"Ehrenmord": Zwei Brüder von Mordopfer Arzu Özmen werden vorzeitig entlassen

Erol Kamisli

Arzu Özmen Todestag - © Vera Gerstendorf-Welle
Arzu Özmen Todestag (© Vera Gerstendorf-Welle)

Kreis Lippe. Mehr als vier Jahre nach dem Prozess um den "Ehrenmord" an der jesidischen Schülerin Arzu Özmen (18) aus Detmold hat das Landgericht Bielefeld zwei ihrer Brüder vorzeitig freigelassen - sie haben zwei Drittel ihrer fünfeinhalbjährigen Haftstrafe abgesessen.

Die damals 18-Jährige wurde in der Nacht zum 1. November 2011 von ihrer Schwester (27) und ihren Brüdern (25, 24, 22, 21) gewaltsam aus der Wohnung ihres deutschen Freundes in Detmold verschleppt. Stunden später wurde Arzu mit zwei aufgesetzten Kopfschüssen hingerichtet. Die Leiche der jungen Frau, deren Schicksal in ganz Deutschland für großes Entsetzen gesorgt hatte, wurde im Januar 2012 auf einem Golfplatz bei Hamburg gefunden.

Im Mai 2012 verurteilte das Landgericht Detmold den Mörder zu lebenslanger Haft. Ein anderer Bruder und die Schwester wurden wegen Geiselnahme und Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die 21 und 24 Jahre alten Brüder, die bei der Verschleppung ihrer Schwester aus der Wohnung des Freundes geholfen hatten, aber am weiteren Wegbringen des Mädchens nicht beteiligt waren, bekamen jeweils fünfeinhalb Jahre Gefängnis.

Richter Michael Reineke hatte die Tat klar als "Ehrenmord" bezeichnet. Die Fünf hätten ihre junge Schwester auf dem Gewissen, nur weil sie etwas mehr Freiheit in ihrem Leben gewollt habe. Einige Monate später, im Februar 2013, wurde in einem zweiten Prozess auch noch der Vater wegen Beihilfe zum Mord zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Oberstaatsanwalt Christopher Imig aus Detmold bestätigte, dass die 21 und 24 Jahre alten Brüder kürzlich freigelassen worden seien. "Die Brüder hatten beantragt, nach zwei Dritteln der Haft auf Bewährung freizukommen - das ist ganz normal."

Zuständig ist das Landgericht Bielefeld. Die dortige Strafvollstreckungskammer habe einen Sachverständigen beauftragt, der am Mordprozess 2012 nicht beteiligt war. Der Sachverständige sollte die beiden Häftlinge begutachten und hat die Männer als nicht mehr gefährlich eingestuft. Oberstaatsanwalt Imig: "Wir wurden um eine Stellungnahme gebeten und haben die Sache sehr differenziert gesehen. Schließlich darf man nicht vergessen, dass es in der Familie Özmen noch weitere Mädchen gibt, die es zu schützen gilt." Er habe sich gegen die vorzeitige Entlassung von einem der Brüder ausgesprochen, da er sich nicht ausreichend von der Tat distanziert habe. Doch am Ende habe er die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die beide Brüder vorzeitig aus der Haft entlassen hat, akzeptiert, sagte Oberstaatsanwalt Imig.

Seit April 2013 erinnert ein Gedenkstein auf dem Friedhof in Remmighausen an die Ermordung von Arzu Özmen.

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