicht zu redselig daherkommt.“

...Fachkräftemangel im Handwerk: Sowohl im Handwerks- als auch im Dienstleistungssektor sei es sehr schwierig geworden, überhaupt Nachwuchs zu bekommen. Umso mehr werde versucht, potenziell geeigneten Kandidaten den Weg ins Handwerk aufzuzeigen – alternativ über Qualifizierungen oder den zweiten und dritten Bildungsweg. Vor allem kämpften Betriebe damit, ihr Personal bei der Stange zu halten. Die durchschnittliche Stellenbesetzungsdauer sei alarmierend. Das Netzwerk Lippe verzeichne beispielsweise vermehrt Bewerber aus dem Handwerk, die in die Industrie übersiedeln wollen. Aufgrund des immer weiter steigenden Arbeitspensums fordern die Gewerkschaften mehr Lohn. So laufe derzeit vieles auf eine Lohn-Preis-Spirale hinaus. Jens-Georg Grüne-baum rät daher vor allem kleineren Betrieben, noch mehr Anreize zu schaffen: &bdquo;Beispielsweise, indem das Dienstfahrzeug oder Firmenwerkzeug auch privat genutzt werden darf.“

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