
Dörentrup. Thomas Hinze hat eine soziale Ader. Als Mitarbeiter der Jugendhilfe Schweicheln kümmert er sich darum, dass Kinder unter den Zuständen in ihren Familien nicht mehr leiden müssen. Auf seinem Hof in Dörentrup setzt er sich für den Erhalt alter Haustierrassen ein.
Wer schön ist, muss leiden. Die Prozedur, die der schwarze Hahn auf dem Hof von Thomas Hinze in Dörentrup an diesem Morgen über sich ergehen lassen muss, macht ihm ganz offensichtlich überhaupt keinen Spass. Flügelschlagen hilft aber nicht: Das Tier, das zur seltenen alten Haushuhnrasse Krüper gehört, dient der Wissenschaft.
Dr. Ulrike Jannsen-Tapken, Diplom-Agraringenieurin Silvia Wittig und Biologie-Laborant Maik Przyklenk vom Institut für Nutztiergenetik, die mit Hofbesitzer Thomas Hinze um den Hahn herumstehen, trachten ihm nicht nach dem Leben sondern nur nach seiner Erbsubstanz, der DNS.
"Die Krüper waren wie viele andere alte Haustierrassen früher in Westfalen, Lippe und im Bergischen Land weit verbreitet und wurden dann aber von anderen Züchtungen verdrängt", beschreibt Thomas Hinze die Entwicklung, während der Kopf seines Hahns samt Kamm auf einen Fototisch mit einer anliegenden Farbskala gedrückt wird.
Als Vorsitzender des Vereins "Tiere im Dorf" setzt der Diplom-Sozialarbeiter sich für den Erhalt alter Rassen ein. "Es geht unter anderem um den Erhalt von Genreserven", erklärt der Familienvater, der der seinen Vier-Hektar-Hof nach nach der Arbeit als Bereichsleiter der Jugendhilfe in Schweicheln führt.
"Die Rassen würden sonst aussterben, weil sie wirtschaftlich nicht mehr interessant sind", sagte er. So bevölkert eine agrarische Arche-Noah seinen Hof: Die beiden Lippegänse mit Namen Jonathan-Friedrich und Agathe. "Die haben 8 bis 10 Gössel im Jahr", sagt Hinz und lacht. Dazu kommen Skudden - eine alte mittelalterliche Schafrasse -, Pommernenten oder Meißener Widder-Kaninchen und selbst Hofhund Flocke ist Vertreter einer alten Rasse: Er ist ein Mittelspitz, der heute kaum noch verbreitet ist.
Bei der Haltung geht es nicht allein ums Hobby: "Wir schlachten und essen unsere Tiere", sagt Hinze, der seine Liebe zu den alten Haustieren durch Bauernhofbesuche bei Verwandten erbte. "Ich bin sonntags durch die Ställe und habe die Tiere gefüttert."
Mit ihm gibt es weitere Züchter und Halter in Dörentrup, etwa auf den Hof von Dr. Rudolf Diekmeier, Hinzes Stellvertreter. Er ist promovierter Agrarwissenschaftler und Biolandwirt. Vor zehn Jahren haben sich die Dörentruper Züchter zum Verein "Tiere im Dorf" zusammengeschlossen.
Doch wo lassen sich die alten Rassen überhaupt nutzen? "Sie sind in der Regel genügsam und an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepasst", sagt Hinze. "Rassen wie die Skudden-Schafe lassen sich heute etwa in der Landschaftspflege einsetzen." Und sie sind ein touristischer Faktor. "Es gibt Hofführungen oder Hotelrouten", erzählt der Dörentruper.
Die alten Rassen und ihr Genpool führen auch dazu, dass es Experten wie vom Institut für Nutztiergenetik in das lippische Dorf zieht. Die Wissenschaftler in Mariensee gehören zum Friedrich-Loeffler-Institut, das eine Forschungsanstalt des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist.
Zurzeit haben die Genetiker die Haushühner bei ihrem Forschungsprojekt im Visier: Die enorme Vielfalt der Haushuhnrassen, erklärt Janssen-Tapken, ist aus wissenschaftlicher Sicht von Interesse . Die Unterscheide in Form und Farbe, Größe und Gewicht, werdend durch die Erbanlagen bestimmt, die viel Rassen Rassen einmalig machen. Doch über genau diese Erbanlagen, wisse man einfach zu wenig.
Das soll mit dem Forschungsprojekt ändern, bei dem nicht nur auf Geflügelschauen sondern auch bei Tieren von Züchtern wie Hinze Gen-Proben genommen, Fotos gemacht und die Tiere vermessen und gewogen werden. Die Wissenschaftler hoffen, Aussagen über Rassen, ihre Züchtungen und über die Besonderheiten einzelner Tiere treffen zu können.