Wettbewerbsnachteile für kleine Unternehmen: Dörentruper Warenhaus ruft Politik um Hilfe

Dörentrup. Ulrich Blattgerste sagt über sich selbst, er sei ein &bdquo;grundoptimistischer Mensch“. Das erklärt für ihn, warum er im Laufe seines Berufslebens nie den Mut verloren habe. Der Seniorchef des &bdquo;Grünen Warenhauses“ in Dörentrup hat bereits viele Umbrüche erlebt. Etwa den von der bäuerlichen zur industriellen Landwirtschaft. Dass die 45 Hektar Land- und Forstwirtschaft seiner Eltern ihm als Vollerwerb nicht reichen würde, &bdquo;völlig chancenlos“ war, wie er sagt, habe er als junger Mann schnell begriffen - und seinen Widerstand im &bdquo;Kampf gegen Windmühlen“, wie er es nennt, zugunsten anderer Schauplätze aufgegeben.

Dass immer mehr kleine Familienunternehmen unter dem Druck durch Online-Konkurrenz, Preissteigerungen und behördliche Auflagen aufgeben müssten, mag der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann jedoch nicht akzeptieren: &bdquo;Die Rückmeldung der Kunden zeigt mir, dass Geschäfte wie unseres wichtig sind und wir als Gesellschaft viel verlieren, wenn es den Fleischer von nebenan, den Gärtner, Bäcker oder Gastronomen nicht mehr gibt.“ Dass viele Mitstreiter keine Zukunft mehr sehen, kann er allerdings gut verstehen.

&bdquo;Dann kaufen die Leute es eben online“ &bdquo;Die Auflagen, die wir erfüllen müssen, sind für uns nicht leistbar“, sagt Blattgerste etwa zum Thema Ungezieferbekämpfungsmittel. Zu Jahresbeginn 2025 trat mit der Biozidverordnung ein neues Gesetz in Kraft, das den freien Verkauf vieler Produkte in Deutschland stark einschränkt. Selbstbedienung wurde untersagt, alles muss unter Verschluss - und sämtliche Mitarbeiter müssen speziell geschult sein. &bdquo;Bislang war es so, dass es ausreichte, dass ich den Sachkundenachweis hatte - nun müsste ich Tausende Euro für die erforderliche Schulung aller vier Mitarbeiter bezahlen“, erklärt Blattgerste.

Die entsprechende Abteilung hat er zu Jahresbeginn somit aufgelöst. Die noch verbliebenen frei verkäuflichen Alternativen anzubieten, die logischerweise immer weniger Wirkstoff enthielten, komme für ihn nicht infrage. &bdquo;Ich möchte nicht Dinge verkaufen, die höchstens einen Placeboeffekt haben“, konstatiert Blattgerste. Allein: &bdquo;Die Kunden kaufen die Biozide jetzt anderswo. Online“, so Blattgerste, &bdquo;zum Beispiel aus Ungarn oder den Niederlanden.“ Ohne Hindernisse - und gänzlich ohne Beratung.

Saatgut-Tütchen wurden zum Aufreger Das wichtigste Standbein des 2004 gegründeten Warenhauses sind Futtermittel - vor allem für Pferde, Geflügel, Hunde und Katzen. &bdquo;Dieser Bereich funktioniert zum Glück sehr gut“, so Blattgerste, und die Kundschaft komme auch aus Vlotho oder Holzminden. Regelmäßig wird sein Unternehmen, das er mit Sohn Fabian führt, von der amtlichen Futtermittel- und Saatgutkontrolle überprüft. &bdquo;Das ist eine steuerfinanzierte Behörde“, schickt Blattgerste vorweg. Dass er dennoch die Anfahrt der Prüfer und eine zusätzliche Gebühr zahlen müsse - ein wenig eigenartig, doch hinnehmbar. Was jedoch vor einigen Wochen passierte, fühlte sich an wie ein Affront.

So handle das Warenhaus nicht mit Saatgut im großen Stil, verkaufe lediglich Feinsämereien für den Garten, also kleine Tütchen, die es heute auch in fast jedem Super- oder Drogeriemarkt gibt. Das habe Ulrich Blattgerste auch der Kontrolleurin gesagt, die davon überrascht schien. Die Kontrolle habe somit nur zwei Minuten gedauert. Der Gebührenbescheid für die &bdquo;Prüfung“ wies dann allerdings 180 Euro aus. &bdquo;Die erhobene Gebühr überschreitet die zu erzielende Marge für diese Produkte um ein Vielfaches“, beschwerte er sich beim zuständigen Landesumweltamt.

Dessen Reaktion: Die Überwachung des Saatgutverkehrs erfolge risikobasiert, und das Prüfintervall entspreche der Einschätzung von Blattgerstes Betrieb. &bdquo; Nach den mir vorliegenden Unterlagen wurde letztmalig im Jahr 2014 an Ihrem Standort eine Kontrolle im Saatgutbereich durchgeführt“, schreibt Henrik Viehausen vom Fachbereich 88. &bdquo;Sie müssen also nicht damit rechnen, dass ihr Betrieb in der nächsten Zeit erneut zur Kontrolle des Saatgutrechts aufgesucht wird.“ In NRW ansässige Onlinehändler und Vertriebszentren seien in der Prüfdatenbank enthalten und würden dementsprechend ebenfalls überwacht. &bdquo;Natürlich ist mir die steigende Bedeutung dieses Marktes bekannt“, so Viehausen.

Eindruck der Ungleichbehandlung Für Blattgerste war der Vorfall Anlass, sich an den Landtagsabgeordneten Alexander Baer (SPD) zu wenden. Was ihn vor allem wurmt, ist der Eindruck der Ungleichbehandlung. Baer, der eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt hat, gibt ihm recht. &bdquo;Es kann nicht sein, dass Fachhändler hohe Kontrollkosten tragen, während Plattformen wie Amazon oder Temu kaum überprüft werden“, so der SPD-Politiker, der Blattgerste in Dörentrup zum Gespräch traf. Baer fordert faire Bedingungen für den stationären Handel, gerade im ländlichen Raum. Die Antwort der Landesregierung zeigt: Die großen Plattformen werden tatsächlich nicht kontrolliert. Denn sie treten nur als Vermittler auf und bleiben daher von der Futtermittel- und Saatgutkontrolle unbehelligt. Händler, die ihre Ware über Amazon verkaufen, unterliegen allerdings den gleichen Vorschriften wie auch das Grüne Warenhaus.

Baer habe ihm zugesichert, das Thema weiterzuverfolgen, etwa hinsichtlich des neuen Koalitionsvertrages von CDU und SPD auf Bundesebene. Illusionen macht Blattgerste sich nicht: Mächtige Lobbyisten sorgten dafür, dass das politisch Sinnvolle nicht unbedingt umgesetzt werde. Eine fairere Besteuerung etwa für all jene, die sich eben nicht in eine Steueroase flüchten könnten. &bdquo;Aber wir stecken den Kopf nicht in den Sand.“ Flexibel passten er und Sohn Fabian das Sortiment an, reagierten dort, wo es sich einfach nicht mehr rentiere.

Säule der Gesellschaft Stichwort Gartenbedarf: &bdquo;Hier können wir mit den Bau- und Sonderpostenmärkten nicht mithalten. Sie verkaufen die Ware zu einem Preis, zu dem wir sie nicht mal einkaufen“, so der Unternehmer. Die Qualität der Produkte, die von ihm favorisierte Regionalität und damit auch die Öko–Bilanz - für die Blattgerstes sind dies Kernelemente bei der Beschaffung, doch preislich im harten Wettbewerbskampf mit den &bdquo;Onlinern“ dem Kunden oftmals nicht zu vermitteln. Blattgerste gibt ein Beispiel: &bdquo;Ich selbst kaufe meine Frühlingsblumen nicht schon weit vor Ostern, weil ich weiß, dass sie dann nicht von hier sind. Ich warte, bis die Gärtnerei vor Ort so weit ist.“ Dass deren Pflanzen etwas teurer seien, nimmt er in Kauf: &bdquo;Ich ziehe das wenige, dafür Vernünftige, der Masse vor.“

Warum Kleinunternehmen für ihn eine Säule der Gesellschaft sind? &bdquo;Weil sie hier Gewerbe-, Einkommens- und Lohnsteuer zahlen, weil sie für Arbeitsplätze sorgen, oftmals ausbilden.“ Das Feedback der Kunden, die Fachkomptenz und Service schätzten, gebe ihm Rückenwind, und das, was sie betriebswirtschaftlich selbst in der Hand hätten, laufe ja gut. Er möchte, dass Unternehmen, die hierzulande verkaufen, auch mit den Nebenkosten belegt werden, um die Konkurrenzfähigkeit zu gewährleisten. &bdquo;Ich möchte das Geschäft für meinen Junior erhalten“, erklärt Blattgerste. Und denkt, ganz Optimist, sogar schon ein klein wenig an die Enkel.

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