Foto von Horner Versammlung löst Sturm der Entrüstung aus

Kreis Lippe. &bdquo;Des Volkes Seele kocht" – das Bild einer Bürgerversammlung in Horn, das die LZ am Samstag veröffentlicht hat, hat viel Kritik hervorgerufen. Die Redaktion erreichten diverse Mails, es wurde in den sozialen Netzwerken diskutiert, das Ganze verlangt danach, die Hintergründe zu erklären. Am Montag schaltete sich die Kriminalpolizei ein. Sie nimmt Ermittlungen auf, weil sie die erhobene Hand eines Teilnehmers als Hitlergruß wertet und damit als Straftat.

Rückblick Innerhalb der Redaktion ist am Freitag über das Foto diskutiert worden. Auch darüber, ob man es veröffentlichen kann oder sogar muss. Zwei Dinge sind für die Entscheidung ausschlaggebend gewesen. Die Szene dokumentiert, dass sich viele Bürger – ganz unabhängig ihrer kulturellen Wurzeln – darüber beschweren, was in Horn schief läuft. Die Kleidung des Mannes ist auffällig, aber sie trägt keine verfassungsfeindlichen Symbole. Der Mann ist außerdem nicht durch irgendeinen radikalen Wortbeitrag in der Versammlung aufgefallen. Es gilt – wie bei jeder Berichterstattung – die Unschuldsvermutung. Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn diese ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. Aber ein Foto ist eine Momentaufnahme, die genauso zeigen kann, dass sich der Mann zu Wort meldet.

Die Redaktion hat das Foto einer Rechtsanwaltskanzlei, die sich auf Medien- und Presserecht spezialisiert hat, am Freitag vorgelegt. Geschäftsführer Ralf Freitag hat am Samstag auf die Kritik reagiert. &bdquo;Im Ergebnis war auch die juristische Prüfung ausschlaggebend. Die Redaktion wollte auf jeden Fall diese Szene dokumentieren. Das Problem: Der Hitlergruß ist nicht so eindeutig, dass er nicht auch als Wortmeldung gedeutet werden kann. Dem Hut in den Farben des Deutschen Reiches fehlt der Reichsadler als eindeutiges Hoheitskennzeichen. Vor Gericht hätten wir mit beiden Behauptungen ein Problem bekommen. Wir haben uns daher für diese Variante entschieden, bei der sich jeder seinen Teil denken kann."

Die Staatsanwaltschaft Oberstaatsanwalt Christopher Imig hat sich das Foto angesehen und kommt zu dem Schluss, dass er Ermittlungen eingeleitet hätte – wenn nicht schon die Bielefelder Polizei aktiv geworden wäre. &bdquo;Das kann allerdings auch eine fließende Bewegung gewesen sein, die Finger sind auch abgespreizt – das müsste man sehen, wie derjenige sich dazu äußert. Die Kleidung gehört zu dieser Gesamtschau." Dass die LZ das Foto veröffentlicht hat, findet er gut.

&bdquo;Es bildet die Realität ab." Wer an einer öffentlichen Versammlung teilnehme, müsse damit rechnen, dass er fotografiert und das Foto auch veröffentlicht wird. &bdquo;Wenn jemand verfassungsfeindliche Symbole zeigt oder sonst eine Straftat durch das Foto dokumentiert wird, wird auch ermittelt." Was sich nachweisen lasse, das stehe auf einem anderen Blatt.

Der Presserat Der Deutsche Presserat kontrolliert, ob die Presse die ethischen Standards des Journalismus einhält. Jens Radulovic, Referent der Geschäftsstelle in Berlin, hat sich Foto und Text angeschaut. &bdquo;Grundsätzlich müssen Teilnehmer an einer öffentlichen Veranstaltung damit rechnen, als Teil der Veranstaltung fotografiert zu werden. Das Foto stellt die fragliche Person auch nicht in den Mittelpunkt. Wenn eine Person, wie vorliegend, durch Aufmachung und Verhalten von sich aus die Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich zieht, muss sie sich dies prinzipiell auch gefallen lassen", erklärt Radulovic.

Wäre der Redakteur vor Ort zu der Erkenntnis gekommen, dass die Person in dem Moment tatsächlich willentlich den Hitlergruß gezeigt hätte, sei die Veröffentlichung in dieser Form presseethisch zulässig, meint Radulovic. Insbesondere auch, da der Mann direkt in Richtung des Fotografen sehe.

Eine Verletzung der Rechte des Mannes sei nicht erkennbar. Die Bildunterschrift (&bdquo;Es gab aber auch durchaus fragwürdige Beiträge im Rathaussaal") sei nicht eindeutig auf die Geste zu beziehen. Die im Foto zu sehende Armhaltung sei mindestens &bdquo;interpretationsoffen und könne ebenso als Meldung in der Diskussion verstanden werden." &bdquo;Daher würde ich auch unter dieser Voraussetzung zu dem Ergebnis kommen, dass die Veröffentlichung presseethisch legitim war."

Die Polizei Henning Stiegmann, Erster Polizeihauptkommissar des Staatsschutzes in Bielefeld, sagt, dass bislang zwei Anzeigen gegen den Mann eingegangen sind. Unabhängig davon habe der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen. Die antifaschistische Gruppe &bdquo;Hiergeblieben" aus Detmold weist insbesondere auf das T-Shirt des Mannes hin, das auf dem veröffentlichten Foto zum Teil verdeckt wird. Die Worte &bdquo;Abgestempelt/...deutsch fühlen...." deuteten darauf hin, dass es im rechten Versandhandel erhältlich sei. Der Staatsschutz in Bielefeld weist zudem noch auf die Mütze in den Farben schwarz-weiß-rot hin. Stiegmann: &bdquo;Wer so zu einer öffentlichen Veranstaltung geht, das ist schon sehr provokant." Das gesamte Auftreten des Mannes gebe aus Sicht des Staatsschutzes Anlass zu der Annahme, dass er der rechten Szene angehöre.

Die Realität darf unbequem sein Ein Kommentar von Astrid Sewing.

Es ist gut, dass die Probleme in Horn öffentlich zur Sprache kommen. Dass sich die Kritik gegen zugezogene Bulgaren und Rumänen richtet, ist die Realität. Es gibt die Vorfälle, die lassen sich auch nicht mit einer Decke aus Verständnis und gutmeinenden Worten relativieren. Es gelten in Deutschland für alle dieselben Gesetze, wer hier lebt, der muss sich daran halten.

Das Foto, das jetzt eine Welle der Entrüstung auslöst, zeigt die Realität. Es verbinden sich die verschiedensten Gruppen miteinander, weil es ein gemeinsames Ziel gibt. Und das ist so, weil viel zu lange einfach nichts gemacht wurde. Die LZ drückt sich nicht drumherum, und sie wird auch darüber berichten, wie es weitergeht in dem Fall. Von vorneherein so ein Foto nicht zu zeigen, weil man vermutet, es könnte ein Hitlergruß gezeigt worden sein, wäre genau der falsche Ansatz. Ebenso können wir nicht wild spekulieren, welche Gesinnung der Mann hat, es gibt Indizien, die sich aus der Kleidung ableiten lassen – mehr nicht.

Journalisten wird vorgeworfen, sie halten Fakten zurück oder fälschen sie. Das hätten wir gemacht, wenn wir ein anderes Foto genommen hätten. Gerade das wollen wir aber nicht. Es ist nicht unsere Aufgabe, nur das zu zeigen, was einer breiten Menge in den Kram passt.

Weglassen ist in einer Demokratie keine Alternative, sei es noch so bequem. Zeigen wir, wie die Realität ist, und überlassen es der Justiz, ihre Schlüsse zu ziehen. Kritik ist dabei sehr erwünscht. Die LZ-Redaktion ist stolz darauf, dass offensichtlich so viele Leser sehr genau hinschauen. Das braucht die Demokratie.

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