Netflix-Hit "Never Have I Ever": Zwischen Trauer, Bollywood und Pubertät

Die Pubertät ist aufreibend, kräftezehrend, zermürbend - und wirklich niemand kann sich von ihr freisprechen. Kein Wunder also, dass sich unzählige Serien, Bücher und Filme auf unterschiedlichste Weise mit den chaotischen Facetten des Erwachsenwerdens befassen. Das Genre "Coming of Age" ist ein wahrer Kassenschlager. Und das Zielpublikum wächst unaufhörlich nach, während so mancher Erwachsener bei der Rezeption wohl eher der Vergänglichkeit der eigenen Jugend hinterher trauert.

Oft bleibt beim Zuschauen dann ein zäher Beigeschmack - denn gefühlt hat man alle jungen Dramen dieser Welt schon irgendwo einmal gesehen. Die Herausforderung besteht darin, dem altbewährten Stoff so etwas wie Originalität oder zumindest eine Prise Inspiration einzuhauchen. Außergewöhnlich gut ist das den Machern der neuen Netflix-Produktion "Never Have I Ever" (dt. Titel: Noch nie in meinem Leben) gelungen. Selten ist ein Serienformat erfrischender in die Welt des Erwachsenwerdens eingetaucht.

Coming-of-Age erfrischend neu verpackt Es hat verschiedene Gründe, weshalb die Coming-of-Age-Dramedy so wahnsinnig gut funktioniert. Sowohl das Setting als auch die Erzählweise heben sich von altbekannten und tausendfach produzierten Serien dieses Genres ab. In zehn Episoden wird der Zuschauer in eine Welt gezogen, die überraschend leichtfüßig mit Klischees der Pubertät spielt und trotz aller Verrücktheit immer wieder Tiefe offenbart.

Mit der 15-jährigen Devi (Maitreyi Ramakrishnan) steht dazu noch ein unverbrauchter Charakter mit indisch-amerikanischem Hintergrund im Mittelpunkt. Schon die ersten drei Minuten wird der Zuschauer im Schnelldurchlauf in ihre Welt gezogen - und die hat es der Schülerin alles andere als leicht gemacht.

Hinter Devi liegt ein hartes Jahr. Ihr Vater stirbt bei einem Schulkonzert an einer Herzattacke, während Devi gerade auf der Bühne steht und Harfe spielt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, verliert die Schülerin in ihrer Trauer auch noch die Fähigkeit zu Laufen. Für mehrere Monate wird Devi an den Rollstuhl gefesselt. Die Paralyse hat sie gerade erst überwunden, da setzt auch schon die Handlung ein.

Von einem Schlamassel ins nächste Das neue Schuljahr soll ihr gehören, das nimmt sich die Amerikanerin mit indischen Wurzeln felsenfest und nahezu euphorisch vor. Und wie könnte man als Teenager besser wie der Phoenix aus der Asche aufersteigen, als einfach sein erstes Mal mit dem coolsten Jungen der Schule zu haben? So zumindest lautet Devis von Teenagerlogik geprägter, irrsinniger Plan. Die ehrgeizige Schülerin (Ja, auch kulturelle Klischees werden vorgeführt) setzt also alles daran, ihren Traum wahrwerden zu lassen und stolpert damit von einem Schlamassel ins nächste.

Was im ersten Moment die typischen Coming-of-Age-Kriterien erfüllen mag, wird dabei so abwechslungsreich und mit intelligentem Witz erzählt, dass man sich den Hauptcharakteren schon nach den ersten 20 Minuten verbunden fühlt. Ein klein wenig liegt das vielleicht auch an dem charmant kommentierenden Erzähler - übrigens kein geringerer als der ehemalige US-amerikanische Tennisspieler John McEnroe, dessen sonderbare Rolle in der Erzählung sogar irgendwie Sinn ergibt.

Jede Figur trägt ihr eigenes Päckchen Doch auch Devis Freundinnen Eleanor (Ramona Young) and Fabiola (Lee Rodriguez) bleiben als Nebenfiguren nicht farblos. Die eine verarbeitet das Verlassenwerden durch ihre Mutter, eine erfolglose Schauspielerin, selbst auf der Bühne, die andere ist dabei, ihre eigene Homosexualität zu entdecken. Jede Figur hat ihr eigenes Päckchen zu tragen, jede Figur muss an ihren Konflikten wachsen.

Als Gegenpol schicken die Autoren Devis ewigen Rivalen Ben (Jaren Lewison) ins Rennen. Und auch Devis Mutter Nalini (Poorna Jagannathan) sorgt mit strengen Regeln und traditionellen indischen Wertvorstellungen für Konfliktpotenzial. Und das nicht bloß, indem soe Devis hübsche Cousine Kamala (Richa Moorjani) mit einem indischen Unbekannten verkuppelt will.

Klischees werden zum amüsanten Spielball der Erzählung, ohne abgelutscht oder auserzählt zu wirken. Dabei schwebt der nicht bewältigte Verlust des geliebten Vaters über allem und wird nicht nur für Devi zur Zerreißprobe. "Never Have I Ever" bleibt immer authentisch und ist dabei auch in den schweren Momenten leichtfüßig.

Seit dem 27. April ist die erste Staffel verfügbar. Offiziell hat Netflix den Dreh einer zweiten Staffel nicht bestätigt. Die Chancen stehen aber nicht schlecht, zumal sich Fans und Kritiker überschlagen.

Die Idee zur Serie stammt übrigens von der US-amerikanische Autorin und Schauspielerin Mindy Kalling ("The Mindy Project") und basiert teilweise auf den Erfahrungen ihrer Jugend. Den meisten dürfte Kalling aus der Erfolgsserie "The Office" bekannt sein. Und ein wenig erinnert Devis Charakter an die durchgeknallte Schlagfertigkeit der Komödiantin.

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