Detmold. „Gehen Sie da lieber nicht so nah ran“, warnt Florian N. die Reporterin. „Ich weiß nicht, wie schädlich das ist.“ Der schwarze Schimmel hat sich rund um das große Fenster im Wohnraum seines Ein-Zimmer-Apartments ausgebreitet. Die Couch, auf der er schläft, hat er deshalb möglichst weit von der Glasfläche abgerückt. Dennoch: „Ich warte auf den Tag, an dem ich ins Krankenhaus muss.“ Seit gut einem Jahr wohnt der junge Mann in dem Mehrparteienhaus, Wand an Wand mit Florian Redecker, der hier im Zentrum von Spork-Eichholz bereits seit 2022 auf 35 Quadratmetern lebt. In der Ecke des Raumes läuft ein Heizlüfter, der lautstark etwas Wärme verbreitet: Die Heizung sei aktuell erneut ausgefallen. Bereits im Winter letzten Jahres hatte die LZ über die Zustände in dem Gebäude berichtet. Gebessert hat sich seitdem offenbar nichts. Niemand zu erreichen Redecker, der sich an die LZ gewandt hat, und sein Kumpel Florian erörtern mit Bewohner Jürgen Waltersdorff und einem weiteren Mieter, der namentlich nicht in Erscheinung treten möchte, die Vielzahl der Mängel in dem Wohnhaus. Es werde seit rund dreieinhalb Jahren von der DKI Deutsche Kapital Immobilien GmbH aus Enger verwaltet. Als Vermieter tritt laut der Bewohner ein Pascal Wöhrmann auf. Der wiederum ist bei der DKI auch als Gesellschafter und Prokurist geführt. Auf der Webseite heißt es, die DKI „kauft und vermietet hochwertige und klassische Bestandsimmobilien an nachhaltigen Lagen“, die Rede ist von Vertrauen und Verlässlichkeit. Für die Mieter klingt das wie Hohn, erreichen sie doch telefonisch und auch per E-Mail keine Ansprechpartner. Redecker wählt auf dem Handy die Nummer der DKI. Ohne dass ein Klingelzeichen ertönt, spring direkt der Anrufbeantworter an. Dieser nimmt jedoch keine Nachrichten auf, spielt lediglich eine Ansage ab. Im Hausflur ist ein Zettel zu finden, auch dort wird die DKI als Kontakt bei „Fragen, Beschwerden oder Anregungen“ genannt. Redecker winkt ab. „Nie reagiert jemand, wirklich nie.“ Anzeige erstattet Selbst der eingeschaltete Mieterschutzbund habe laut Florian N. wohl die Bemühungen eingestellt, da einfach keine Antworten kamen. „Da sind denen auch die Hände gebunden.“ In ihrer Hilflosigkeit haben Redecker und er am 1. Dezember eine Anzeige bei der Polizei aufgegeben: „Wegen Körperverletzung durch Unterlassen“, so Redecker. Im Winter wochenlang ohne Heizung leben zu müssen bleibe nicht ohne Folgen. „Ich habe schon wieder eine dicke Erkältung“, so der Detmolder. Kalt duschen - im Winter In der Nacht zum Tag des LZ-Gesprächs sei die Heizung erneut ausgefallen. „Alle zwei bis drei Wochen passiert das“, sagt Jürgen Waltersdorff - offenbar immer, wenn das Öl aufgebraucht sei. „Zu Weihnachten? Da wünschen wir uns Heizöl“, sagt sein Nachbar, der seit sechs Jahren in dem Haus wohnt; am längsten der vier. Wie machen sie das, wenn es nur kaltes Wasser gibt? Florian N. zuckt mit den Schultern. „Dann duscht man kalt“, sagt er. „Oder geht zu Bekannten“, fügt Redecker hinzu. Gegenseitige Unterstützung werde auch in der Hausgemeinschaft großgeschrieben. Da vor etwa drei Jahren die Gemeinschaftswaschmaschine und der Trockner im Keller ausfielen und nicht ersetzt wurden, lässt Redecker befreundete Nachbarn ihre Wäsche bei ihm machen. Grundsätzlich sei eine eigene Waschmaschine in den kleinen Wohnungen gar nicht erlaubt, „aber was bleibt mir denn übrig?“, fragt sich der junge Mann. Sanierungsstau offensichtlich Beim Rundgang durchs Haus fallen immer wieder Wasserschäden ins Auge. An den Decken, Wänden, am Boden. Ein Mieter hat vor seiner Tür das Laminat hochgenommen, da sich darunter Feuchtigkeit befand und er die Tür nicht mehr öffnen konnte. Das Flachdach des Gebäudes sei undicht, erklären die Männer, und das Wasser suche sich seinen Weg durchs ganze Haus. Der Sanierungsstau der Immobilie ist auch für einen Laien offensichtlich. Für die Mieter eine besondere Absurdität: Sie würden regelmäßig zu Nebenkosten-Nachzahlungen aufgefordert - „dabei sitzen wir doch ständig im Kalten“, sagt Waltersdorff und winkt ab. Auch für die Reinigung des Treppenhauses, selbst für einen Gärtner, würden sie zur Kasse gebeten. Dabei gäbe es ja nicht einmal mehr einen Hausmeister, von einer Reinigungsfirma ganz zu schweigen - was der Zustand der Treppenhäuser zu untermauern scheint. Die Böden sind verdreckt, viele Briefkästen kaputt, Schlösser für die Zwischenflure auf den Etagen wurden demontiert, auch die Haustür lässt sich nicht mehr abschließen, sodass schon Obdachlose im Keller übernachtet hätten, erzählen die vier Mieter. Am Mietmarkt wenig Chancen Dass das Haus am Dreierkrugplatz keinen guten Ruf hat und dies auch auf die Bewohner abfärbt, wurmt die Männer. Sie fühlten sich als „Asis“ stigmatisiert, dabei könnten sie ja nichts für die Zustände. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Unternehmen auf Kosten derer, die als Bürgergeldempfänger am Mietmarkt wenig oder keine Chancen hätten, Kasse machen wollten. Für Außenstehende schwer nachzuempfinden: Trotz aller Nachteile hängen sie auch an dem Haus: Der Ausblick sei toll, die Lage eigentlich gut, viele Einkaufsmöglichkeiten, sogar eine Eisdiele in der Nähe, und das Miteinander funktioniere. Die Mieter des Hauses scheinen notgedrungen gelernt zu haben, sich mit den Umständen zu arrangieren. So hat sich Waltersdorff selbst an das große Loch in der Wand seiner Dusche gewöhnt, das dort seit der Reparatur eines Rohrbruchs klaffe - er deckt es mit einer Gartenstuhlauflage ab. Falls die Hausverwaltung sie rausekeln wolle, sei das mit Ihnen nicht so einfach, so der Tenor. Allerdings seien aktuell nur noch etwa die Hälfte der Einheiten vermietet. Von der LZ mit den Mängeln konfrontiert, reagierte die DKI bislang nicht. Die Anzeige wegen Körperverletzung liegt aktuell zur rechtlichen Würdigung bei der Staatsanwaltschaft Detmold. Der Sprecher des Kreises Lippe, Patrick Bockwinkel, nannte die Situation, „dass der Vermieter sich da tot stellt, ganz bitter“. Generell sei es so, dass das Jobcenter des Kreises die Miete für Berechtigte nicht direkt an den Vermieter zahle, sondern an den Mieter. Bei mietrechtlichen Problemen verweise es an den Mieterschutzverein, der dann zum Beispiel zu Mietkürzung berate. „Haben wir auch schon versucht“, erklärt Redecker. Mit dem „Erfolg“, dass die DKI dann die „Mietschulden“ angemahnt habe. Update: Stadt Detmold greift ein Für die Beurteilung des Gebäudes selbst ist nach dem Wohnraumstärkungsgesetz die Stadt Detmold zuständig. Sie kann auch über die Unbewohnbarkeit einer Unterkunft entscheiden - etwa wenn „Mängel den Gebrauch (...) erheblich beeinträchtigen und deswegen gesundheitliche Schäden für die Bewohnerinnen und Bewohner zu befürchten sind“. Pressesprecher Torben Gocke reagiert: „Die Stadt Detmold nimmt Hinweise auf Mängel an Wohnraum sehr ernst.“ So sehe das Wohnraumstärkungsgesetz in Paragraf 5 klare Mindestanforderungen vor, „zu denen auch eine funktionierende Heizungsanlage gehört“. Nachdem die Stadtverwaltung Kenntnis von der Situation erhalten habe, sei sie umgehend aktiv geworden. Ein Team der Stadt Detmold habe eine kurzfristige Ortsbegehung durchgeführt, um die Lage baurechtlich und wohnungsaufsichtlich zu bewerten. Eine technische Störung an der Heizungsanlage sei „identifiziert und mit Hilfe der städtischen Mitarbeitenden sofort behoben“ worden. „Die Wärmeversorgung im Gebäude ist somit wiederhergestellt, sodass die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt sind“, so Gocke weiter. Bürgermeister Frank Hilker zeigte sich erleichtert, dass trotz der bevorstehenden Feiertage das Team um die Bauaufsicht der Stadt so schnell reagieren konnte. „Ich freue mich, dass mit Unterstützung der Mitarbeitenden der Stadt Detmold die Bewohnerinnen und Bewohner angesichts der Temperaturen ein beheiztes Weihnachtsfest feiern können.“ Pressesprecher Gocke erklärte, die Stadt behalte sich weitere Schritte gegenüber Hausverwaltung und -vermieter vor. ------------------------------------------– Transparenzhinweis: Die erste Version des Artikels wurde mit der Reaktion der Stadt Detmold am 23. Dezember aktualisiert. Die LZ wird den Fall weiter verfolgen.