Daran krankt der Neubau am Klinikum Lippe

Kreis Lippe. Es soll ein Meilenstein für das Klinikum Lippe sein. Zukunftsweisend und vorbildlich. Doch der Neubau, der sogenannte Gebäudeteil C, kann derzeit nicht in Betrieb genommen werden. Ein für Dezember geplanter Probebetrieb auf den zwei neuen Bettenstationen wurde laut Klinik abgesagt. Und nach Aussage der Stadtverwaltung Detmold liegt erst seit etwa zwei Wochen ein Antrag auf eine Teilinbetriebnahme vor – eine Voraussetzung für eine Bauabnahme. Das Klinikum gibt einem Planungsbüro sowie ausführenden Handwerksbetrieben die Schuld, sie hätten &bdquo;Planungs-, Ausführungs- und Überwachungsmängel" zu verantworten. Ist das so?

Dass es in einem Bau-Projekt in zweistelliger Millionenhöhe zu Verzögerungen kommen kann, verwundert nicht. Auch mit Blick auf die Corona-Pandemie und die Ukraine-Krise, die Planer und Bauausführende vor ungeahnte Herausforderungen gestellt haben. Dennoch schreibt das Klinikum auf Anfrage, dass &bdquo;die Inbetriebnahme der unterschiedlichen Funktionseinheiten planmäßig in Einzelschritten im Jahr 2024 vorgesehen ist – inklusive Probebetrieb". Dieses gelte auch für die Bettenstationen. &bdquo;Einen Vollbetrieb werden wir wie geplant im Jahr 2025 haben".

Bau dauert länger Wie geplant im Jahr 2025? Der ursprüngliche Plan sah anders aus. Bei der ersten Ausschreibung des Bauteils C war laut einsehbaren Unterlagen mit einer Baufertigstellung Mitte August 2022 gerechnet worden. Und noch im Mai des vergangenen Jahres 2023 spricht der beauftragte Projekt-Steuerer in einer E-Mail, die der LZ vorliegt, von einer &bdquo;Fertigstellung aller Geschosse bis Oktober 2023".

Als erstes sollen nun laut Klinikum die beiden Bettenstationen – eine für Privat-, eine für gesetzlich Versicherte – in einen Probebetrieb gehen. Das sei im Dezember nicht möglich gewesen, da Mängel in der Gebäudesanitär- und Elektroinstallation sowie der TGA-Planung (Hinweis der Redaktion: TGA steht für Technische Gebäudeausrüstung) des gesamten Bauteils C festgestellt und gutachterlich bestätigt wurden.

Handwerkern gekündigt &bdquo;Die Gründe dafür liegen in einer mängelbehafteten Ausführung von Sanitär- und Elektrogewerken durch zwei beauftragte Handwerksfirmen sowie einer mängelbehafteten Planung und der Bauleitung des beauftragten Ingenieurbüros", schreibt das Klinikum Ende Februar in einer von Pressesprecher Christian Ritterbach verschickten Antwort auf einen Fragenkatalog unserer Zeitung.

Man habe den beiden Handwerksbetrieben und dem Planungsbüro daraufhin mit rechtsanwaltlicher Begleitung gekündigt. Christian Ritterbach weiter: &bdquo;Zwei andere Handwerksunternehmen sind mit der Ersatzvornahme bzw. der Mängelbeseitigung beauftragt, die auch schon mit den Arbeiten begonnen haben und diese in den kommenden Wochen abschließen werden."

Der Pressesprecher ist der Einzige, der sich auf detaillierte Fragen zur Bauverzögerung äußert. Den identischen Fragenkatalog hatte die LZ auch dem Landrat als Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums zugeschickt. Zur Erinnerung: Der Kreis ist zu 100 Prozent Gesellschafter des Klinikums Lippe. Dr. Axel Lehmann ließ jedoch über seine Pressestelle mitteilen, dass alle Fragen das operative Geschäft der Klinikum Lippe GmbH beträfen und man sich doch bitte an die Pressestelle des Klinikums wenden solle. Zwei Firmen und ein Planungsbüro sollen also verantwortlich sein, dass das Vorzeigeprojekt des Klinikums noch nicht fertig ist? Da viele Handwerksunternehmen aus der Region dem Klinikum bislang seit langem die Treue halten, ist die Suche nach den angeblichen Verantwortlichen mit einer überschaubaren Recherche verbunden.

Post von den Anwälten So ist die Planungsgruppe Schweitzer aus Braunschweig seit Frühjahr des vergangenen Jahres nicht mehr auf der Baustelle in Detmold. Das bestätigte ihr Geschäftsführer Joachim Welp in einem Telefonat mit der Lippischen Landes-Zeitung. Zu den Gründen wollte er sich nicht äußern. Die Architektengruppe ist seit mehr als 20 Jahren mit dem Klinikum Lippe verbunden und für viele bauliche Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte mitverantwortlich. Schweitzer gilt als bundesweit anerkannte Expertengruppe, die sich auf Kliniken spezialisiert hat und zahlreiche Um- und Neubauten betreut.

Andere Befragte berichten der LZ von den Besonderheiten der Baustelle und nennen Details, ziehen allerdings plötzlich von einen Tag auf den anderen allesamt ihre Aussagen zurück. Warum?

Eine Antwort auf diese Frage könnte das Gespräch mit dem Detmolder Elektrounternehmen Lampe liefern. Die Geschäftsführer Maren und Jens Lampe bestätigen auf LZ-Anfrage, dass sie das gekündigte &bdquo;Handwerksunternehmen Elektro" sind. Und verweisen darauf, dass sie ihre Aussagen abwägen müssten, da sie sich bereits einer anwaltlichen Abmahnung für Äußerungen ausgesetzt sähen, die sie in einem Brief an den Aufsichtsrat des Klinikums gemacht hätten. Zugesandt von einer Kanzlei aus Berlin, die sich nachweislich auf Medienrecht spezialisiert hat. Die Unternehmer sind übrigens nicht die einzigen, die derartige Briefe bekommen haben. Auch Walter Brinkmann, Sprecher des Aktionsbündnisses Klinikum Lippe, musste jetzt juristische Post aus seinem Briefkasten holen. Gegen ihn liegt nach eigenen Angaben eine Klage vor dem Landgericht vor, erhoben von der Klinikum Lippe GmbH, vertreten durch Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte. Brinkmann, so heißt es in der Klageschrift, solle zwei Aussagen zum Klinikum künftig unterlassen.

Mängelrügen nach Kündigung Das Unternehmen Lampe schreckt das nicht. Mehr noch. Die Geschwister Maren und Jens Lampe verstehen die Welt nicht mehr. Seit mehr als 30 Jahren seien sie als Detmolder Elektrofirma verlässliche Partner des Klinikums gewesen und hätten zur Zufriedenheit der Auftraggeber kleinere und größere Maßnahmen im Klinikum umgesetzt. Lange hätten sie überlegt, ob sie sich auf die Ausschreibung für das Neubau-Projekt bewerben sollten, sich dann aber dafür entschieden, obwohl ihre langjährigen Ansprechpartner das Klinikum nach und nach verlassen hätten. Ob gewollt oder ungewollt, das können sie nicht sagen. Ansprechpartner wurde ein Unternehmen aus der ACUO-Gruppe, die das Projekt für das Klinikum Lippe betreut.

Die Behauptung des Klinikums, die Gründe für die Verzögerung lägen &bdquo;in einer mangelbehafteten Ausführung von Elektrogewerk", weist das Unternehmen entschieden zurück. Die Arbeit anderer Werkunternehmer könne es nicht beurteilen. &bdquo;Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Klinikum aus heiterem Himmel am 27. November 2023 den Vertrag kündigte, haben keine Mängelanzeigen vorgelegen.

Ausführungshinweise, die während des Bauablaufs in Form eines Ticketsystems oder Begehungsprotokollen besprochen wurden, sind, sofern sie uns betrafen, sofort abgearbeitet worden", schreibt das Detmolder Familienunternehmen. Auch in einem Gespräch am 16. November 2023 mit Klinik-Chef Dr. Hütte, das der Klärung von Behinderungen auf der Baustelle und der Klärung offener Rechnungen dienen sollte, sei keinerlei Mängelrüge erhoben worden.

Mängelrügen habe es erst drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung gegeben. &bdquo;In einer Liste vom 14. Dezember 2023 führten die Anwälte des Klinikums uns gegenüber einige wenige geringfügige Mängel an. Der Beseitigungsaufwand verursachte etwa 40 Stunden Arbeit, umgerechnet 2500 Euro plus Mehrwertsteuer. Zum Verhältnis: Das Volumen unseres Auftrags beträgt etwa 5,1 Millionen Euro zuzüglich Mehrwertsteuer", sagt Jens Lampe im Gespräch mit der LZ.

Am 22. Dezember 2023 seien drei weitere Mängel angezeigt worden, die man örtlich und inhaltlich nicht habe zuordnen können. Jens Lampe: &bdquo;Unsere schriftliche Anfrage dazu blieb unbeantwortet." Nahezu alle der angezeigten Mängel habe man im Januar beseitigt, bei einem sei der Zugang zu dem entsprechenden Raum durch abgestelltes Material versperrt gewesen.

Offene Rechnungen Die Verzögerung der Bauzeiten haben laut der Firmenleitung nichts mit ihrem Unternehmen zu tun. So könne ein Betrieb nur mit einer funktionierenden Notstromversorgung und einer intakten Brandmeldeanlage genehmigt werden. Ursprünglich habe das Detmolder Unternehmen diese beiden technischen Anlagen erstellen sollen.

Der Geschäftsführer: &bdquo;Doch die Bauleitung nahm ohne erkennbaren Grund wesentliche Leistungen aus unserem Werkvertrag heraus und beauftragte sie anderweitig." Unter anderem eine Quertraverse für die Abgasführung, einen Vorratstank für Dieselkraftstoff – benötigt für die Notstromversorgung – und diverse Zuleitungen.

Der Vorratstank für die Versorgung der Notstromersatzanlage sei von dem Projektsteuerer abweichend der ursprünglichen Ausschreibung als Erdtank beigestellt worden. Jens Lampe: &bdquo;Da wir als ausführende Firma nach Anschluss dieses Tankes für die eingebauten und dann angeschlossenen Geräte haften, wurde von uns ein Qualitätsnachweis mit Angabe der im Tank eingebauten elektrischen Gerätschaften angefordert. Diese Herstellerangaben einschließlich eines Prüfzeugnisses des Erdtanks wurden nicht erbracht. Die Antwort des Projektsteuerers war: Sind für Sie nicht maßgeblich."

Einige Arbeiten seien bis zur Kündigung immer noch nicht durch die Bauleitung erledigt gewesen. &bdquo;Sie hat Teilleistungen aus dem Elektrobereich an sich gerissen, auf die unsere weiteren Arbeiten aufbauen mussten, diese Leistungen dann aber nicht erbracht", sagt die Geschäftsführung. Allerdings sei zu diesem Zeitpunkt das Bauvorhaben weit hinter dem vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin gewesen.

Aber was könnten sonst Auslöser für eine Kündigung gewesen sein? Durch Behinderungen auf der Baustelle, offene Abschlagsrechnungen in Höhe von fast einer halben Million Euro und Presseberichte über eine schwierige Finanzlage des Klinikums habe man sich als Familienunternehmen dazu gezwungen gesehen, vom Klinikum eine Bürgschaft als Sicherheit für den Werklohn zu fordern. Das sehe das Gesetz vor. Material nicht mehr benötigt &bdquo;Wir hätten die Möglichkeit gehabt, den Anspruch auf die Bürgschaft einzuklagen. Das haben wir nicht getan, sondern die Geschäftsführung des Klinikums um ein Gespräch gebeten, das dann am 16. November 2023 auch stattfand", erklärt Jens Lampe. Thema der Besprechung sei neben anderen Punkten auch die Forderung nach der Bürgschaft gewesen.

Man sei unterschiedlicher Meinung gewesen, in welcher Höhe die Bürgschaft gestellt werden müsse, der Geschäftsführer Dr. Hütte hätte aber eingeräumt, dass eine Bürgschaft &bdquo;für ausstehende Arbeiten/Rechnungen" im siebenstelligen Bereich gestellt werden müsste. Was die ausführlichen Unterlagen, die der LZ vorliegen, bestätigen. &bdquo;Die Bürgschaft kam dann aber nicht, auch nicht nach einer nochmaligen Mahnung von uns vom 20. November 2023", erklärt Jens Lampe.

Zwei Tage vor einem weiteren mit dem Geschäftsführer Dr. Hütte vereinbarten Besprechungstermin wegen der offenen Forderungen kam dann am 27. November die Kündigung des Werkvertrages. Erst am 5. Dezember 2023, kurz vor Einreichung einer Klage durch Lampe, kam dann laut Lampe die Bürgschaft.

Mit Schuldzuweisungen sind die Unternehmer vorsichtig. Auffällig ist für sie aber: Die Kündigung und die Forderung nach der vom Gesetz vorgesehenen Bürgschaft zur Absicherung des Werklohns stehen für sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang.

Fragen an den Aufsichtsrat Was die Unternehmer aus Detmold ebenfalls stört, sind die finanziellen Konsequenzen für die öffentliche Hand, die allein durch die gegen sie gerichtete Kündigung entstanden seien. &bdquo;So wurde zum Beispiel mit der Bauleitung und dem Bauherrn vereinbart, bemusterte und speziell für das Klinikum gefertigte Materialien im Wert von einer halben Million Euro zu bestellen und einzulagern, um weitere Preiserhöhungen aufgrund der Bauzeitverzögerung zu vermeiden. Nach der Kündigung wurde unserem Unternehmen untersagt, die Materialien aus dem Lager auf der Baustelle zu entfernen", berichtet Jens Lampe.

Später sei ihnen dann mitgeteilt worden, dass die Materialien nicht mehr benötigt würden und von der Baustelle entfernt werden sollten. Der Geschäftsführer: &bdquo;Die Materialien wurden abgeholt, werden dem Klinikum in Rechnung gestellt und werden von dem Nachfolgeunternehmen noch einmal neu bestellt werden müssen. Da es sich größtenteils um Materialien handelt, die auf die Anforderungen des Klinikums zugeschnitten waren, sind sie anderweitig nicht einzusetzen und müssen im Endeffekt verschrottet werden. Wie ist das dem Steuerzahler zu erklären?"

Diese Frage habe man unter anderem auch dem Landrat und dem Aufsichtsrat gestellt. Eine Antwort stehe bis heute aus.

Kommentar: Zeit, genauer hinzuschauen Was nun? Zeitliche Verzögerungen machen den Klinik-Neubau teurer als geplant. Und jeder Tag, an dem die beiden Patienten-Stationen nicht in Betrieb gehen können, ist wirtschaftlich gesehen ein schlechter Tag. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der finanzielle Druck auf kommunale Krankenhäuser wächst und wächst. Ganz zu schweigen von dem Eindruck, der bleibt, wenn langjährige Beziehungen mit dem heimischen Handwerk und anderen Geschäftspartnern plötzlich enden. Zur Erinnerung: Das Klinikum Lippe ist eine öffentliche Einrichtung, alleiniger Gesellschafter ist der Kreis Lippe. Und nein – auch wenn es manchmal so aussieht – das Haus ist keine Privatklinik, in der die Verantwortlichen mit ihrem Geld machen können, was sie wollen.

Aus diesem guten Grund hat das Klinikum einen Aufsichtsrat. Doch wie gut ist dieser und sein Vorsitzender, der Landrat, informiert? Und wie genau achten die Mitglieder dieses Gremiums darauf, was mit den Millionen-Summen passiert? Es ist höchste Zeit, genauer hinzuschauen. Für die Politik. Und die Öffentlichkeit.

Transparenzhinweis: In einer ersten Version war die Investitionssumme falsch angegeben. Wir haben diese Version korrigiert.

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