Wellness oder Religion? In Bad Meinberg bekommt alles und jeder einen TikTok-Segen

Horn-Bad Meinberg. Wer auf dem TikTok-Kanal von Sukadev Bretz landet, wird dort fast erschlagen von der schieren Anzahl sehr ähnlicher Kurzclips. Für Außenstehende wirkt es geradezu albern, wie der erwachsene Mann irgendwelche Kurzsätze in die Kamera spricht und dabei mantraartig das seltsame Wort &bdquo;Skibidi“ wiederholt. Segenswünsche sollen diese kuriosen Clips sein, mit denen der Yoga-Vidya-Leiter täglich und offenbar auch auf Bestellung seine 206.400 Follower unterhält. Ist das Trend oder Anbiederei?

&bdquo;Skibidi wach werden! Skibidi aufstehen! Skibidi los los los! Skibidi lamm! Skibidi wamm! Skidi ramm jamm wamm!“ Während Bretz in die Kamera rappt, schlagen ab und zu Blitze in seinen Kopf. Nächster Clip: &bdquo;Skibidi lernen! Skibidi merken! Skibidi Konzentration! Skibidi [fremdsprachig klingende Gebetsformeln]!“ Nächster Clip: &bdquo;Skibidi skibidi rimschimklim! Lichtenergie für Mika! [fremdsprachig klingende Gebetsformeln]!“ Diese Lichtenergie hatte sich joris_da von Bretz für Mika gewünscht. So geht es unzählige Videos mit kleinen Variationen weiter.

Segenswünsche für alle Lebenslagen Die Follower von Bretz’ TikTok-Kanal wünschen sich Segen für die Führerscheinprüfung, Klassenarbeiten, Klausuren, das Abitur, die Krebs-OP... Sukadev Bretz nimmt die kurzen Skibidi-Segenswünsche oft beim Spaziergehen, manchmal auch im Supermarkt und im Nahverkehr oder während freier Minuten in den Räumen von Yoga Vidya auf. Während Bretz’ Arbeitseifer beeindruckt, fällt einem nach dem Angucken Hunderter Skibidi-Clips ganz zielgruppen-spezifisch nur noch ein fassungsloses &bdquo;Was geht?!“ ein.

&bdquo;Als Seelsorger kann ich das nicht ernst nehmen“, sagt Landespfarrer Horst-Dieter Mellies, Sektenbeauftragter der Lippischen Landeskirche. &bdquo;Einen Segen spende ich doch nicht mit 1000 Videos am Tag.“ Auch dass Bretz auf Wunsch virtuelle Dinge wie den FIFA-Account segnet, kann Mellies nicht nachvollziehen. &bdquo;Das ist natürlich eine gute Anpassung an die Jugendkultur“, aber wenn jeder und alles einen Segensspruch bekomme, müsse man schon fragen, was Yoga Vidya denn nun sein wolle: Glaubensgemeinschaft oder neutraler Wellnessanbieter. Eine Gefahr, Kinder in eine gewisse Richtung zu manipulieren, sieht Mellies in den TikTok-Segenswünschen nicht. Teenager würden solchen Skibidi-Content mit einer &bdquo;gewissen Routine“ konsumieren.

@sukadevbretz &bdquo; Sukadev ist ein kreativer Mensch und probiert gerne vieles aus“, erklärt Christin Friedla, Teamleitung PR von Yoga Vidya. Er suche immer wieder nach neuen Möglichkeiten, junge Menschen zu erreichen.

Seit 2019 sei Yoga-Vidya-Leiter Sukadev Bretz laut Friedla auf TikTok aktiv. &bdquo;Bekannt ist er dort insbesondere für seine ,Lichtenergie’-Videos, in denen er Mantras rezitiert, oft in höherer Geschwindigkeit. Täglich bitten zwischen 1000 und 10.000 Menschen darum, dass Sukadev ein ,Lichtenergie’-Video für sie macht.“

Sukadev sei der Überzeugung, dass Mantras viel bewirkten, erklärt Friedla. &bdquo;Es macht ihm viel Freude, viele Menschen zu erreichen – und auch ein klein wenig einzutauchen in die Welten der jungen Menschen. Über deren Kommentare und Bitten um Lichtenergie erfährt er, was sie besonders beschäftigt – und freut sich, einigen helfen zu können.“

Wegen der jungen Nutzergruppe von TikTok haben viele Erwachsene den Hype gar nicht mitbekommen. &bdquo;Die Reichweite hätte ich auch gerne bei Jugendlichen“, gibt Landespfarrer Mellies zu. &bdquo;Wir haben als christliche Kirchen den Zug in die sozialen Medien komplett verpasst. Es wäre schon gut, wenn wir ähnliche Angebote hätten.“ Natürlich werde die Aussage wegen der Kürze der Clips dann auch etwas &bdquo;holzschnittartig“. Einen TikTok-Account habe die Landeskirche nicht. Derzeit werde eine Social-Media-Strategie entwickelt, die zeitnah umgesetzt werden solle .

Stotternder Musiker erfindet Kunstwort Und was hat es nun mit den Skibidi-Videos auf sich? Das Wort tauchte zuerst 1994 in einem Song von &bdquo;Scatman John“ auf. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den eigentlich stotternden Musiker John Paul Larkin, der in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit unzusammenhängende Silben rappte - sogenanntes scatting: &bdquo;I’m the Scatman! Ski-bi dibby dib yo da dub dub!“ Im Jahr 2018 veröffentlichte die russische Rave Band &bdquo;Little Big“ das Lied &bdquo;Skibidi“, welches viral ging – und einen TikTok-kompatiblen Tanz populär machte.

Im Februar 2023 wird es richtig schräg: Der georgische Animator Alexey Gerasimov lädt eine mithilfe von Computerspiel-Technik erstellte Animationsserie auf Youtube hoch, in der es um den Krieg der Skibidi Toilets geht - sich selbst fortbewegende Klos mit singenden menschlichen Köpfen in der Schüssel kämpfen gegen Cyborgs, die Köpfe aus Kameras, Fernsehern oder Lautsprechern haben.

Was in den 70ern als Albtraum oder bestenfalls als schlechter Drogen-Trip eingestuft worden wäre, begeistert in den 2020er Jahren die Jugend - insbesondere die Generation alpha, die alle ab 2010 Geborenen einschließt - derart, dass sie das Thema aufgreift und &bdquo;Skibidi“ in zahlreichen Internet-Memes zitiert.

Verschiedene Bedeutung, je nach Kontext &bdquo;Obwohl es keine feste Definition besitzt, wird es in verschiedenen Kontexten verwendet, um unterschiedliche Bedeutungen zu transportieren“, weiß Friedla. &bdquo;Menschen werden als ,Skibidis’ bezeichnet, was mal ,verrückt’ heißen soll, mal ,großartig’, mal ,Spinner’, mal ,toller Typ’.“ Die junge Fan-Gemeinde scheint den Skibidi-Auftritt des Yoga-Vidya-Chefs zu mögen. Dass manche der vielen Kommentare oder Bitten auch nicht ganz ernst gemeint sein könnten, scheint Sukadev Bretz immerhin zu ahnen, denn Friedla schreibt auch: &bdquo;Und er freut sich auch, wenn er mit den Videos Grund zum Lachen gibt – und über das Lachen die Herzen der Menschen erreicht.“

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