Über Nacht zum Millionär? Wie viel man in sieben Tagen Glücksspiel gewinnt

Kreis Lippe. Wer im Internet den Begriff &bdquo;Millionär“ eingibt, erhält nach drei Zehntelsekunden insgesamt etwa 12,4 Millionen Ergebnisse. Zu lesen sind Schlagzeilen wie &bdquo;Vom Maurer zum Millionär“, &bdquo;Lotto-Spieler aus NRW ist neuer Doppel-Millionär“ oder &bdquo;Millionär mit drei Richtigen“. Nachrichten über Neureiche ziehen - auch bei der LZ.

Erst kürzlich stellten wir einen 25-jährigen Detmolder vor, der mit seinem Nebenjob als Innenausbauer zu Vermögen kam . Ich denke mir: &bdquo;Das schaffe ich doch auch.“ Weil ich aber weder etwas von Innenausbau verstehe, noch einen anderen geeigneten Nebenjob im Kopf habe, mit dem ich auf die Schnelle zu größeren Mengen Geld kommen kann, beschließe ich, es lieber dem Millionär mit den drei Richtigen gleichzutun. Ich werde Zocker. Für die nächste Zeit nehme ich mir vor, täglich an allen möglichen Gewinnspielen teilzunehmen, Lotto zu spielen oder Wetten abzugeben, die mir in die Finger kommen und mir damit ein Vermögen &bdquo;aufzubauen“.

Tag 1 - Tippen will gelernt sein Ich betrete die Vorhalle eines großen Detmolder Supermarkts und gehe zielstrebig auf den Lotto-Toto-Shop am anderen Ende des Korridors zu. &bdquo;42 Millionen im Jackpot“ heißt es auf einem mannshohen Aufsteller vor dem Geschäft. Siegessicher ziehe ich gleich mehrere Tippscheine aus der Halterung, Lotto 6 aus 39 und Eurojackpot. Dabei ignoriere ich das Kleingedruckte auf dem Werbeschild: &bdquo;Gewinnchance 1 zu 140 Millionen“. Ich versuche, mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal Lotto spielen war. Mehrere Jahre sind seitdem bestimmt schon vergangen. Das zeigt sich dann auch an der Kasse: Beim Eurojackpot-Schein habe ich vergessen, die Zusatzzahlen einzutragen. Der freundliche Mitarbeiter holt das netterweise für mich nach.

Tag 2 - Der erste Gewinn Da er ganz in der Nähe meines Büros liegt, besuche ich denselben Shop wie schon am Tag zuvor. Als ich den mannshohen Aufsteller passiere, fällt mir ein, dass ich am Abend gar nicht die Ergebnisse der Lotto-Ziehung nachgeschaut habe. Dass ich den Jackpot nicht abgeräumt habe, erkenne ich auch so. Die Zahl ist im Vergleich zum Vortag noch einmal gestiegen. Heute besorge ich mir ein Dutzend Rubbellose. Einsatz pro Los: zwischen 50 Cent und 5 Euro. Gewinnchance: 10.000 Euro. Als ich die EC-Karte zücke, schüttelt der Mitarbeiter mit dem Kopf.

&bdquo;Kartenzahlung erst ab 20 Euro“, erklärt er. Ich überlege kurz, ob ich nicht einfach noch mehr Lose kaufen soll, zahle dann aber doch in bar. Zurück auf der Arbeit wird eifrig freigerubbelt. Manche der Lose überlasse ich unserem Praktikanten. Wenn er gewänne, zahle er als Erstes seine Studiengebühren, nimmt er sich vor. Und tatsächlich erscheint drei Mal der gleiche Betrag auf einem seiner Lose. 2 Euro. Ein Tropfen auf dem heißen Stein der Studienkreditgeber.

Tag 3 - Glück(s)los Auf dem Lottoschein, den ich mir an Tag 1 besorgt hatte, habe ich keine einzige Zahl richtig getippt. Ich ändere meinen Ablauf und fahre vor der Arbeit zu einer anderen Lotto-Annahmestelle, um meinen Schein fürs Wochenende auszufüllen. Doch ich bin 15 Minuten zu früh dran. Der Laden hat noch nicht geöffnet. Bis die Türen aufgehen, lungere ich vor dem Geschäft herum und denke darüber nach, wie sich Spielsüchtige in so einer Situation fühlen müssen.

Laut dem &bdquo;Glücksspielatlas“ nehmen rund 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland an Glücksspielen teil (Stand 2021) . Das sind immerhin schon weniger als noch im Jahr 2007. Damals betrug dieser Anteil noch 55 Prozent. 1,3 Millionen Deutsche haben zudem eine Glücksspielstörung. Etwa jeder dreizehnte Glücksspieler entwickelt durch die Teilnahme an Automatenspielen, Sportwetten und anderen Glücksspielen gesundheitliche, finanzielle oder auch soziale Probleme. In vielen Fällen sind diese so massiv, dass Familien zerstört und Existenzen vernichtet werden. Allein im Lotto verzockten die Deutschen im Jahr 2021 insgesamt 4,1 Milliarden Euro.

Tag 4 - die Ernüchterung Im Eurojackpot habe ich auf meinem Tippschein jeweils eine einzige Zahl richtig getippt. Für einen Gewinn reicht das nicht. Auch ein weiterer Lottoschein entpuppt sich als Niete. So langsam kommen mir Zweifel. Noch nie habe ich an mehreren Tagen hintereinander so intensiv Glücksspiel betrieben. Zwar liege ich mit meinen Ausgaben für Tippscheine, Lose und Co. noch nicht mal im dreistelligen Bereich, dennoch bekomme ich ein schlechtes Gefühl, Geld zum Fenster hinausgeworfen zu haben. Vom Vortag habe ich noch ein paar ungeöffnete Lose übrig. &bdquo;Finden Sie das Euro-Zeichen im Rubbelfeld, ist der Betrag daneben Ihr Gewinn“, heißt es auf den mit Rubbelfarbe bedruckten Scheinen. Statt Euro-Zeichen bekomme ich nur Kleeblätter, Truhen und Hufeisen.

Tag 5 - Wettfreier Tag Beim Wochenend-Kick meines Fußballvereins fachsimpeln die Mannschaftskameraden über ihre laufenden Bundesliga-Tipps bei einschlägigen Wettanbietern. Einer von ihnen könnte 1500 Euro gewinnen, am Ende macht ihm eine Niederlage des FC Bayern allerdings einen Strich durch die Rechnung. Ich selbst verbrachte den Tag ohne Gewinnspiel-Nervenkitzel.

Tag 6 - Verzweiflungstipps Meine Kollegen auf der Arbeit schlagen vor, es doch auch einmal mit Sportwetten zu versuchen. Nach anfänglichem Zögern willige ich ein und erstelle mir einen Online-Tippschein über 25 Euro zur Fußball-Champions League: Bayern, Leipzig und Union Berlin gewinnen, Dortmund verliert. Dazu noch ein Sieg von Salzburg. Zu erwartender Gewinn: 1227,50 Euro. Womöglich das Startkapital für meinen Vermögensaufbau?

Tag 7 - das Ergebnis Die Sportwette geht natürlich schief. Ich gehe vorerst ein letztes Mal zum Lotto-Toto-Shop meines Vertrauens. Zwei Tippscheine, dazu eine Handvoll Rubbellose. Das Ergebnis gleicht denen der vergangenen Male. Vorfreude beim Freirubbeln oder dem Check der Ziehungsergebnisse kommt kaum noch auf. Am Ende der Woche habe ich 84,60 Euro verzockt. Das sind rund 10 Prozent von dem, was Glücksspielsüchtige im Schnitt pro Montag einsetzen. Satte 3 Euro habe ich wieder eingenommen. Ich nehme mir vor, mich von nun an vom exzessiven Glückspiel abzuwenden und stattdessen etwas Sinnvolles mit meinem Geld anzufangen. Ich informiere mich darüber, wie man das am besten angehen sollte.

Geduld mitbringen Wie die Verbraucherzentrale erklärt, sollten Anleger zunächst bereits bestehende Schulden abbauen, bevor sie Geld anderweitig investieren. Kredite und Darlehen sind teuer und diese abzuzahlen, ist ein wichtiger erster Schritt. Ausnahmen gibt es etwa, wenn Steuern den Darlehenszins unter dem Strich verringern, was etwa bei vermieteten Immobilien der Fall sein kann.

Thorsten Heggen, Sprecher der Verbund-Volksbank OWL, rät Anlegern darüber hinaus zu einer Mischung aus Sparen und Investieren: &bdquo;Im Idealfall sollten die Kunden beides miteinander verbinden, also zum einen rentierliche Anlagen wählen, bei denen monatlich ein bestimmter Betrag angespart wird, und zum anderen in Einmalanlagen investieren.“ Hier komme es auf den Anlagehorizont an. Je länger die Laufzeit sei, desto eher bestehe die Chance, Schwankungen an den Kapitalmärkten zu kompensieren. &bdquo;Am besten sollte das Geld möglichst breit gestreut werden, statt nur auf eine Lösung zu setzen.“ In einem Beratungsgespräch könnten Spielräume und Ziele abgesteckt werden.

Ganz wichtig: &bdquo;Vermögensaufbau erfordert Geduld“, sagt Heggen. Auf schnelles Geld lässt sich in den seltensten Fällen setzen - das hat - wie erwartet- auch mein Glücksspiel-Experiment gezeigt.

Hilfe bei Glücksspielsucht Glücksspiel kann süchtig machen. Viele Menschen hoffen dabei auf den großen Gewinn. Stattdessen führt häufiges Spielen fast immer zu hohen Geldverlusten. Der Schritt zu Spielproblemen ist oft nicht weit. Glücksspielsucht betrifft das ganze Leben und auch Angehörige leiden unter der Spielsucht der betroffenen Person. Hilfe gibt es kostenlos beim Beratungsteam der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung unter Tel. 0800 1372700 oder unter check-dein-spiel.de im Internet.

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