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Mit diesen Vorurteilen haben Lipper zu kämpfen

Nordrhein-Westfalen feiert 70. Geburtstag - Lippe ist jedoch erst seit 69 Jahren ein Teil davon

Benjamin Marquardt

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Das Hermannsdenkmal ist eine Kolossalstatue in der Nähe von Hiddesen südwestlich von Detmold in Nordrhein-Westfalen im südlichen Teutoburger Wald. Es wurde zwischen 1838 und 1875 nach Entwürfen von Ernst von Bandel erbaut und am 16. August 1875 eingeweiht. - © dpa
Das Hermannsdenkmal ist eine Kolossalstatue in der Nähe von Hiddesen südwestlich von Detmold in Nordrhein-Westfalen im südlichen Teutoburger Wald. Es wurde zwischen 1838 und 1875 nach Entwürfen von Ernst von Bandel erbaut und am 16. August 1875 eingeweiht. (© dpa)

Bielefeld/Lippe. Das Landeswappen Nordrhein-Westfalens zeigt drei Symbole. Den Rhein, das Westfalenross und eine kleine Rose – das historische Wappen des Landes Lippe.

Das einstige Fürstentum ist heute nur noch ein Kreis – und damit einer von 30 in NRW. Seit dem 21. Januar 1947 ist das seit dem Ende der Monarchie 1918 als Freistaat bezeichnete Land Teil Nordrhein-Westfalens. Dennoch haben es die Bewohner geschafft, sich eine eigene Identität zu erhalten, die keinesfalls im Widerspruch dazu steht, Teil eines Bundeslandes zu sein. Aber die Lipper sehen sich vielen Vorurteilen ausgesetzt, denen dieser Artikel gewidmet ist.

Lipper sind geizig

Eine der hartnäckigsten Gerüchte über die rund 350.000 Lipper betrifft ihre Sparsamkeit. Eine Studie zum Thema existiert nicht. Der Grund für die Behauptung liegt in der Historie. Lange Zeit galt das Fürstentum als ausgesprochen arm, die letzten Hungersnöte gab es Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch waren aufgrund der Armut viele gezwungen, als saisonale Wanderarbeiter Lippe zu verlassen. Als wandernde Ziegler arbeiteten sie unter anderem in Friesland und den Niederlanden und kehrten im Winter in ihre Heimat zurück. Natürlich erfordern solche Bedingungen einen sparsamen Lebensstil. So entstand das Gerücht des geizigen Lippers, der nichts hat und noch weniger wieder hergibt: Ein Mythos.

Lipper sind Landwirte

Natürlich gibt es viele Landwirte in Lippe, doch von der lippischen Landschaft, geprägt von Feldern, Wiesen, Weiden, Wäldern und malerischen Dörfern mit Bauernhöfen, sollte man sich nicht täuschen lassen. In Lippe haben auch weltweit agierende Unternehmen ihren Sitz. Dazu zählen unter anderem Phoenix Contact und Weidmüller, die beide elektronische Verbindungstechnik für die Industrie produzieren. Rund 30 Prozent der Arbeitsplätze stellt die Industrie, das ist mehr als im Ruhrgebiet. 60 Prozent des Umsatzes werden durch Export erwirtschaftet. Zudem ist Lippe Hochschulstandort. In Detmold und Lemgo ist die Hochschule OWL angesiedelt. Und angehende Spitzenmusiker aus der ganzen Welt besuchen die Hochschule für Musik in Detmold.

Lipper sind Fans des Fürstenhauses

Obwohl das Fürstenhaus schon seit 1918 keine politische Macht mehr hat, ist die monarchistische Vergangenheit kaum irgendwo in Deutschland noch so präsent wie in Lippe. Das liegt nicht nur an dem Sitz der Fürstenfamilie, dem Residenzschloss Detmold, das mitten in der Innenstadt liegt. Der 2015 verstorbene Prinz Armin zu Lippe war bekannt dafür, ganz volksnah durch die Stadt zu spazieren. Die Mitglieder der Fürstenfamilie sind aktiv wohltätigen Organisationen oder treten als Schirmherren kultureller Institutionen und Veranstaltungen in Erscheinung.

Lippe ist tiefste Provinz

Kulturell hat der Kreis einige Höhepunkte zu bieten. Einer lässt sich schon von weitem sehen: Das Hermannsdenkmal erhebt sich über die Bäume des Teutoburger Waldes in den Himmel und ist trotz seine Alters von 141 Jahre noch immer ein beliebtes Ausflugsziel. Zudem ist das gut 53 Meter große Bauwerk neben der lippischen Rose eines der lippischen Identifikationssymbole. Daneben sind auch die Externsteine, das Residenzschloss Detmold das Zieglermuseum in Lage, das Weserrenaissance-Schloss in Brake bei Lemgo oder die Burg Sternberg weitere beliebte Ausflugsziele.

Nicht vergessen darf man hierbei auch das Freilichtmuseum Westfalen-Lippe in Detmold. Dort sind auf 90 Hektar 120 historische Gebäude aus der Geschichte aller westfälischen Regionen ausgestellt. Diese sind begehbar und teilweise in ihren jeweiligen historischen und sozialen Kontext eingebettet. Das Landestheater in Detmold ist mit Musiktheater, Schauspiel und Ballett sowie Lesungen berühmter Künstler ein Eckpfeiler der Kultur. Nicht zu vergessen ist hier auch das Europäische Straßentheaterfestival in Detmold.

Lipper sind 
Lokalpatrioten

Auch wenn Lippe heute ein Teil von NRW ist, so ganz ist die einstige Eigenständigkeit nicht vergessen und schwingt noch heute mit. Davon zeugen noch viele Institutionen, die sich in Lippe gehalten haben. So gibt es dort neben dem bereits erwähnten Landestheater noch immer eine Landeskirche, eine Landesbibliothek und ein lippisches Landesmuseum.

Verantwortlich für dieses hohe Maß an Eigenständigkeit ist der letzte lippische Landespräsident und erste Regierungspräsident des Regierungsbezirks Detmold Heinrich Drake. Als es 1947 darum ging, ob Lippe ein Teil Niedersachsens oder NRW’s werden sollte, entschied er sich für Letzteres. Denn Düsseldorf war eher bereit, den Lippern gewisse Eigenständigkeiten zuzugestehen. Als Folge dieser als „Lippischen Punktationen" bekanntgewordenen Vereinbarungen entstand auch der Landesverband Lippe, eine weitere Besonderheit der Region.

Ihm wurde die Verwaltung des ehemaligen fürstlichen Vermögens übertragen, was unter anderem etwa 3.400 Hektar landwirtschaftliche Flächen und 15.960 Hektar Wald betrifft. Daneben unterhält der Landesverband die Landesbibliothek, das Landesmuseums, das Landestheater, das Institut für lippische Landeskunde sowie Burgen, Schlösser und Mühlen.

Information
„Wir waren nie preußisch"

Eigenständig und nicht nur als Teil von NRW gesehen zu werden, ist den Lippern besonders wichtig. Das betont auch Landrat Axel Lehmann.

„Als Lipper können wir auf eine 800-jährige Geschichte zurückblicken, in der wir uns stets unsere Eigenständigkeit bewahrt haben", erklärt Lehmann. „Wir waren im Gegensatz zu anderen Teilen NRWs nie preußisch."

Diese Selbstbewusstsein und ein gutes Gespür hätten dabei geholfen, dass die lippischen Interessen in Düsseldorf stets Gehör fänden. Die lippische Rose im Landeswappen würde die Lipper zudem jeden Tag darin erinnern, etwas besonders zu sein. „Umgekehrt weiß aber auch das Land NRW, was es an seinem dritten Landesteil hat", betont Lehmann und verweist auf die kulturelle und wirtschaftliche Stärke.

Man brauche sich gegenseitig, daher sei eine erneute Abspaltung von NRW – wenn möglich – undenkbar. „Dafür sind wir dann doch etwas zu klein."Zudem, so Lehmann, reiche es ihm als Landrat zu arbeiten– Ministerpräsident eines Bundeslandes Lippe müsste dann doch nicht sein.

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