Im Jahr 1995 wird in Bad Salzuflen ein Mädchen entführt

Bad Salzuflen. Vor fast genau 22 Jahren verschwindet die sechsjährige Julia (Name von der Redaktion geändert) auf dem Weg zur Grundschule in Schötmar. Die Eltern sind zunächst ahnungslos, bis sie einen Anruf erhalten - gefordert werden 900.000 Mark Lösegeld, ansonsten würden die Eltern ihr Kind nie wiedersehen.

Eine riesige Summe. "Soviel Geld haben wir gar nicht", beteuert damals Julias Vater und ergänzt: "Ich verstehe es auch nicht." Nach dem Anruf alarmiert die Mutter von Julia umgehend die Polizei. Die leitet sofort alle nötigen Maßnahmen und eine Suchaktion ein. Warum ausgerechnet Julia das Ziel eines Kidnappers wurde kann sich niemand erklären.

Doch dann nimmt der Fall eine plötzliche Wendung. Ein 15-jähriger Cousin von Julia, der bereits über die Entführung im Bilde ist, entdeckt seine Cousine in Begleitung eines Mannes am Löhner Bahnhof. Er fackelt nicht lange, geht auf beide zu und stellt den Mann zur Rede. Dieser ergreift daraufhin die Flucht. Julia kann unversehrt zu ihrer Familie zurückkehren. Ihr Vater sagt einen Tag später: "Sie hat von der Entführung fast gar nichts mitgekriegt. Ein sehr freundlicher Onkel habe sie mitgenommen" (LZ vom 22. September 1995).

Die Familie kann erst einmal aufatmen - doch der Entführer ist noch auf freiem Fuß. Ein Phantombild wird angefertigt und führt schon kurze Zeit später zum Erfolg. Ein aufmerksamer Zeitungsleser, so heißt es, führt die Polizei auf die Spur eines 33-jährigen Arbeitslosen aus Bad Oeynhausen. Gleich in der ersten Vernehmung zeigt sich dieser voll geständig.

Zur Tat Bereits einen Tag vor der Entführung habe er Julia auf ihrem Schulweg beobachtet und angesprochen. "Da sie die gleiche Mundart sprechen, habe das Mädchen rasch Vertrauen zu ihm gefasst", heißt es in einem LZ-Bericht vom 25. September. Da seine finanziellen Verhältnisse zu dieser Zeit miserabel waren, kam er auf die Idee das Mädchen zu entführen, ohne die Verhältnisse zu kennen, in der das Mädchen lebt.

Er sprach sie am nächsten Tag wieder auf dem Schulweg an und fuhr mit ihr nach Löhne. Von dort rief er bei der Mutter an und forderte das Lösegeld. Die Übergabe sollte in der folgenden Nacht stattfinden. Das plötzliche Auftauchen des Cousins beendete gegen 15 Uhr schließlich die Entführung.

Der Prozess Im Mai 1996 wird dem 33-jährigen Kidnapper der Prozess gemacht. Hier wird die Tat noch einmal genau nachvollzogen. Auch ein psychiatrisches Gutachten wird verlesen. Dieses attestiert dem Angeklagten ein "hirnorganisches Psychosyndrom", ausgelöst durch eine vergrößerte Arterie. Dadurch könne es sein, dass die Steuerungsfähigkeit des 33-Jährigen zeitweise eingeschränkt war.

Der Staatsanwalt fordert laut Gerichtsbericht an diesem Tag eine angemessene Bestrafung, auch wenn die Tatausführung "dilettantisch" war und sich die Erkrankung strafmildernd auswirkt. Das Gericht folgt dem Antrag. Am Ende muss der Bad Oeynhausener für drei Jahre und sechs Monate in Haft. Der Richter erklärt abschließend: "Es ist nicht ihr Verdienst, dass dem Mädchen nichts passiert ist."

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