Gefahr für Allgemeinheit? Detmolder zerrt Anwalt aus dem Auto und schlägt mehrfach zu

Detmold. 28 Jahre ist der Mann dort im Gerichtssaal erst alt und trotzdem wirkt er gescheitert. Ihm steht der Schweiß auf der Stirn, während Staatsanwalt Jan Denker die vielen Vorwürfe aus der Antragsschrift vorliest. Mehrfach ist der Detmolder teils im Drogenrausch gewalttätig geworden, hat im Sommer 2024 einen Rechtsanwalt am Landestheater aus dessen Auto gezerrt und mit voller Wucht zugeschlagen. Die Situation gibt der Beschuldigte - genau wie die anderen Vorfälle - zu. Es scheint ihm unangenehm zu sein. Aber manchmal verliert er einfach die Kontrolle.

Deshalb hält die hiesige Ermittlungsbehörde den jungen Mann für allgemeingefährlich. Vor der Zweiten Großen Strafkammer geht es daher an diesem Gründonnerstag in einem Sicherungsverfahren um den größten Einschnitt in die persönliche Freiheit, die das Rechtssystem zu bieten hat. Die Kammer unter dem Vorsitz von Richterin Anke Grudda muss entscheiden, ob der Detmolder dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden muss. Der Staatsanwaltschaft war von vornherein klar, dass der Mann nicht schuldfähig sein kann.

Aus diesem Grund hatte der psychiatrische Sachverständige Dr. Michael Hintersdorf den jungen Mann im Vorfeld psychiatrisch begutachten wollen. Seinen persönlichen Eindruck muss der forensische Psychiater nun aber aus der Hauptverhandlung ziehen. Der Besuch in der geschlossenen Psychiatrie sei wegen eines Ausrasters gescheitert. &bdquo;Mein Impuls kam durch, weil ich mich von oben herab behandelt gefühlt habe“, sagt der Beschuldigte im Gerichtssaal. Es soll in der Psychiatrie mehrere gewalttätige Ausfälle gegeben haben. Die Berichte liegen dem Gericht vor.

Psychiater stelle paranoide Psychose fest Sie sind am Ende entscheidend. Denn diese wiederholten Ausfälle überzeugen den Sachverständigen davon, dass der junge Mann unter einer paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet, die nicht auf seinen Drogenkonsum zurückzuführen sei. &bdquo;Die Drogen sind vielleicht eine Begleiterscheinung, aber sie sind nicht die Ursache“, erklärt Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth nach dem Verfahren. Da hat die Kammer gerade entschieden, dass der 28-Jährige dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen wird. Gleiches hatten Staatsanwalt Jan Denker sowie Verteidiger Remzi Yalcin aus Detmold beantragt.

Sein Mandant sei eine tragische Figur, hatte der Rechtsanwalt aus Detmold vorher durchblicken lassen. Eigentlich kommt der Beschuldigte aus einem stabilen Umfeld. Seine Eltern sitzen während des Verfahrens hinten im Zuschauerraum, unterstützen ihren Sohn. &bdquo;Ich hatte eine gute Jugend“, sagt der Beschuldigte. &bdquo;Bin ganz normal aufgewachsen und habe viel Sport gemacht“. Zwar hatte er mehrere Anläufe gebraucht, dann aber sein Abitur geschafft und zwischenzeitlich sogar Jura studiert. Das Studium brach er wieder ab. &bdquo;Dieses lange Rumsitzen und Konzentrieren war zu der Zeit nichts für mich.“

Mit 14 Jahren sei er erstmals mit Gras in Berührung gekommen, später habe er viel Kokain konsumiert. Auf Partys soll er sich die ein oder andere Ecstasy-Pille oder Amphetamine reingeschoben haben. Dass immer mehr Drogenkonsumenten Psychosen entwickeln, ist ein Phänomen, das die Drogenberatung Lippe mit Sorge beobachtet. In diesem konkreten Fall sollen die Drogen nur Begleiterscheinung gewesen sein, vermutet der Psychiater. Anders ließen sich die Ausraster ohne Einfluss von Betäubungsmitteln in der Klinik nicht erklären.

Im Dezember vor seiner Festnahme hatte der Detmolder zuletzt in einem Kiosk randaliert, eine Tür eingetreten und eine Lampe zerschlagen. Nebenbei griff er sich ein Croissant aus der Auslage und schnappte sich unter anderem eine Dose Wodka Lemon. Beides verzehrte er. Dabei hielt er bedrohlich wirkend einen Hammer und ein Multiwerkzeug - samt Schraubenzieher und Messer - in der Hand. &bdquo;Ich hatte ein Problem und wollte mir Stoff besorgen“, sagt der Beschuldigte.

Anwalt nimmt Entschuldigung des Angreifers an Seiner Ex-Freundin schrieb er außerdem rund 50 Mails mit bedrohlichem Inhalt, obwohl er keinen Kontakt zu ihr aufnehmen durfte. Ein anderes Mal kletterte der 28-Jährige im September 2024 vier Meter hoch auf einen Balkon und nahm den dortigen Bewohner auf der Suche nach Drogen in den Schwitzkasten. Er flüchtete mit ein bisschen Bargeld und einer Versichertenkarte.

Immer wieder berichten die geladenen Zeugen vor Gericht, wie bedrohlich und unberechenbar der Detmolder auf sie gewirkt habe. Bei dem Vorfall am Landestheater hatten mehrere Polizeibeamte den Mann mit Müh und Not bändigen können. Zuvor hatte der Beschuldigte wohl im Gorki-Park Kokain konsumiert - und seiner Aussage nach eine Paranoia entwickelt.

Erstaunlich gelassen beschreibt das ihm unbekannte Opfer, ein als Betreuer arbeitende Rechtsanwalt aus Lage, wie der junge Mann ihn aus dem Nichts angriff und mit voller Wucht zuschlug. Seine zaghafte Entschuldigung nimmt der Jurist im Saal wie selbstverständlich an. &bdquo;Kein Thema. Schade, dass wir hier sitzen“, sagt der 69-jährige Anwalt. Ihm sei klar gewesen, dass der Angreifer nicht Herr seiner Sinne gewesen sei.

Berufsbedingt habe er mit solchen Situationen öfter zu tun, sagt der Anwalt. Gerade im Drogenrausch seien die Betroffenen so enthemmt, dass kaum Polizisten sie händeln könnten. &bdquo;Diese Situation war natürlich besonders heftig, damit muss ich aber jederzeit rechnen.“ Er hatte sich gewundert, warum der Beschuldigte nicht einfach mit seinem Auto weggefahren sei, als er ihn aus dem Wagen gezerrt hatte. Offenbar hatte der Detmolder Angst, wird vor Gericht deutlich. Im Fußraum des Wagens saß der Dackel des Anwalts. Er knurrte.

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