Detmold. Auf der Flucht geboren und heute noch unterwegs – eine denkbare Zeile für das Leben des Walter Hunger. Der 72-Jährige war Schüler, Student, Lehrer, Schulleiter, wieder Lehrer und ist jetzt wieder Student. Bis 2009 war er Rektor am Detmolder Grabbe-Gymnasium, heute studiert er an der Universität Paderborn Spanisch.
Warum acht Jahre nach der Pensionierung noch einmal ein Semesterticket in der Brieftasche spazieren führen? Hunger: „Ich möchte spanische Lyrik in der Originalversion lesen." Aber bis wir in der Gegenwart ankommen, bleibt ein Ausflug in die Vergangenheit unausweichlich. Walter Hunger wuchs vaterlos auf. „Im Krieg gefallen, ich wurde auf der Flucht geboren, Dresden war gerade abgebrannt."
"Ich war nie ein Einser-Kandidat"
Nach dem Abitur zog es den Schüler Hunger („Ich war nie ein Einser-Kandidat, die Zweien haben mir immer gereicht") nach Freiburg. Im Breisgau lockten formidables Wetter, guter Wein und eine angesehene Fakultät. „Der Wunsch, Lehrer zu werden, reifte schon mit 16", erinnert er sich. „Und konkurrierte nur mit der Idee, als Kampfflieger in die Luft zu gehen." Aber das Studium der Germanistik und der Katholischen Theologie setzte sich durch.
Hunger wechselte einmal nach München, danach nach Münster. „Das Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen aus taktischen Gründen, so stieg die Chance, auch in NRW eine Anstellung zu bekommen." Er arbeitete im Referendariat in Paderborn. 1999 wurde er Schulleiter in Detmold, 2009 ging er in den Ruhestand, um kurze Zeit später als einfacher Lehrer mit einer Handvoll Stunden pro Woche an die alte Wirkungsstätte zurückzukehren.
Die klare Kante verliert Hunger nie aus den Augen
Hunger erinnert sich gut an die Zeit vor dem Grabbe. „Ich war damals in der Lehrerfortbildung aktiv, arbeitete im Studienseminar in Paderborn, als die Anfrage kam, ob ich mich für die Stelle am Grabbe bewerben würde." Es sei schon die Zeit gewesen, als an der Spitze der Schulen stärker auf Managertypen gesetzt wurde.
Walter Hunger wurde 1945 in Dresden geboren, die meisten Jahre seines Lebens verbrachte er in Paderborn. Er studierte Germanistik und Katholische Religion, wurde Lehrer und 1999 Schulleiter am Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasium in Detmold.
Obwohl offiziell seit 2009 im Ruhestand, unterrichtete er bis zum Sommer dieses Jahres weiter Deutsch und zuletzt den Literaturkurs in Stufe 11. Hunger hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit seiner Frau in Paderborn.
Hunger konnte sich stets für den Konsens erwärmen, ohne die klare Kante aus den Augen zu verlieren. Ein umgänglicher Typ mit Weitblick und einer unbedingten Nähe zu den Kollegen und der Schülerschaft. Er überzeugte die Gremien. Den Abschied aus der Führungsrolle vor acht Jahren besprach er mit seiner sechs Jahre jüngeren Frau. Seine Ziele? „Erst mal ausruhen, dann etwas Neues starten, Reisen nachholen." Aber die Schule holte ihn schneller ein als gedacht.
Jetzt studiert Hunger an der Uni Paderborn Spanisch
Kaum im Ruhestand angekommen, füllte er ein Vakuum in Deutsch und Religion am Grabbe-Gymnasium. „In einem Jahr mal nur drei Stunden, in anderen auch mal neun." In diesem Sommer war nun endgültig Schluss. Die tägliche Strecke über die Gauseköte, die er fast zwei Jahrzehnte absolvierte, entfällt.
Seine Frau ist mittlerweile ebenfalls im Ruhestand, jetzt kann das Ehepaar Hunger mit leichter Verzögerung die Freizeit neu definieren. Der ehemalige Schulleiter konnte allerdings schon vor Jahren nicht von der persönlichen Weiterbildung die Finger lassen. An der Uni Paderborn studiert er Spanisch. 1970 hatte er seinen letzten Studentenausweis in den Händen gehalten, jetzt läuft der des Wintersemesters 2017.
"Ich gehöre immer noch einer Whats-App-Gruppe des Literaturkurses am Grabbe an"
So bleibt also Raum für Dinge, die im Leben des Walter Hunger stets eine Rolle gespielt haben, für die aber ein Hauch zu wenig Zeit blieb. Der 72-Jährige liest Unmengen von Büchern, spielt ab und an Geige, hatte seit seiner Kindheit in Dresden eine Leidenschaft für Katzen („Die letzte starb in diesem Sommer") und hält natürlich den Kontakt zu den beiden Söhnen, die in Detmold und Düsseldorf arbeiten.
Für Filme hat er sich ebenfalls stets interessiert, besuchte früher oft ein Kino, hörte zudem viel Musik in der ganzen Bandbreite: „Von Mendelssohn bis zu den Beatles." Und natürlich schreit das Eigenheim in Paderborn-Elsen nach regelmäßiger Beachtung, also der Pflege des Gartens. Last but noch least kann Hunger auch der fortschreitenden Digitalisierung eine Menge abgewinnen. „Ich gehöre immer noch einer Whats-App-Gruppe des Literaturkurses am Grabbe an." Getreu seiner Idee aus den frühen Lehrertagen: Immer nah dran an den Schülerinnen und Schülern.