So sagt das Klinikum Lippe Depressionen nach Schlaganfall den Kampf an

Kreis Lippe/ Lemgo. Lähmung, Sprachprobleme, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen - diese und weitere Folgen kann ein Schlaganfall haben. Auch eine, die bislang eher weniger untersucht worden ist: die Post-Stroke-Depression, die Depression nach einem Schlaganfall. &bdquo;Die Grenze ist fließend und schwierig zu erkennen, ob es sich noch um eine starke Traurigkeit über den Schlaganfall und seine Folgen bei einem Betroffenen handelt oder ob es schon eine Depression ist“, erklärt Prof. Dr. med. Christoph Redecker, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Lippe. Zusammen mit der Arbeitsgruppe Neuropsychologie und der Allgemeinmedizin der Universität Bielefeld gibt es daher seit Kurzem ein Forschungsprojekt zu genau diesem Thema.

Ein Schlaganfall lasse sich in der Regel gut behandeln, erklärt der Mediziner, &bdquo;die Akut-Behandlung hat enorme Fortschritte gemacht“. Auch wenn die meisten Patienten danach mit einem Defizit leben müssten wie einer Lähmung, Sprach- oder Sehstörung. Zum Teil sei eine dauerhafte Reha-Maßnahme notwendig. Doch die Ärzte in den Kliniken sehen Patienten nur kurz eben während der Akut-Behandlung. Daher würden vor allem drei Langzeitprobleme mittlerweile gründlich erforscht: zum einen die kognitiven Einschränkungen, also Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen oder die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig tun zu können. Zum anderen die Post-Stroke-Epilepsie, also das Auftreten epileptischer Anfälle nach einem Schlaganfall. Und als Drittes die Post-Stroke-Depression, also Depressionen in Folge eines Schlaganfalls.

Zwischen Traurigkeit und Depression Und genau hierzu arbeitet das Klinikum Lippe seit zwei Jahren zusammen mit der Uni Bielefeld in einem Forschungsprojekt zusammen, wie Oberärztin Anna-Maria Addicks erläutert. &bdquo;Patienten, die einen Schlaganfall hatten, werden zwei Jahre lang begleitet. Bei 30 Prozent entwickelt sich eine Depression.“ Die Depression sei schwierig zu diagnostizieren, denn sie trete nicht sofort auf, ergänzt Dr. Redecker. Und das sei auch ganz logisch, denn während der Zeit im Krankenhaus, der Behandlung, der Reha seien die Patienten beschäftigt.

Doch danach, wenn es in den nicht mehr gewohnten Alltag zurückgehe, wenn Betroffenen mit ihrer Behinderung und den Einschränkungen tagtäglich in ihrem alten Umfeld umzugehen lernen müssen, könne sich eine Depression entwickeln. Da könnten zudem die Schlaganfalllotsen weiterhelfen und bei der Suche nach Therapieplätzen helfen. Doch dazu müsse die Depression erkannt oder zumindest das Risiko eines Patienten hierfür bekannt sein.

Einige Risikofaktoren für eine Post-Stroke-Depression seien bereits identifiziert worden, wie Dr. Addicks erklärt: die Schwere der Behinderung und Einschränkung im Alltag, die Ausprägung der kognitiven Einschränkung, depressive Vorerkrankungen sowie die Tatsache, ob ein Patient wieder in seinem alten Beruf arbeiten kann. Aber auch Alter und Geschlecht spielten eine Rolle. &bdquo;Ältere, weibliche Patientinnen haben ein höheres Risiko für eine solche Depression“. Zudem werde untersucht, wie sich das soziale Umfeld auf das Risiko auswirke, insbesondere das Verhältnis zur Hauptbezugsperson.

Bereits in der Klinik werde Kontakt zu den Patienten aufgenommen, dieser müsse innerhalb von 14 Tagen nach dem Schlaganfall erfolgen. Den Betroffenen werde erklärt, um was für ein Projekt es sich handelt und wie es abläuft. Dann werden die Patienten im Forschungsprojekt regelmäßig telefonisch kontaktiert - nach drei, sechs und zwölf Monaten sowie nach 18 und 24 Monaten - und ein Fragebogen mit ihnen durchgegangen. In dem Monat des Kontakts erhielten die Patienten zusätzlich vorher einen Brief als Erinnerung. &bdquo;Das geht nur, weil wir so tolle studentische Hilfskräfte im Haus haben“, loben die Ärzte. Schließlich sei die Befragung für die Patienten anstrengend, gerade für die mit Einschränkungen. Da brauche es ein feines Gefühl und Geduld aufseiten der Klinik. 550 Patienten seien in das Projekt eingeschlossen, &bdquo;wir freuen uns, dass so viele mitmachen, um Erkenntnisse zu gewinnen“.

Raus aus der Tabuzone Doch wie können die Forscher sicher sein, dass die Patienten ihnen alles erzählen? &bdquo;Sicher ist das gerade bei Fragen zur Beziehungsqualität schwierig“, bekennt Dr. Redecker. &bdquo;Es ist dann aber auch ein Fehler, der sich durchzieht“, ergänzt Dr. Addicks, sodass das Ergebnis als solches wieder passe.

Mit den Studienergebnissen wollen die Forscher herausfinden, welche Faktoren zu einer Depression bei Schlaganfallpatienten beitragen, wie sie sich frühzeitig erkennen oder sogar verhindern lässt und wie man sie frühzeitig am besten behandelt. Denn eines sei nach wie vor klar: Eine Post-Stroke-Depression trete häufig auf, werde selten erkannt und noch seltener behandelt, unterstreichen die Mediziner. Sind die Risikofaktoren eines Patienten bekannt, lasse sich die Depression schneller erkennen und behandeln. Und der Ärztemangel im Bereich der Psychiater und Psychotherapeuten sei ebenfalls ein Problem, &bdquo;ein Hausarzt kann das alles nicht allein leisten“.

Doch der Hausarzt könne bereits Antidepressiva verordnen. Und die seien mittlerweile modern und gut verträglich, machten nicht abhängig, betont Dr. Addicks. Deshalb sollten sich Betroffene, die eine Depression vermuten, schnellstmöglich an den behandelnden Hausarzt oder Neurologen beziehungsweise Nervenarzt wenden, rät Dr. Redecker. &bdquo;Eine Depression lässt sich mittlerweile gut behandeln. Die Uni Bielefeld ist laut Dr. Redecker außerdem derzeit im Aufbau einer Schlaganfallambulanz, insbesondere für Patienten mit Post-Stroke-Depression.

&bdquo;Unser Ziel ist es zum einen, Anlaufstellen zu bieten und natürlich den Menschen zu helfen, aber auch das Thema Depression weiter aus der Tabu-Zone zu holen“, betonen die beiden Mediziner.

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