Syrische Ärzte in Lippe: „Ich möchte in keinem Land bleiben, das mich nicht anerkennt“

Kreis Lippe. Wenn die beiden syrischen Ärzte Belal Al Tweish und Rabieh Sulaiman unabhängig voneinander über eine mögliche Rückkehr in ihr Heimatland sprechen, kommt die Zerrissenheit eines ganzen Landes selbst am Telefon durch. Der eine glaubt, dass auf lange Sicht hin viele Mediziner nach Syrien zurückkehren, weil sie sich in Deutschland nicht mehr willkommen fühlen. Der andere ist überzeugt davon, dass die meisten hierbleiben werden. Die Zukunft Syriens sei einfach zu ungewiss.

Eins ist sicher: Für die Menschen in Lippe wäre es eine Katastrophe, wenn ein Großteil der 45 hier arbeitenden Ärztinnen und Ärzte aus Syrien sich entscheiden würde, nach dem Sturz des Assad-Regimes in ihr Geburtsland zurückzukehren. Das hatte Lippes Ärztekammer-Chef und Detmolder Allgemeinmediziner Karl Arne Faust bereits vor einigen Wochen deutlich gemacht.

Aber was denken Betroffene selbst, die hier in lippischen Praxen arbeiten? Zwei der sechs in Lippe niedergelassenen Ärzte aus Syrien sind laut Abfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe bereit dazu, darüber zu sprechen, welche Gedanken sie derzeit bewegen. Die Gefühle scheinen dabei ähnlich komplex wie die Konflikte, die im Land weiter wüten.

Belal Al Tweish hat den Krieg in seiner Heimatstadt Aleppo hautnah miterlebt. Er kam 2017 mittels Visum nach Deutschland und arbeitet inzwischen als Facharzt für Augenheilkunde in Bad Salzuflen sowie Detmold. Der 33-Jährige kann das Gefühl kaum in Worte fassen, das der Sturz der 54 Jahre andauernden Diktatur in seiner Heimat bei ihm ausgelöst hatte. &bdquo;Mich hat es sehr überrascht, ich kann bis heute meine Freude nicht beschreiben“, sagt er.

Rechtsruck in Deutschland könnte zur Rückkehr animieren Nach all der Not, dem Terror und der Zerstörung ist Belal Al Tweish genauso froh darüber, in Deutschland Fuß gefasst zu haben. &bdquo;Zum Glück kann ich hier mit meinen Eltern und meinem Bruder leben - wir sind alle Mediziner“, sagt er. &bdquo;Wir möchten später unseren Kindern von unserem früheren Leben in Syrien erzählen.“ Die Familie möchte also derzeit bleiben, diese Entscheidung sei aber nicht in Stein gemeißelt. Das habe weniger mit dem Assad-Sturz zu tun, sondern gehe auf die seit zwei Jahren aufsteigende rechte Stimmung in Deutschland zurück, sagt Al Tweish.

Sein Fazit ist daher eindeutig. &bdquo;Ich werde nicht in einem Land bleiben, das mich trotz meiner Bildung und meiner Arbeit als einen Menschen zweiten, dritten oder vierten Grades ansieht.“ Obwohl der 33-Jährige längst eingebürgert ist, werde er von Parteien wie der AfD nicht als Bürger dieses Landes anerkannt. Sollten die Rechten weiter erstarken, sieht der Salzufler keine andere Chance, als nach Syrien zurückzukehren. &bdquo;Wenn der syrische Arzt sich nicht mehr in Deutschland wohlfühlen kann, kann er auch nicht hierbleiben.“ Belal Al Tweish vermutet, dass dieser Gedanke in einigen Herzen mitschwingt.

Situation in Syrien aktuell zu instabil Sein Kollege Rabieh Sulaiman schätzt die Situation um eine mögliche Rückkehr syrischer Ärztinnen und Ärzte in ihr Geburtsland dennoch etwas anders ein. Der 39-Jährige ist ebenfalls Facharzt für Augenheilkunde und arbeitet in einer Detmolder Praxis. Er sei Deutschland sehr dankbar für alles, sagt Sulaiman, den Rechtsruck klammert er aus. Die aktuelle Situation in seiner Heimat schätzt der Augenarzt als derart instabil ein, dass an eine Rückkehr gar nicht zu denken sei.

&bdquo;Ich glaube nicht, dass viele Ärzte aus Syrien Deutschland verlassen werden“, sagt Sulaiman. &bdquo;Ich glaube eher, wenn die deutsche Bürokratie weniger wird, werden noch mehr kommen.“ Die neue syrische Regierung unter dem Islamisten-Anführer Ahmad al-Scharaa bringe keine Freiheit, meint der Facharzt für Augenheilkunde. &bdquo;Das braucht Zeit. Nicht Wochen, nicht Monate, sondern mindestens einige Jahre.“

Daher sei die aktuelle Angst, ein Großteil der rund 6000 in Deutschland arbeitenden syrischen Ärzte könnten zurückkehren, unbegründet, findet Rabieh Sulaiman. Das bekäme er auch in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen gespiegelt. Dennoch werde wahrscheinlich erst die Zeit zeigen, wie es mit Syrien weitergeht. Dann stehe auch erst fest, wie sich die Menschen entscheiden, die sich hier in Lippe ein Leben aufgebaut haben.

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