Bad Salzuflen. Nach dem Bericht über das Eingreifen des Bürgermeisters im Salzufler Schwanen-Streit meldete sich ein Mann per E-Mail bei der LZ, der das Geschehen vom Pfingstmontag - wie er schreibt - wohl „als einziger Augenzeuge“ tatsächlich gesehen hat. Er habe gesehen, „wie der Schwan auf dem Kurparksee sich am Pfingstmontag selbst verletzt hat“. Sein Fazit: „Die Berichte über Fremdverschulden durch ein Tretboot sind vollkommen falsch, Hass und Anfeindung durch Tierschützer sind unangebracht.“ Er steht zu seinen Aussagen und ist der Redaktion namentlich bekannt, möchte aufgrund der hitzigen Debatten um die Tretboote jedoch anonym bleiben. „Kind schrie vor Schreck“ Im Gespräch mit der LZ berichtet er, dass seine Schwiegerkinder für eine Fahrt mit ihrem zehnjährigen Sohn ein Schwanentretboot gemietet hatten. „Während ich mich mit den Rentnern am Steg unterhielt, beobachtete ich den Schwan, der offensichtlich angriffslustig und fauchend dicht hinter dem Tretboot her schwamm“, erinnert sich der 83-Jährige, der seit 70 Jahren in der Kurstadt lebt. „Als es langsam zum Anlegesteg zurückkam, sah ich, wie der Schwan von hinten auf das Boot sprang. Es knallte auf einmal. Das Kind, das hinten saß, schrie vor Schreck und kletterte zu seinen Eltern nach vorne zum Aussteigen. Der Schwan konnte sich nicht auf dem Boot halten und fiel zurück ins Wasser. Dabei hat er sich offensichtlich den Flügel an der Bootskante verletzt.“ Anschließend sei das Tier weggeschwommen. „Schwan war der Aggressor“ Vermutungen, dass das Tretboot den Schwan angefahren habe, bezeichnet er als lächerlich. „Der Schwan war der Aggressor. Er hat sich selbst ohne weitere Einflüsse verletzt.“ Als er den LZ-Bericht über den Zwischenfall las, in dem von einer blutenden Wunde und einem „Zusammenstoß“ die Rede war, habe er geahnt, dass dies das zumindest zeitweilige Aus des Verleihs bedeuten würde. Dass dessen Zukunft inzwischen ungewiss ist, habe ihn dann veranlasst, sich noch zu melden. „Ich bin wahrlich auch Tierfreund, doch dass ein offensichtlich verhaltensgestörter Schwan so viel bewirken kann, gibt mir wirklich zu denken“, wundert sich der Salzufler. Er lebe seit seiner Kindheit in Bad Salzuflen und die Schwäne auf dem Kurparksee gehörten zum Bild der Stadt. „Das hat auch früher schon die Besucher aus der Umgebung angelockt. Das wollten sie bei dem Rundgang um den See sehen.“ Schwan wirke „ausgeflippt“ An dieser Stelle jedoch kommt sein großes Aber: „Als Kinder und Jugendliche haben wir schnell gemerkt, wenn die Schwäne uns anfauchten, wenn sie Junge hatten und wir ihnen zu nahe kamen. Das war natürlich und wir machten ganz schnell den Rückzieher.“ Eine friedliche Koexistenz mit den Ruderbooten auf dem See sei möglich gewesen. Der Schwan, um den es jetzt gehe, habe das Tretboot jedoch angegriffen, obwohl die Küken weit weg waren. „Dieser Schwan hat sich nicht normal und artgerecht verhalten.“ Dass Bürgermeister Dirk Tolkemitt den Verleih zuletzt auch mit Rücksicht auf die Sicherheit der Gäste stoppte, kann der 83-Jährige nachvollziehen. Allein die Schlussfolgerung, dass der See nun gar nicht mehr befahrbar sein soll, stimmt ihn traurig. „Der Bootsverleih war immer eine Attraktion.“ Seiner Ansicht nach ist der aggressive Schwan nicht nur für Menschen auf dem Wasser eine potenzielle Gefahr. Er wirke „ausgeflippt“. Dies bestätigt auch eine Anwohnerin, die sich telefonisch meldet. „Der Schwan verfolgte kürzlich eine Entenmutter mit ihren Küken, ohne dass seine eigene Familie in der Nähe gewesen wäre.“ „Gefahr von Knochenbrüchen“ Schwäne brüten einmal im Jahr und legen ihre Eier meist Ende April ab. Während der rund vierwöchigen Brutzeit und in den ersten Wochen, nachdem die Küken geschlüpft sind, gelten sie als besonders wachsam und angriffslustig. Aber: „Nicht nur dann“, stellt Marc-Philip Eckstein vom Vogelpark Heiligenkirchen klar. Die Wehrhaftigkeit dieser Vögel sei auch der Grund, warum sie selbst keine Schwäne halten würden. „Ihr Verhalten ist sehr territorial“, so der zoologische Leiter aus Detmold. Auch die eigenen Jungtiere würden eines Tages vehement aus dem Revier vertrieben. „Ohne dass ich konkret auf den speziellen Einzelfall eingehen kann: Der Schwan auf dem Kurparksee zeigt, dass ihn etwas stört.“ Aus seiner Erfahrung wisse er, dass der Aspekt der Gewöhnung relevant sei. Sprich: Wenn die Boote bleiben, sein Verhalten also keinen Erfolg habe, könnte es sich abschwächen. So kämen die Vögel in Heiligenkirchen ja auch mit Besuchern und Artgenossen gut zurecht, ohne permanent gestresst zu sein. Eckstein wirft jedoch die Frage auf, ob die Gesellschaft zu einem solchen „Übergangsprozess“ im Falle des Kurparksees bereit sei. Denn ohne Frage berge ein solches Experiment Risiken. „Ein Schwan“, gibt er zu bedenken, „kann Ihnen mit einem seiner Flügel durchaus den Arm brechen. So viel Kraft hat er.“