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Klinikum und Ärztenetz gründen Hilfsangebot für Pflegebedürftige

Vier Krankenschwestern mit Zusatzausbildung machen Hausbesuche und kümmern sich um den Papierkram von Pflegebedürftigen

Erol Kamisli

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Optimistisches Trio: (von links) Dr. Helmut Middeke, Emma Smoljanow und Constanze Liebe glauben an den Erfolg des neuen Hilfsangebotes in Lippe. - © Vera Gerstendorf-Welle
Optimistisches Trio: (von links) Dr. Helmut Middeke, Emma Smoljanow und Constanze Liebe glauben an den Erfolg des neuen Hilfsangebotes in Lippe. (© Vera Gerstendorf-Welle)

Kreis Lippe. An manchen Tagen laufen die Drähte im Büro bei Emma Smoljanow heiß. So nennt es die 52-Jährige, wenn schnelle Reaktion und Koordination gefragt sind. Wie vor ein paar Tagen, als sie den Anruf aus einer Arztpraxis erhielt. Eine Dame sei mit der Versorgung ihres 80-jährigen Ehemann überfordert. Beim Hausbesuch habe die Seniorin gestanden, dass sie am Ende ihrer Kräfte sei. „Wir haben telefoniert, eine Pflegestufe beantragt, damit ein Dienst die Aufgaben der Frau übernimmt", erinnert sich Smoljanow.

Mit Emma Smoljanow haben Patienten und Angehörige seit 2010 eine von vier Gesundheitshelferinnen, ausgebildete Krankenschwestern mit Zusatzqualifikationen, an ihrer Seite, die in solchen Fällen die Rolle des „Kümmerers" übernehmen.

Dass es ihren Job gibt, ist einer Kooperation des Klinikums sowie des Ärztenetzes Lippe zu verdanken: Die beiden Einrichtungen haben von 2010 bis 2014 in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL (ZIG) das Förderprojekt „Regionales Versorgungskonzept Geriatrie" entwickelt. „Ziel war es, die vielschichtige Versorgung von älteren und chronisch kranken Patienten durch ein gezieltes Fallmanagement zu verbessern", sagt Helmut Dr. Middeke, Medizinischer Geschäftsführer am Klinikum Lippe.

Das Projekt sei von Klinikärzten, niedergelassenen Medizinern und Patienten so gut angenommen worden, dass nach dem Ende der Förderung im Jahr 2014 Ärztenetz und Klinikum einen Weg gesucht haben, das Projekt fortzusetzen. „Und im Dezember 2016 haben wir die Case-Management-Gesellschaft in Lippe gegründet. Das ist eine bundesweit einmalige Kooperation im Gesundheitswesen", freut sich Constanze Liebe, Geschäftsführerin des Ärztenetzes.

Derzeit beschäftigt die neue GmbH vier Gesundheitshelferinnen sowie die Geschäftsführer Constanze Liebe und Dr. Helmut Midekke. Alle glauben an den Erfolg: „Wir haben positive Rückmeldungen von Krankenkassen, Medizinern und Patienten", erklärt Constanze Liebe.

Begeistert sind nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch die Gesundheitshelferinnen, die für eine individuelle Versorgung der Patienten sorgen. „Seit 2010 haben wir 950 Menschen geholfen", berichtet Smoljanow stolz. Im Rahmen eines Hausbesuchs verschaffe sie sich einen Überblick über die Situation des Patienten. „Dabei achte ich nicht nur darauf, dass Medikamente eingenommen werden, sondern auch auf Wohn- und Versorgungsverhältnisse", sagt die 52-Jährige. Anschließend werde in Absprache mit den Betroffenen, Angehörigen sowie Ärzten und Krankenkassen entschieden, ob und welche Hilfen benötigt werden und möglich seien.

Im nächsten Schritt reden Smoljanow und ihre Kolleginnen mit Patienten über Pflegestufen, Patientenverfügungen, füllen Anträge aus und führen lange Telefonate. „Wir kümmern uns um den ganzen Papierkram", sagt Smoljanow. Und sie werden mit Erfolgserlebnissen belohnt, wie im Falle des Leopoldshöher Rentnerehepaares Heinrich (82) und Paula Müller (85), die ihren echten Namen nicht nennen wollen.

„Emma war unsere Lotsin im Gesundheitsdschungel und hat dafür gesorgt, dass mein Vater nach dem Klinikaufenthalt eine Pflegestufe bekommen hat und immer noch mit meiner Mutter unter einem Dach wohnen kann", freut sich Tochter Ulrike Gronemeyer. Ohne die Hilfe von Emma Smoljanow wäre es nicht gegangen: „Sie hat dafür gesorgt, dass meine Eltern einen glücklichen Lebensabend verbringen", sagt Gronemeyer.

Viel Lob und Zustimmung für das neue Hilfsangebot

Barmer: „Gerade die Versorgung von älteren Menschen oder chronisch Kranken bedarf einer guten Vernetzung", erklärt Heiner Beckmann, Barmer-Landesgeschäftsführer. „Als Krankenkasse begrüßen wir daher das neue Case-Management für den Kreis Lippe", fügt Geschäftsführer Beckmann hinzu.

Es sei vorbildlich, dass hier ein „Kümmerer" die Behandlung jedes Patienten mit allen Haus- und Fachärzten, Krankenhausärzten und Pflegedienstmitarbeitern abstimme. „Das ist ein Idealfall – und keineswegs die Regel in unserem Gesundheitssystem. Das Ziel, die Versorgung damit zu verbessern und Ältere dabei zu unterstützen, so lange wie möglich zu Hause wohnen bleiben zu können, unterstützen wir nachdrücklich."

AOK: Lob fürs Klinikum und Ärztenetz Lippe gibt’s auch von der AOK Nordwest. „Mit großem Interesse verfolgen wir das Projekt in der Modellregion Lippe", sagt AOK-Sprecher Jens Kuschel. Schon bald werde die AOK mit den lippischen Akteuren sprechen, um die Versorgung der vielen Patienten zu verbessern. Das Projekt sei vorbildlich.

Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe: „Von der engen Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum Lippe und den rund 130 Ärzten des Ärztenetzes Lippe profitieren sowohl die Patienten als auch deren Angehörige", sagt Sprecher Jens Flintrop.

Die Betroffenen erhielten eine Beratung und Versorgung „aus einer Hand", Versorgungsbrüche würden vermieden. Für die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe habe das Case Management Projekt im Kreis Lippe Vorbildcharakter. Sie unterstützt die Projektpartner deshalb mit ihrer Versorgungs- und Managementkompetenzen.

Information

Investition in die Zukunft

Seit Dezember vergangenen Jahres gibt es die Case-Management-Gesellschaft des Klinikums Lippe und des Ärztenetzes Lippe – mit insgesamt 130 Medizinern. Die Partner haben 150.00 Euro investiert. 100.000 Euro steuert das Klinikum bei, 50.000 Euro kommen vom Ärztenetz. Es seien Investitionen in den Standort Lippe, so betonen es beide Parteien. Ärger mit dem Sozialdienst der Klinik, der sich auch um die Patienten kümmert, gibt es nicht. „Diese neue Gesellschaft macht uns nicht überflüssig ", erklärt Leiterin Renate Sandermann.

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