Kreis Lippe. Ein Stand, ein paar Produkte, daneben eine Kasse – Verkauf ohne Verkäufer. Kann das funktionieren? In Lippe probieren es immer mehr Menschen aus und stellen Stände oder kleine Läden auf, an denen Kunden ihre Waren selbst aussuchen und bezahlen. Mal bieten landwirtschaftliche Höfe Fleisch, Eier oder Milchprodukte an, mal sind es kleine Kreativläden mit Dekoartikeln. So verkaufen Joachim und Yvonne Wolff zum Beispiel seit etwa drei Jahren handgemachte Deko in ihrem Selbstbedienungsstand „Deko Zauber“ an ihrem Grundstück in Istrup. „Zuerst hatten wir nur ein ganz kleines Häuschen dafür“, sagt Yvonne Wolff. Seit etwa eineinhalb Jahren haben sie einen größeren Selbstbedienungsstand. Guter Nebenverdienst Und wie kommt das Angebot an? Der Anlauf sei gut. Doch: „Von dem Selbstbedienungshäuschen allein kann man nicht leben“, sagt Yvonne Wolff. Sie verkaufe ihr wechselndes Sortiment an Dekoartikeln hauptsächlich online – der Stand sei ein guter Nebenverdienst und gerade im Dorf von Vorteil. „Viele Menschen sind nicht mobil und können so direkt im Dorf Deko kaufen. Und das auch sonntags oder an Feiertagen.“ Doch auch wenn die Verkäufer beim Verkauf nicht direkt vor Ort sind, bringt ein Selbstbedienungsstand einiges an Aufwand mit sich. Er müsse regelmäßig gepflegt werden, das Sortiment werde nachgefüllt, und auch Formalitäten wie eine Anmeldung des Gewerbes oder eine passende Versicherung, etwa für Brandschutz, seien notwendig. Unehrliche und ehrliche Käufer Außerdem brauche es eine große Portion Vertrauen in die Kunden. Trotz Videoüberwachung komme es immer wieder zu Diebstählen. „Die Menschen sind schon teilweise sehr dreist“, sagt Yvonne Wolff. Rund zehnmal sei bereits etwas verschwunden oder zu wenig Geld in der fest montierten Kasse gelandet. Gleichzeitig gebe es aber auch viele ehrliche Käufer: „Manche klingeln sogar extra bei uns, wenn sie nicht passend zahlen können.“ Neben Bargeld können die Kunden auch per QR-Code mit Paypal bezahlen. Ähnlich läuft es auf dem Hof der Stuckmanns. In einer Holzhütte bieten Markus und Nadine Stuckmann seit 2020 auf Vertrauensbasis ihre Produkte an – in zwei Kühlschränken und einem Tiefkühler liegen beispielsweise Wurst, Fleisch, Eier, Nudeln und Honig bereit. Bezahlt wird entweder bar über eine Blechbüchse oder per Karte, wobei die Kunden den Betrag selbst eingeben. Wer kein passendes Geld hat, kann klingeln und Wechselgeld erhalten, allerdings ist nicht immer jemand in der Nähe. Täglicher Aufwand „Manchmal habe ich das Gefühl, das läuft besser als der Hofladen, den wir früher hatten. Es kommen mehr Kunden und immer wieder neue dazu“, sagt Nadine Stuckmann. Für sie ist der Selbstbedienungsstand auch deutlich entspannter, weil nicht immer jemand vor Ort sein muss. Die Holzhütte ist täglich von 7 bis 22 Uhr zur Selbstbedienung geöffnet. Gleich nebenan steht außerdem seit mehr als 20 Jahren ein Milchautomat, an dem Kunden mit Münzen zahlen und sich frische Milch zapfen können. Ganz ohne Arbeit funktioniert das System allerdings nicht. Der Milchautomat muss regelmäßig gereinigt und nachgefüllt werden, die Holzhütte erfordert noch etwas mehr Aufwand. Täglich leeren die Stuckmanns die Kasse und bereiten frische Lebensmittel vor, wenn etwas fehlt. „Gestern war zum Beispiel das Grillfleisch aus. Dann habe ich Neues vorbereitet und nachgefüllt“, erzählt Nadine Stuckmann. Wie oft nachgelegt werden müsse, sei unterschiedlich – manchmal alle paar Tage, manchmal nur einmal pro Woche. „Diebstahl hält sich in Grenzen“ Mit Diebstählen hatten sie lediglich zu Beginn zu kämpfen. „Da wurden mal Wurstdosen geklaut. Seitdem haben wir Kameras“, sagt Nadine Stuckmann. Heute überwiegen positive Erfahrungen: Viele Kunden geben Trinkgeld, verzichten auf Wechselgeld oder zahlen bewusst zu viel, um später noch etwas mitnehmen zu können. Wie schon ihr früherer Hofladen ist auch der Selbstbedienungsstand offiziell angemeldet, zudem werden die Lebensmittel regelmäßig vom Kreis Lippe kontrolliert. Auch Dominik Tornede vom Eierhof Tornede in Bad Salzuflen macht überwiegend gute Erfahrungen. „Der Diebstahl hält sich in Grenzen – wir haben zudem eine Videoüberwachung“, sagt der Inhaber. Seit 2012 betreibt er den Selbstbedienungsstand am Hof und bietet dort Eier, Kartoffeln, Grillfleisch, Wurstwaren und Honig an. Der Verkauf lohne sich, auch wenn der Aufwand nicht zu unterschätzen sei. „Man hat zwar wenig direkten Kontakt zu den Kunden, trotzdem muss regelmäßig aufgefüllt, die Kasse geleert und für Ordnung gesorgt werden.“ Bezahlt werden kann bar oder per Karte. Wöchentliche Diebstähle Während andere Landwirte gute Erfahrungen mit ihren Hofständen machen, sieht Felix Sentker vom Hof Sentker in Lemgo das anders. „Der Selbstbedienungsstand auf unserem Hof rentiert sich nicht. Es kommen zu wenig Kunden hin. Der Hof ist zu weit abgelegen.“ Hauptsächlich greifen Stammkunden und Nachbarn auf das Angebot zurück. Seit sieben Jahren verkaufen die Sentkers ihre Produkte in einem kleinen Stand direkt am Hof. Bezahlt wird über eine Kasse an der Wand, in die das Geld passend eingeworfen werden soll. Doch Diebstähle sind ein ständiges Problem: „Am Hof hat man das zwar etwas besser im Blick, aber es wird trotzdem zu viel geklaut“, sagt Sentker. Es komme wöchentlich oder sogar mehrfach pro Woche zu Vorfällen. Automaten lohnen sich Langfristig setzt Sentker daher auf Verkaufsautomaten, die er an gut befahrenen Straßen platziert hat. Dort können Kunden rund um die Uhr mit Bargeld einkaufen und das Konzept rechnet sich. „Der richtige Standort macht viel aus“, betont er. In Lippe betreibt der Hof drei Automaten, in Hörstmar, Lage-Hagen und Detmold-Klüt. Ein Versuch an der Ostwestfalenstraße in Istrup habe dagegen kaum Nachfrage gebracht. Im Vergleich zum Hofstand lohnen sich die Automaten deutlich mehr. „Die Kunden sind dankbar für die 24-Stunden-Öffnungszeiten und nutzen das Angebot gut“, sagt Sentker. Ganz ohne Arbeit gehe es aber auch hier nicht: Die Geräte müssen täglich nachgefüllt werden und bei Problemen sei er jederzeit Ansprechpartner. „Es kam schon vor, dass Produkte im Automaten klemmten und jemand Hilfe brauchte. Da stoße ich manchmal auf Unverständnis, weil ich als Berufstätiger nicht jederzeit sofort reagieren kann.“ Ein Vorteil sei allerdings die geringere Diebstahlgefahr. Da das Bargeld bereits vor der Produktausgabe eingeworfen wird, seien die Automaten besser geschützt als der Selbstbedienungsstand am Hof. „Trotzdem ist uns auch schon eine Scheibe eingeschlagen worden und die Produkte wurden mitgenommen. Zum Glück passiert das aber sehr selten.“ Insgesamt überwiegen für ihn klar die Vorteile der Automaten. Einschätzung des Handelsverbands Doch welche Rolle spielen Selbstbedienungsangebote im ländlichen Raum? „Selbstbedienungsstände und Automaten bieten eine Chance, die Grundversorgung zu sichern“, sagt Kai Buhrke, Geschäftsführer des Handelsverbands OWL. „Sie sind eine wachsende Nische mit viel Potenzial.“ Da sich der Einzelhandel vor allem auf dem Land zurückzieht, seien die Automaten eine sinnvolle Ergänzung – keine Konkurrenz. Besonders dort, wo es keine Bäcker, Metzger oder Tante-Emma-Läden mehr gibt, nehme die Zahl der Selbstbedienungsangebote seiner Beobachtung nach stetig zu.