Lippe baut wieder – doch der Bedarf an Sozialwohnungen wächst schneller

Kreis Lippe. Jahrelang war tote Hose, doch zuletzt hat der soziale Wohnungsbau in Lippe einen spürbaren Aufschwung erlebt. Mit 182 geförderten Wohneinheiten wurde 2024 das Vorjahresergebnis (189) knapp wieder erreicht - in etwa eine Vervierfachung gegenüber dem noch schwachen Jahr 2023. Doch trotz der positiven Entwicklung, die nach Angaben von Teamleiterin Christine Simou anhält, bleibt die Lage angespannt.

Denn: Der Bedarf an bezahlbarem, teils zusätzlich altersgerechtem Wohnraum wächst schneller als das Angebot. Sozialer Wohnungsbau zielt - gefördert vom Staat - darauf ab, Miet- oder Eigentumswohnungen für Menschen mit kleineren Einkommen zur Verfügung zu stellen. Dazu dienen Mietpreis- oder Belegungsvorgaben (Einzug etwa nur mit Wohnberechtigungsschein).

Rekord: 2,3 Milliarden Euro Förderung Landesweit hat Nordrhein-Westfalen 2024 die Rekordsumme von 2,3 Milliarden Euro ausgeschüttet. Ministerin Ina Scharrenbach spricht von einem &bdquo;Förderboom“ und der Wohnraumförderung als &bdquo;Stabilitätsanker“ für die Bauwirtschaft. Passend dazu hat sich auch das Fördervolumen in Lippe erhöht: Statt der ursprünglich vorgesehenen 13,6 Millionen Euro flossen am Ende etwa 30 Millionen Euro in den dritten Landesteil.

Wie das geklappt hat, beschreibt Simou als Teamleiterin Bauverwaltung: &bdquo;Wir stehen mit dem Ministerium im engen Austausch und haben uns bei jeder abzusehenden Überzeichnung der Töpfe frühzeitig dafür eingesetzt, dass noch weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Das konnten wir bisher auch immer erreichen, auch wenn die Mittel am Ende leider nicht ausgereicht haben, um die komplette Nachfrage zu bedienen.“ So der Trend seit Ende 2022.

Größere Städte sind im Vorteil Von den 182 geförderten Wohneinheiten (2024) entfielen 98 auf die Eigentumsförderung, lediglich 18 auf den klassischen Mietwohnungsbau und 66 auf Modernisierungen – Letztere vor allem im privaten Bereich. Zusätzlich wurden 20 bestehende Mietwohnungen zu geförderten Objekten umfirmiert.

Die Nachfrage konzentriert sich laut Simou dabei vor allem auf die Städte Detmold, Lage, Lemgo und Bad Salzuflen. In kleineren Kommunen fehle es oft an Konzepten oder Investoreninteresse – obwohl auch dort günstiger Wohnraum knapp ist. &bdquo;Die großen Städte befassen sich konzeptionell mit dem Thema, kleinere Gemeinden haben diese personellen Kapazitäten oft nicht. Dabei fehlen auch dort kleine, barrierearme Wohnungen. Auch in den kleineren Gemeinden würden wir den Bau von Mietwohnungen fördern“, sagt Simou.

Hart umkämpfte Millionen Für dieses Jahr berichtet die Kreisverwaltung von einer anhaltend hohen Nachfrage: Das Antragsvolumen lag 2024 bei 77 Millionen Euro – weit über dem ursprünglich verfügbaren Budget (13,6 Millionen). Zwar konnten im Jahresverlauf bereits Extra-Mittel akquiriert werden, doch für den Mietwohnungsbau ist der Fördertopf aktuell ausgeschöpft. Auch im Bereich Eigentum oder Modernisierung gebe es noch Möglichkeiten, das meiste Geld sei aber verplant. Und: Die Konkurrenz ist hart – andere Kreise melden eine ebenso hohe Nachfrage.

So rechnet Teamleiterin Simou für 2025 mit einer ähnlich hohen Dynamik wie im vergangenen Jahr – und hofft erneut auf Nachschläge aus Düsseldorf. &bdquo;Wir melden monatlich, wo wir stehen. Für die Antragsteller ist das nicht einfach, weil sie oft lange auf eine Bewilligung warten müssen.“

Seniorenwohnungen sind rar Besonders alarmierend sind die Ergebnisse einer Studie des Pestel-Instituts, das auf Wohn- und Regionalforschung spezialisiert ist. Demnach wird die Zahl der Rentner im Kreis Lippe bis 2035 um rund 13.600 auf 90.600 steigen. Schon heute fehlen laut Institut mehr als 13.000 altersgerechte Wohnungen – bis 2045 wird die Lücke auf mehr als 18.000 steigen. Das Institut warnt vor einer &bdquo;grauen Wohnungsnot“ und fordert eine Sanierungsoffensive.

Viele ältere Menschen könnten sich weder höhere Mieten noch den Umbau ihrer Wohnung leisten, gibt das Pestel-Institut zu bedenken. Und auch Simou sieht Handlungsbedarf: &bdquo;Barrierefreiheit ist ein Thema, das uns in den nächsten Jahren noch stärker beschäftigen wird. Neubauten erfüllen zwar hohe Standards, aber es entstehen nicht genug. Bei einem Großteil des Bestands fehlen entsprechende Qualitäten.“

Zinsen sind wieder attraktiv Über Jahre war der soziale Wohnungsbau übrigens tot, weil die vergünstigten Zinssätze, die dafür angeboten wurden, kaum besser als die normalen Marktzinsen waren. Dann konnten Investoren auch gleich frei finanzieren, waren dafür aber nicht an gedeckelte Mietpreise oder bestimmte Mietergruppen gebunden. Jetzt, wo die Zinsen gestiegen sind, seien die Angebote des Landes NRW wieder attraktiv, bestätigt Simou. Hohe Baukosten und lange Genehmigungsverfahren lasten allerdings auf dem Ganzen.

Ein Sonderfall ist der studentische Wohnraum: 2024 wurde im Kreis Lippe kein einziger Antrag für eine Förderung gestellt. 2023 waren es 44 Einheiten in Detmold. Für 2025 gibt wieder Projekte, etwa in Lemgo, sagt Simou. Dabei wächst der Bedarf – nicht zuletzt durch neue Studiengänge, die von Höxter nach Lippe verlagert werden sollen , und internationale Studenten an der TH OWL. &bdquo;Wir hoffen, dass sich künftig auch Investoren für studentischen Wohnraum finden. Das wäre ein wichtiger Baustein für die Zukunft“, unterstreicht Simou.

Sozialwohnungen gehen verloren Kurzum: Lippe hat 2024 von der landesweiten Förderoffensive und Extrageldern profitiert und profitiert weiter. Doch die strukturellen Probleme bleiben: Die Zahl der geförderten Mietwohnungen ist gering, der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum wächst rasant, und die Fördermittel reichen nicht aus, um alle Anträge zu bedienen. Zumal rechnerisch vier von fünf Rentnern Anrecht auf eine Sozialwohnung hätten, da sie unter der Einkommensgrenze liegen.

Eine große Herausforderung kommt dazu: In den 1990er-Jahren erlebte der soziale Wohnungsbau schon einmal eine Boomphase. Diese Wohnungen, die inzwischen 30 und mehr Jahre alt sind, fallen in den 2020er-Jahren aber massenhaft aus der sogenannten Bindung raus. Damit gehen sie als Sozialwohnungen verloren. Stattdessen können Vermieter auf den Wohnberechtigungsschein verzichten und die Miete fortan frei bestimmen.

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