So schätzt Detmolds Kämmerin die Verschuldung in Lippe ein

Detmold. Deutschland lebt &bdquo;auf Pump“. Fraglos nicht so viel wie vor Jahren mal Griechenland. Das griechische Konto war seinerzeit quasi leer. Aufs Inland geschaut, waren die Schulden pro Kopf Ende 2023 in den deutschen Stadtstaaten am höchsten. Schuldenfrei soll in Deutschland die Stadt Bietigheim-Bissingen im Landkreis Ludwigsburg sein. Und Lippe? Die LZ sprach mit Detmolds Kämmerin Dr. Miriam Mikus über Geld und Schulden im Jahr 2025.

Frau Mikus, die engen finanziellen Rahmenbedingungen der Kommunen sind hinlänglich bekannt. Wird Detmold weiter eingeschränkt, wenn die Schulden ebenso wie die Aufgaben weiter wachsen?

Dr. Miriam Mikus: Detmold geht es vergleichsweise besser als vielen anderen Kommunen in NRW, die sich bereits in der Haushaltssicherung befinden, weil wir konsequent auf Haushaltskonsolidierung gesetzt haben. Damit sind uns noch freiwillige Ausgaben möglich, beispielsweise für die Kultur. Aber wenn die Aufgaben weiter wachsen, ohne dass es eine entsprechende Gegenfinanzierung gibt, werden wir das nicht mehr lange aufrechterhalten können.

Bleiben wir einen Moment bei den &bdquo;Miesen“. In vielen Gemeinden und Städten können dringend notwendige Investitionen in marode Turnhallen oder Freibäder nur erfolgen, wenn die ohnehin schon klamme Kommune sich noch weiter verschuldet. Wie hoch ist in Detmold der Verschuldungsgrad je Einwohner?

Dr. Miriam Mikus: Dieser Wert wird in der Regel gemessen durch IT.NRW, also das Statistische Landesamt: In Detmold liegt die Pro-Kopf-Verschuldung - Stand Ende 2023 - bei 2729 Euro.

Sie sehen Bund und Land stärker in der Pflicht, wenn wir über die Schulden reden, die über viele Jahre gewachsen sind. Um die Kommunen in finanziell schwierigen Zeiten stärker zu entlasten, hat die Landesregierung vor Monaten Eckpunkte für einen Abbau des Bestandes an kommunalen Liquiditätskrediten ab 2025 vorgestellt.

Dr. Miriam Mikus: Die Altschuldenlösung, die in der Politik diskutiert wurde, würde Detmold überhaupt nicht helfen, denn wir haben es in den letzten Jahren durch gutes Wirtschaften unterm Strich möglichst vermieden, unsere konsumtiven Ausgaben über Kassenkredite zu finanzieren. Wir verlangen vom Land eine tragfähige Gesamtlösung für die Kommunalfinanzen, nicht nur für die Altschulden. Das Problem sind steigende Kosten in Bereichen, in denen Land und auch Bund Rechtsansprüche festlegen, die eine Stadt erfüllen muss, ohne dass uns die entstehenden Kosten ersetzt werden. Bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen OGS-Platz beispielsweise bleiben rund 85 Prozent der Kosten bei der Stadt Detmold hängen.

Trotzdem noch mal zu den Liquiditätskrediten und hier einmal konkret zu den teilweise hohen Zinsen - was zahlt eine Stadt wie Detmold jährlich an Zinsen? Welchen Summen werden oder wurden getilgt?

Dr. Miriam Mikus: Über viele Jahre haben wir keine Liquiditätskredite aufnehmen müssen und haben deshalb auch nicht unter hohen Zinsen gelitten. Bis 2022 haben wir sogar von der Niedrig- beziehungsweise Nullzinsphase profitiert: Wir haben Geld zusätzlich bekommen, wenn wir einen Kredit aufnehmen mussten. Aktuell liegt unsere Zinsbelastung für Liquiditätskredite im Jahr bei 735.000 Euro. Tilgung für Liquiditätskredite wird nicht separat eingeplant. Daran lässt sich bei einem Haushaltsvolumen von 320 Millionen Euro vielleicht schon erkennen, dass hier nicht unser Kernproblem liegt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir rund ein Fünftel unserer Erträge allein schon als Umlage an den Kreis weitergeben müssen.

Die Schulden in Deutschland setzen sich aus den Wertpapierschulden, Krediten und den Kassenkrediten zusammen. Am Ende des Jahres 2023 betrug die Verschuldung der Bundesländer insgesamt rund 594,2 Milliarden Euro. Wer soll das jemals zurückzahlen? Können Sie das Kopfschütteln der jungen Generation verstehen?

Dr. Miriam Mikus: Ja, ich kann das Kopfschütteln verstehen, denn die nachfolgenden Generationen müssen all das auf Heller und Pfennig zurückzahlen. Hier sind jede Kämmerin, jeder Kämmerer und alle politisch Verantwortlichen dazu verpflichtet, vor der jeweils eigenen Haustür zu kehren, das heißt jede staatliche Ebene muss sparsam sein und nicht auf Kosten nachfolgender Generationen wirtschaften, muss ihre Prozesse und Strukturen infrage stellen. Detmold hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach konsolidiert. Das heißt, wir haben uns mit allen Führungskräften in der Verwaltung zusammengesetzt und geschaut, wo wir Einnahmen verbessern können, Prozesse verschlanken oder Ausgaben sparen können. Für den Haushalt 2024 wurden Verbesserungen von 6,3 Millionen Euro erzielt, für das Haushaltsjahr 2025 noch einmal 6,4 Millionen Euro.

Haben Sie Kenntnisse darüber, wie Detmold in Lippe im Vergleich zu anderen Städten dasteht?

Dr. Miriam Mikus: Wie gesagt, jeder muss vor seiner Haustüre kehren, da verbietet es sich, über andere zu sprechen. In der LZ ist immer mal wieder zu lesen, wem es finanziell schlecht geht. In Lippe liegt unsere Pro-Kopf-Verschuldung leicht über dem Durchschnitt. Die richtige Vergleichsgruppe für uns sind aufgrund der vergleichbaren Aufgabenstruktur jedoch die großen kreisangehörigen Kommunen in OWL wie Paderborn, Höxter, Minden und Herford. Dort liegen wir mit unserer Pro-Kopf-Verschuldung im Durchschnitt.

Ich glaube, dass viele Bürger nicht wissen, wem eine Stadt das Geld überhaupt schuldet. Wer sind die Gläubiger?

Dr. Miriam Mikus: Das sind Banken wie unter anderem die Sparkassen, Volksbanken, die Commerzbank oder die NRW-Bank, keine amerikanischen und auch keine chinesischen Institute. Wir sind da sehr transparent und wenn man so will konservativ. Wir haben uns auch nie für alternative Finanzierungskonzepte entschieden.

Besitzt die Stadt Detmold Bitcoins oder Goldreserven?

Dr. Miriam Mikus (lacht): Nein, ich habe noch kein Gold in unserem Keller gefunden und Bitcoins haben wir auch nicht geschürft. Aber im Ernst: Eine Kommune müsste erst einmal Geld übrighaben, um in solche Anlagen zu investieren

Selbst sehr wohlhabende Länder mit hohen Einnahmenüberschüssen, wie beispielsweise Norwegen, sind öffentlich verschuldet. Womöglich sind Schulden ganz normal. In Detmold dürften viele Leute ebenfalls ihre Autos &bdquo;auf Pump“ kaufen. Und ihre Häuser &bdquo;gehören“ über Jahre der Bank

Dr. Miriam Mikus: Ich bin der Meinung, dass Schulden in Ordnung sind, wenn wir als Stadt mit dem Geld langfristig Vermögen schaffen, also beispielsweise ein Gebäude bauen, Straßen oder Kanäle. Es wäre nicht in Ordnung, wenn wir die Kredite dazu nutzen würden, das Geld für Aktionen auszugeben, denen nichts folgt. Das ist ähnlich wie bei dem von Ihnen angesprochenen Privatmenschen, der einen Kredit für den Hausbau aufnimmt. Finanzieren wir aber unsere konsumtiven Ausgaben über Schulden, verzehren wir unsere Werte. Das wäre so, als ob der Privatmensch Kredite aufnimmt, um in den Urlaub zu fahren.

Schauen wir mal nach vorn. Die stärksten prozentualen Schuldenrückgänge 2024 wurden für Baden-Württemberg (minus 5,8 Prozent), Sachsen (minus 3,4 Prozent) und Hamburg (minus 3,3 Prozent) ermittelt. Könnten die besser sparen? NRW hat da keine guten Karten. Geben wir auch 2025 nach wie vor mehr aus, als wir einnehmen?

Dr. Miriam Mikus: NRW hat zuletzt Schulden in einer Höhe von 0,1 Prozent abgebaut. Ich überlasse es Ihrer Bewertung, ob das eine Heldentat ist. Im gleichen Zeitraum sind die Schulden der Kommunen um 1,1 Prozent gestiegen. Das Land entschuldet sich auf Kosten der Kommunen.

Kümmert sich die Politik womöglich zu wenig darum, wo das Geld, das man den Bürger für allerlei schöne Dinge verspricht, herkommt? Vom Himmel fällt es ja bekanntlich nicht.

Dr. Miriam Mikus: Das könnte ich unterschreiben. Wir betreiben hier in Deutschland leider keine konsequente Aufgabenkritik über alle Ebenen.

Die Europäische Kommission hält übrigens weiterhin Sparen für die beste Medizin. Jetzt möchte ich Sie am Ende noch persönlich fragen: Sparen Sie selbst, wenn Sie sich etwas kaufen wollen, wofür Sie noch gar kein Geld haben?

Dr. Miriam Mikus: Auf jeden Fall, lassen Sie mich das an einem Beispiel festmachen: Ich bin pferdebegeistert und leidenschaftliche Reiterin. Aber es würde mir nicht einfallen, mir ein Pferd &bdquo;auf Pump“ zu kaufen. Und meine Familie und ich würden auch nicht in den Urlaub fahren, wenn wir dafür einen Kredit aufnehmen müssten, dann verzichten wir lieber.

Persönlich Dr. Miriam Mikus ist Kämmerin und erste Beigeordnete der Stadt. Sie stammt aus Detmold und gehört der SPD an. Die promovierte Juristin war vor ihrer Berufung in den Verwaltungsvorstand der Stadt zuletzt für die Ecclesia Gruppe in Detmold tätig. Zuvor sammelte sie Erfahrungen im Ausland (Singapur) sowie als angestellte Rechtsanwältin.

Detmold in Zahlen Die Stadt Detmold beschäftigt rund 1200 Frauen und Männer. Verwaltungsgebäude stehen an insgesamt neun Standorten im Stadtgebiet. Der Stadt gehören rund 200 Immobilien: Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude etc.; dazu kommen 580 Kilometer Abwasserleitungen und 470 Kilometer Straßen, die unterhalten werden müssen. Die Stadt verfügt über rund 330 Fahrzeuge, davon 221 mit eigenem Antrieb. Dieses bewegliche Anlagevermögen hat einen Gesamtwert von 20 Millionen Euro.

Um Kosten zu senken, kann eine Stadt mit anderen Kommunen zusammenarbeiten. So kooperiert Detmold beispielsweise beim Kommunalen Ordnungsdienst mit fünf anderen Kommunen und plant weitere solcher Kooperationen.

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