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Raub in Pension endet 1966 mit einer verhängnisvollen Herrensocke

Yvonne Glandien

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- © Symbolbild: Pixabay
Lippe kriminell (© Symbolbild: Pixabay)

Bad Salzuflen. Es ist ein ruhiger Oktobermorgen im Jahr 1966. In einer Pension in der Bleichstraße residieren fünf Gäste. Vergebens warten sie auf das Frühstück und machen sich auf die Suche nach der Wirtin. Zusammengekrümmt auf dem Bauch, in einer Blutlache auf dem Boden des Flures im Keller, finden sie Frau D. Einen Puls hat sie nicht mehr.

Als die Polizei am Tatort eintrifft, wird schnell deutlich, dass der 24-jährige Hausbursche W. der Hauptverdächtige ist. Im Zimmer der Pensionsbetreiberin finden die Beamten leere Geldbörsen. Daher scheint der Fundort im Keller nicht unbedingt der Tatort zu sein. W. ist nicht aufzufinden. Eine Großfahndung beginnt deutschlandweit.

W. hatte fünf Monate zuvor angefangen, für die 74-jährige Frau D. zu arbeiten. Er kam aus Bochum nach Lippe. Der Hausbursche galt als netter und höflicher Geselle. Er war zierlich und trug eine dicke Hornbrille. Die Gäste beschrieben ihn als zuvorkommend und als guten Kellner. Frau D. hatte ein gutes Verhältnis zu ihm, lieh ihm sogar 1.000 Mark, damit er sich ein Auto leisten konnte.

Auf den ersten Blick scheinen die Indizien für einen kaltblütigen Raubmord eindeutig:

"Der Mörder hat sein Opfer zunächst gefesselt, bevor er auf die wehrlose Frau, die überdies durch ein Hüftleiden in ihrer Beweglichkeit gehemmt war, einschlug. Zeichen von stumpfer Gewalteinwirkung wurden am Kopf, am Hals und an den Schultern der Frau registriert. Schürfungen und Blutungen am rechten Unterarm deuten auf die Fesselung hin. Als Mordwerkzeug kommt vermutlich eine neben dem Opfer gefundene 60 Zentimeter lange Fußbodenleiste in Frage." (LZ, 10. Oktober 1966)

Zwei Täter sind verantwortlich

Nur einen Tag läuft die Fahndung, als ein Zivilpolizist in München auf W.s Opel mit Bochumer Kennzeichen aufmerksam wird. Die Beamten nehmen W. fest - aber nicht alleine. Bei ihm ist ein 16-Jähriger, der gleich erklärt, er habe den ersten Schlag auf Frau D. ausgeführt.

Der 16-jährige S. sei erst seit Kurzem W.s Komplize. W. hatte einst in einer Notunterkunft neben dem arbeitslosen Hilfsarbeiter gelebt und ihn für sein Vorhaben eingespannt. Die beiden planten, einen Raub zu verüben. Sie wollten eigentlich ein Lebensmittelgeschäft überfallen, aber die Gelegenheit ergab sich nicht. So fiel das Los auf Frau D. Das Duo versuchte zunächst, den Nachtschrank der Pensionsbetreiberin zu knacken. Als dies nicht gelang, beschlossen sie, die Frau zu überwältigen und zu berauben. Als Werkzeug benutzten sie einen mit Steinen gefüllten Herrenstrumpf. Die Obduktion ergab später ein Kreislaufversagen, Frau. D. erlag ihren Verletzungen.

Der Prozess

Ein halbes Jahr nach dem furchtbaren Tod von Frau D. beginnt der Prozess vor dem Detmolder Schwurgericht.

"W., körperlich und geistig unterentwickelt, kam schon früh mit dem Gesetz in Konflikt. Erst waren es kleinere Einbrüche und Diebstähle. Die Fürsorgeerziehung endete einen Tag vor seinem 19. Geburtstag. Zu Hause erwartete ihn Schlimmes. Als das Haus, in dem die Familie W. wohnte, abgerissen wurde, schlief W. mit seiner Mutter 14 Tage lang auf dem Friedhof auf Bänken." (LZ, 19. April 1967)

W. lernte eine 20 Jahre ältere Witwe kennen und heiratete sie. Mit ihrer Rentenabfindung eröffneten beide eine Gaststätte in Leverkusen, gingen aber bald pleite. "Trunksucht", Faulheit und Eifersucht sollen W. an seiner Frau so gestört haben, dass er vor ihr flüchten wollte. Doch sie wollte sich nicht scheiden lassen. W. türmte und fing in Bad Salzuflen ein neues Leben an. In Frau D. fand er eine Vertraute.

Doch die Geldnot ließ nicht nach. 20.000 DM erhofften die beiden Täter in der Pension zu erbeuten. Dabei wollten sie Frau D. nur betäuben, nicht töten. "Frau D. kennt mich. Mach du das. Ich kann den Überfall nicht machen", soll W. zu seinem Komplizen gesagt haben.

Im Keller lauerte S. der alten Frau auf. Als Frau D. S. fragte: "Was machen Sie hier?" und ihn aufforderte, mitzukommen, schlug dieser mit der Socke zu. Danach hatten die Täter bei der Frau allerdings keinen Puls fühlen können. Die Suche nach dem Geld verlief ebenfalls nicht so, wie es die beiden erwartet hatten. Sie fanden nicht die vorhandene Summe von 10.000 DM, sondern nur rund 1.500 DM. Hals über Kopf verließen sie das Haus und fuhren in Richtung München.

Das Urteil

"Die Angeklagten sind des gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes schuldig. Der Angeklagte W. wird zu einer Zuchthausstrafe von 13 Jahren, der Angeklagte S. zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Beiden Angeklagten wird die Untersuchungshaft angerechnet. Dem Angeklagten W. werden die bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von fünf Jahren aberkannt." (LZ, 20. April 1967)

Nur haarscharf seien die beiden an einer Strafe für bedingten Vorsatz, also Mord, vorbeigegangen, heißt es damals in der LZ. Der 16-jährige S. habe zudem nur mitgemacht, weil W. sein Freund gewesen sei.

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