Besondere Version von „Stolz und Vorurteil“ läuft ab sofort im Detmolder Sommertheater

Detmold. Partystimmung wie bei Weiberfastnacht. Grölende Frauen mit Bierkasten stürmen die Bühne. Alles ist trashig komisch. Schrilles Gekreische, viel Klamauk und Glamour sowie geballte Frauenpower prägen die musikalische Komödie &bdquo;Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ von Isobel McArthur nach dem Roman von Jane Austen, die in der Inszenierung von Jan Langenheim im Sommertheater ihre Premiere gefeiert hat. Das Besondere ist, dass alle fünf Protagonisten weiblich sind, mehrere Rollen meistern und auch in Männerrollen schlüpfen. Der Zuschauer hat es nicht leicht, beim schnellen Rollenwechsel den Überblick zu behalten. Fünf Schauspielerinnen verkörpern 18 Rollen.

Publikum ist Teil der Inszenierung Im rasanten Spieltempo entsteht eine gewisse Hektik. Etwas mehr Ruhe hätte der Inszenierung gut getan. Das Bühnenbild von Anja Jungheinrich katapultiert den Betrachter in eine moderne Karaoke-Show mit Laufsteg, der in den Zuschauerraum ragt und die Darstellerinnen dem Betrachter wie auf einem Heiratsmarkt nahe bringt. In Caféhaus-Atmosphäre sitzt ein Teil des Publikums vorne an Tischen und wird Teil der Inszenierung. Die Darstellerinnen nutzen die gesamte Spielfläche des Sommertheaters einschließlich der Balkone.

Videos galoppierender Stuten stimmen das Publikum aufs Stück ein. Allein es fehlt der Hengst, um den Bestand der Herde zu sichern. Da kein männlicher Schauspieler vorhanden ist, wird kurzerhand ein Zuschauer am Bühnenrand zu Mr. Bennet ernannt, den Vater von fünf unverheirateten Töchtern. Als resignierter Mann des &bdquo;Weiberhaushaltes“ ist er verstummt und darf auf keine Frage reagieren.

&bdquo;Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein alleinstehender Mann, der ein beträchtliches Vermögen besitzt, einer Frau bedarf“ – mit diesen Worten beginnt Jane Austens Meisterwerk aus dem Jahr 1813 mit dem Originaltitel &bdquo;Pride and Prejudice“. Umgekehrt bedarf eine Frau einen Mann, um im England des frühen 19. Jahrhunderts erben zu dürfen. Der bekannteste Roman der britischen Schriftstellerin Jane Austen (1775-1817) ist Liebesroman und zeitgenössische Studie der englischen Gesellschaft zur Zeit der Regency, die von Umbrüchen gekennzeichnet ist. Das Jahrhundertwerk zählt bis heute zu den beliebtesten Romanen, wurde öfters verfilmt und 1959 Broadway-Musical. Autorin und Schauspielerin Isobel McArthur brachte ihre Bearbeitung 2018 in Glasgow zur Uraufführung. Die deutsche Erstaufführung erfolgte 2021 im Staatstheater Nürnberg in der deutschen Übersetzung von Silke Pfeiffer.

Fünf Töchter müssen unter die Haube Regisseur Jan Langenheim holt den Stoff vom frühen 19. Jahrhundert dynamisch in die Gegenwart. Die Kostüme von Jule Dohrn-van Rossum wirken modern und deuten die Zeit der Regency mit historischen Details an. Von der verstaubten Enge des 19. Jahrhunderts bleibt angesichts der vitalen Frauen nicht viel übrig außer dem Grundproblem: Mrs. Bennett (Anja Syrbe) muss ihre fünf Töchter unter die Haube bekommen, denn das Erbrecht im alten England sieht Frauen nicht als Erbinnen vor.

Für die älteste Tochter Jane (Katharina Otte) rechnet sich Mrs. Bennett bei dem neu zugezogenen Junggesellen Mr. Bingley (Stella Hanheide) gute Chancen aus, solange die tanzende Mary (Alexandra Riemann) oder die sarkastische Elizabeth (Jelena Kunz) kein schlechtes Licht auf ihre Schwester werfen. Aber Elizabeth ist die Letzte, die dem Glück ihrer Schwester im Weg stehen würde. Umso mehr ist ihr Bingleys schnöseliger, skeptischer Begleiter Fitzwilliam Darcy (Anja Syrbe) ein Dorn im Auge.

Besorgt um die junge Liebe, scheinen Elizabeth und Mr. Darcy zwischen allen Konventionen blind für ihr eigenes Glück zu sein. Die Männer haben Vorurteile, die Frauen ihren Stolz. Da ist es nicht leicht, zusammenzukommen.

Karaoke und Slapstick Karaoke-Einlagen sind nicht das Einzige, was McArthurs gefeierte Neufassung ungewöhnlich macht. Aktuell und doch werkgetreu gibt die Autorin denen eine Stimme, die meist unerwähnt bleiben, dem Hauspersonal. Im Schauspielmarathon übernehmen fünf Dienstmädchen alle Rollen des Stücks.

Inmitten von Slapstick, Popsongs und einer altmodischen Liebesgeschichte entsteht eine romantische Erzählung von Selbstbestimmung und ökonomischer Abhängigkeit, die aktuell ist. Entschlossener Feminismus paart sich mit beißendem Witz. Bei allem Klamauk bleibt die Fassung facettenreich.

Für die musikalische Einstudierung war Mathias Mönius verantwortlich. Beim Karaoke-Gesang war alles dabei von der Klein-Mädchen-Stimme bis zum überzeugenden Popgesang von Jelena Kunz. Barockmusik wie die Aria der Bachschen Goldberg-Variationen versetzten in frühere Jahrhunderte.

Anja Syrbe beeindruckte charakterstark als überdrehte Mutter und stellte souverän die männliche Rolle von Fitzwilliam Darcy dar. Stella Hanheide nahm Kontakt zum Publikum auf und brachte den Junggesellen Charles Bingley galant auf die Bühne. Gastspielerin Jelana Kunz verkörperte Elisabeth Bennet voller Empathie. Katharina Otte brillierte voller Witz in der Rolle der arroganten Lady Catherine de Bourgh. Gleich fünf Rollen meisterte Alexandra Riemann und setzte die peinlich-clowneske Figur von Mister Collins dramatisch in Szene.

Die nächsten Termine Freitag, 23. Februar, 19.30 UhrSamstag, 24. Februar, 19.30 UhrSamstag, 9. März, 19.30 UhrMittwoch, 20. März, 19.30 Uhr

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