Beim „Tisch“ in Schieder werden leicht lädierte Lebensmittel an Bedürftige verteilt

Silke Buhrmester

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Kein Gedrängel bei der Kisten-Ausgabe: Der junge Mann – ein syrischer Flüchtling – kann in Ruhe seine Lebensmittel einpacken. Jürgen Schröder aus Lothe, einer der rund 70 ehrenamtlichen Helfer, reicht ihm die Kiste, deren Inhalt er in seine Tüten umpackt. Was er nicht möchte, lässt er zurück. - © Buhrmester
Kein Gedrängel bei der Kisten-Ausgabe: Der junge Mann – ein syrischer Flüchtling – kann in Ruhe seine Lebensmittel einpacken. Jürgen Schröder aus Lothe, einer der rund 70 ehrenamtlichen Helfer, reicht ihm die Kiste, deren Inhalt er in seine Tüten umpackt. Was er nicht möchte, lässt er zurück. (© Buhrmester)

Schieder-Schwalenberg. Die Banane hat ein paar braune Stippen, der Apfel eine Schrumpelstelle? Der Joghurt ist zwei Tage über dem Mindesthaltbarkeitsdatum? Dann weg damit. Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Dabei gibt es auch hierzulande viele, die für leicht lädierte Lebensmittel dankbar sind. Die „Tafeln“ und „Tische“ in der Region versorgen Bedürftige mit Essbarem, welches Einkaufsmärkte aussortiert haben.

Eine Menschentraube hat sich vor der „Tisch“-Ausgabestelle in Schieder gebildet, lange bevor die etwa zehn Ehrenamtlichen die Tür öffnen. 133 Haushalte versorgt der „Tisch“ aktuell – das sind rund 260 Personen. Doch die Zahl schwankt von Woche zu Woche: „Wir haben auch viele Flüchtlinge aus den Balkanstaaten, die eventuell schon nächste Woche abgeschoben sind. Andrerseits kommen auch immer neue Menschen dazu“, erklärt „Tisch“-Vorsitzender Bernd Munko.

Das Einsammeln und die Ausgabe der Lebensmittel bedeutet einen hohen logistischen Aufwand. Das hätte sich 2009, als der „Tisch“ an den Start ging und gerade mal 30 Haushalte versorgte, niemand träumen lassen. „Mit den Discountern und Supermärkten haben wir Verträge abgeschlossen, die genau regeln, wann wir wo etwas abholen“, erläutert Munko. Drei Fahrzeuge holen die Sachen jeden Donnerstag und Freitag aus Bad Pyrmont, Lügde, Steinheim, Detmold. Dabei gibt es zwischen den „Tafeln“ und „Tischen“ durchaus Konkurrenz – denn die Ausschussware ist endlich, die Zahl der Bedürftigen steigt aber weiter an.

Freitags ab 8 Uhr machen sich die Helfer ans Einpacken und Aussortieren. Unter der ersten Schicht scheinbar frischer Erdbeeren gammelt es, alles Ungenießbare wandert in die Tonne – jedoch nicht in den Müll: „Fast alles holt ein örtlicher Bauer für seine Tiere ab“, sagt Munko. Was in Ordnung ist, kommt in die Kisten, die – abhängig von der Anzahl der Erwachsenen und Kinder in einem Haushalt – gepackt werden. Damit es bei der Ausgabe nicht zu Drängeleien kommt, geben die Helfer die Kisten aus. „Wir haben einen Rundgang mit Ein- und Ausgang entwickelt. Hereingelassen werden immer nur fünf Familien gleichzeitig“, erläutert Munko.

So verläuft die Lebensmittelausgabe ruhig. Die Menschen registrieren sich, zahlen einen Euro pro Person und gehen zur Kistenausgabe. Wer keinen Ausweis hat, muss zur Erstanmeldung. Einem jungen Lügder muss Doris Heißenberg eine Abfuhr erteilen: „Wir können nur Menschen aus Schieder-Schwalenberg berücksichtigen“, bedauert sie.

Der Kisten-Inhalt wird in mitgebrachte Taschen umgeladen. „Für eine ganze Woche reicht das meistens nicht, aber für drei Tage immer“, erzählt eine Schiederanerin, die für ihre Familie und die alleinstehende Mutter die Ware abholt. Obst und Gemüse, Salat, Nudelsoße, Brot, Joghurt, sogar Tiefkühlpizza, Eis und Popcorn: Die Qualität der Lebensmittel sei wirklich gut. Neben ihr lädt ein Alleinstehender seine Sachen ein – Tomaten, Paprika, Zitrone und Blaubeeren lässt er zurück – da darf sich seine Nachbarin noch bedienen. „Die hier sind aber klasse“, grinst er und deutet auf die abgepackten Würstchen. „Er nimmt Gemüse nur, wenn’s schon durchs Schwein gegangen ist“, sagt ein Helfer zwinkernd. Der Mann lacht. Man kennt sich. Unter den rund 70 ehrenamtlichen Helfern sind laut Munko ein Drittel selbst bedürftig. Und auch immer mehr Flüchtlinge helfen mit.

Kurz vor Feierabend, ab 16.30 Uhr, dürfen noch einmal alle kommen, um sich an den Resten zu bedienen. „Dann findet meist alles noch einen Abnehmer“, weiß Munko. Und so bleibt am Ende des Abends kaum etwas übrig für die grüne Tonne.

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