Tod eines Mädchens im Klinikum Lippe: "Sie wirkte stabil"

Kreis Lippe. Wie konnte sich der Zustand eines zwölfjährigen, an einem Magendarminfekt leidenden, Mädchens im Klinikum über Nacht so rapide verschlechtern, dass sie im Dezember 2019 unerwartet verstarb? Das versucht das Amtsgericht Detmold derzeit herauszufinden. Angeklagt sind der behandelnde Arzt und zwei Krankenschwestern, die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung vor. Am dritten Prozesstag sollen drei Krankenschwestern zur Klärung beitragen.

Die Eltern hatten ihre Tochter am späten Abend per Rettungswagen in die Notaufnahme bringen lassen, nachdem sie zuhause mehrfach kollabiert sei . "Sie war stabil, soweit ich das beurteilen kann", erklärte die Kinderkrankenschwester, die in dieser Nacht Dienst in der Notaufnahme hatte. Das Mädchen sei wegen eines Magendarminfekts eingeliefert worden, habe auf der Trage gelegen, sei ansprechbar und nicht besonders blass gewesen.

Schwindel und Kreislauf bei einem Magendarminfekt normal Die heute 67-Jährige habe Routineuntersuchungen durchgeführt wie Fieber und Blutdruck messen. Doch an vieles könne sie sich nicht mehr erinnern. An eines schon: Der angeklagte Arzt habe eine Urinuntersuchung angeordnet. Als sie das Mädchen im Rollstuhl zur Toilette gebracht habe, sei es dort blass geworden, der Kreislauf instabil. "Ich habe das dann abgebrochen", sagt sie, und das Kind auf eine Trage gelegt, wo es sich wieder erholt habe. Ob sie dem Arzt das mitgeteilt habe? "Ja." Aber in die Akte habe sie es nicht eingetragen, wie sie bedauernd erklärt.

Dass Mädchen sei dann auf die Normalstation verlegt worden. Ob das die richtige Entscheidung gewesen sei? Das müsse der Arzt entscheiden, erklärt die 67-Jährige. Aber sie habe sich ja auf der Trage erholt, Schwindel und Kreislauf seien bei einem Magendarminfekt durchaus normal.

Die Krankenakte mit dem ärztlichen Befund, die bei der Verlegung auf die Station ebenfalls mitgeht, soll in diesem Fall in der Notaufnahme geblieben sein. Das passiere schon mal, wenn viel los sei, der Befund noch nicht fertig. Dann werde die Akte nachgereicht. "Das dauert normalerweise nicht lange, maximal eine Stunde", erklärt sie auf Nachfrage. Ob es in diesem Fall so gewesen sei oder es Besonderheiten bei der Verlegung gegeben habe, wisse sie heute nicht mehr. Auch nicht, ob sie mit der auf Station diensthabenden Schwester, die ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, telefoniert habe oder ob sie an das Diensttelefon des angeklagten Arztes gegangen sei, weil er nicht vor Ort war.

Am Morgen wurde sie von ihrer 64-jährigen Kollegin abgelöst. Um 6 Uhr habe diese den Dienst angetreten. Auch sie sagt am Freitag vor Gericht aus. Sowohl auf der Notaufnahme als auch auf der Station, auf die die 12-Jährige verlegt worden war, sei sie an diesem Morgen im Einsatz gewesen. Kurz nach Dienstantritt habe die Mutter geklingelt, sie sei sofort ins Zimmer, um nach dem Grund zu schauen. Eine Übergabe habe es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Dass ihre Kolleginnen in der Nacht mehrfach vergeblich versucht haben sollen, den Arzt zu erreichen, habe sie erst später erfahren.

"Im Zimmer war es dämmrig, das Mädchen saß im Bett und war ansprechbar", erinnert sich die 64-Jährige. Und das Mädchen habe ihr gezeigt, wo sie Schmerzen im Bauch hatte. Die Krankenschwester habe in die Akte geschaut und ein Warmpack geholt. "Im Zimmer habe ich noch die leere Infusion gegen einen vollen Beutel getauscht und der Mutter gesagt, wenn das Warmpack nicht helfe, solle sie sich noch mal melden." Die Mutter sagt später, ihre Tochter habe nicht selbstständig gesessen, das Kopfteil sei lediglich erhöht gewesen.

Dass sich nur wenige Zeit später der Zustand des Mädchens so rapide verschlechtert habe, dass der angeklagte Arzt die sofortige Verlegung auf die Intensivstation anordnen und das Mädchen reanimiert werden musste, "hat mich ziemlich überrascht, damit habe ich nicht gerechnet", sagt sie. Auch der Arzt habe ratlos gewirkt auf dem Weg zur Intensivstation. Die 12-Jährige sei müde und schlapp gewesen, doch das sei bei einem Magendarminfekt normal.

Verfahren gegen weitere Pflegekraft eingestellt Das hatte auch die ebenfalls an diesem Tag als Zeugin geladene, damals 20-Jährige, frisch examinierte Pflegekraft in ihrem Prozess ausgesagt . Sie war eine der letzten Pflegekräfte, die am Morgen nach dem Mädchen geschaut hatten, bevor es kollabierte. Doch sie hätte nichts mehr tun können, stellte ein Gutachter fest, im Juli wurde das Verfahren gegen sie mit Einverständnis aller Prozessbeteiligten gegen eine Geldauflage eingestellt.

Der Prozess wird am Mittwoch, 20. September, fortgesetzt.

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