Dörentruperin kämpft sich nach Zeckenbiss zurück ins Leben

Kreis Lippe. Es war nur ein winziger Zeckenbiss, doch der hat die Welt von Cornelia Bathe drei Monate später aus den Angeln gerissen und zum Stillstand gebracht. Ihre Kopfschmerzen entpuppen sich nach einer Nervenwasserprobe im Klinikum Lippe als seltene und gefährliche Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Etwa vier Monate liegt die 58-Jährige nach ihrer Einlieferung Ende August 2022 im Krankenhaus, einige Wochen davon sogar im künstlichen Koma. Ihr Zustand ist zeitweise kritisch. Doch die Dörentruperin kämpft sich an der Seite ihres Ehemannes zurück ins Leben. Der Weg dahin ist allerdings alles andere als leicht: Die Patientin muss wieder selbstständig atmen, sprechen und laufen lernen.

Denn das tückische Virus hatte in einer zweiten Symptom-Welle durch Entzündungen von Hirnhaut und Gehirn bis zu Ausfällen des Nervensystems und damit einhergehenden Lähmungen von Armen und Beinen geführt, erinnert sich Prof. Dr. Christoph Redecker, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurogeriatrie am Klinikum Lippe in Lemgo. Der Facharzt kann an zwei Händen abzählen, wie viele FSME-Fälle er in seiner Karriere behandelt hat - keiner davon habe sich bis dato in Lippe abgespielt. Die Krankheit sei selten und könne insbesondere bei Erwachsenen schwer verlaufen. "Das kann ein ganz mühsamer Weg werden", sagt Dr. Redecker. Doch der Fall von Cornelia Bathe sei außergewöhnlich.

Nach ihrer Einlieferungen blieb es nämlich nicht bei Kopfschmerzen und starker Abgeschlagenheit. Der Patientin fiel das Schlucken und Atmen immer schwerer, daneben setzten die Schutzreflexe aus. Ehemann Bernd Bathe denkt mit Grauen an die Zeit zurück, als sich der Zustand seiner Frau rapide verschlechterte und die Ärzte das künstliche Koma einleiteten. "Man hat mir damals gesagt, wenn sie die nächsten 48 Stunden übersteht, sind die Chancen ganz gut." Doch davor habe er daheim Patientenverfügungen ausfüllen müssen. Es sei ein Albtraum gewesen. Trotz der schwierigen Zeit, aller zeitlichen Bedrängnisse und Personalnot habe er sich als Angehöriger im Klinikum jedoch immer wahrgenommen und gut informiert gefühlt. Das auszudrücken, sei ihm wichtig.

Der Weg zur Genesung ist lang und steinig Wie schmerzhaft und vor allem kräftezehrend der Kampf gewesen sein muss, ist Cornelia Bathe ein knappes Jahr später anzumerken. Während sie über das Erlebte spricht, brechen die Emotionen nur so aus ihr heraus. Jede Träne scheint dabei sinnbildlich für jeden noch so kleinen Schritt zu stehen, den die Dörentruperin innerhalb der vergangenen Monate mühsam zurückgelegt hat, um wieder der Normalität ein Stück näher zu kommen. Ihr Ehemann sei inzwischen in Rente und könne seine Frau zuhause unterstützen und versorgen. Das Paar wirkt wie eine unzerstörbare Einheit. Anders ginge es auch nicht. "Ich werde kräftiger und meine Stimme ist wieder da. Aber es dauert alles so verdammt lange, das fällt mir schwer", sagt Cornelia Bathe.

Sie lerne daher, sich in Geduld zu üben. Inzwischen kann die FSME-Patientin an guten Tagen mit Rollator langsam drei Kilometer zurücklegen, an schlechten Tagen ginge nicht mal das. Doch es sei ein großer Fortschritt, wenn man an ihren ursprünglichen Zustand zurückdenke, finden die Ärzte. "Sie war anfangs wie eine Puppe", erklärt die behandelnde Oberärztin Delia Pop-Ionasiu. Cornelia Bathe habe nach dem Aufwachen weder den Kopf gerade halten noch die Arme heben können. Selbst die Augen machen der Patientin ein gutes Jahr später noch Probleme, berichtet sie. "Ich kann zwar alles erkennen, aber sie bleiben manchmal nicht stehen, wo ich will." Daher sehe sie teils verschwommen.

Patientin holt sich gefährlichen Zeckenbiss wohl in Lippe Am meisten fehle der Patientin aber aktuell das uneingeschränkte Spazierengehen. "Das habe ich immer gerne gemacht", sagt Cornelia Bathe. Drei bis fünf Jahre soll es dauern, bis die gestörten Nerven wieder komplett ausgeheilt sind. Dann dürfte die Patientin wieder ganz die Alte sein. "Wenn die Struktur nicht verletzt ist, regenerieren sich die Nerven wieder vollständig", erklärt Dr. Christoph Redecker. Dass sich die Nerven langsam erholten, zeigten allein die bereits geleisteten Fortschritte. Gerade bei der Schwere ihres Verlaufes könne man von einem enormen Erfolg sprechen. Auch die mehr als sechswöchige Frührehabilitation im Klinikum habe dazu beitragen können.

Der außergewöhnliche Fall habe selbst den Chefarzt zum Nachdenken gebracht. "Ich war bisher nicht gegen FSME geimpft, weil ich gedacht habe, das ist eine seltene Erkrankung", gibt Dr. Redecker zu. Doch nun habe er die Impfung nachgeholt, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung gerade hier in der Region gering sei. "Nur etwa zwei Prozent der Zecken aus FSME-Risikogebieten sind mit dem Erreger beladen", sagt er. Die meisten der vom Robert-Koch-Institut benannten Gefahrenzonen befänden sich überwiegend im Süden Deutschlands, aber auch Hessen sei inzwischen betroffen.

"Aber die Einschläge kommen näher", sagt der Chefarzt. Das zeige nicht zuletzt der ihm nun erste bekannte Fall aus Lippe. Denn Cornelia Bathe hatte die Zecke im Mai 2022 zuhause in Dörentrup bemerkt, nicht etwa im Urlaub. Dass der kleine Biss ihr Leben so nachhaltig verändern würde, hätte sie damals nur nie für möglich gehalten.

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