
Detmold. Schriftstellerin Elisabeth Hermann hat im Buchhaus am Markt aus ihrem Kriminalroman "Zeugin der Toten" gelesen. Das Interesse war groß: Sämtliche Zuhörerplätze waren belegt.
"In der Tür stand eine Frau. Sie trug einen weißen Overall und eine Gasmaske baumelte vor ihrer Brust. Unter den linken Arm geklemmt hielt sie eine Gasflasche, in der rechten Hand einen Schlauch, den sie wie eine Waffe auf ihn gerichtet hielt." Anteile unfreiwilliger Komik lassen sich nicht verleugnen, stellt man sich die Szenerie, in der die Hauptfigur unversehens auf einen technischen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes trifft, bildlich vor. Sie stellt ihren zwielichtigen Gegenspieler mit den Waffen einer Putzfrau - ihrem Reinigungswerkzeug für besonders hartnäckige Flecken...
Protagonistin Judith Kepler ist tatsächlich eine Raumpflegerin. Allerdings umfasst ihr Aufgabengebiet auch Objekte, die der intensiveren Pflege bedürfen: Tatorte von Mordfällen. In dem Fall, den dieses Buch erzählt, räumt Kepler nicht nur in einem weiteren bluttriefenden Zimmer, sondern gleichzeitig auch in ihrer Biographie auf. Sie findet in den Räumen einer grausam ermordeten jungen Frau eine Akte, in der ihre eigene Vergangenheit als Heimkind in einer Verwahranstalt der ehemaligen DDR dokumentiert ist. Daraus entspinnt sich ein Plot, der dunkle Teile der deutsch-deutschen Geschichte, die Verwicklungen der Geheimdienste und deren Auswirkungen auf die Schicksale Einzelner behandelt.
Elisabeth Hermann liest mitreißend und vermittelt den vielschichtigen Charakter ihrer Anti-Heldin durch geschickte, Betonung äußerst glaubhaft. Ohnehin wirkt ihre Protagonistin gut gewählt, weil die gebrochene Persönlichkeit, die vom untersten Ende der Gesellschaft aus ermittelt, weitab vom üblichen Klischee gezeichnet ist. Sie erläuterte die Zusammenhänge ausführlich. So konnten auch jene Zuhörer, die das im März erschienene Buch noch nicht gelesen haben, der durchaus komplexen Story mühelos folgen. (abe)