Das ist Lemgos neuer Arzt für alle Herzensangelegenheiten

Lemgo. Stress soll ja ganz und gar nicht gut sein fürs Herz. Wie gestresst also ist ein Kardiologe kurz vor Eröffnung der ersten eigenen Praxis? Dr. Marios Vlachojannis, kurze Haare, drahtige Figur, wirkt beim Rundgang durch sein neues Reich im dritten Stock eines Ärztehauses an der Lageschen Straße eigentlich recht entspannt. Seit er die Entscheidung getroffen habe und der Traum Gestalt annimmt, verspüre er &bdquo;viel mehr Schwung“. Am 5. Januar will er mit seinem Team die ersten Patientinnen und Patienten versorgen. &bdquo;Ich freue mich darauf, hier eigenverantwortlich zu arbeiten“, so der Lemgoer.

Experte für Herzkatheter Seine Stelle als Oberarzt und Leiter des Herzkatheterlabors am Klinikum Lippe in Detmold hat er zum Jahresende gekündigt - nun ist Endspurt angesagt. &bdquo;Nach den langen Tagen im Krankenhaus war ich oft zu nichts mehr zu gebrauchen“, erzählt der 50-Jährige, der nach Stationen in Frankfurt am Main und Bad Oeynhausen 2017 nach Detmold kam. &bdquo;Aktuell sprudle ich dagegen vor Energie.“ Eine kardiologische Praxis, und dann auch noch in der Stadt, in der er lebt: &bdquo;Ich habe Glück gehabt, diesen KV-Sitz zu ergattern“, sagt Vlachojannis. Und fügt lächelnd hinzu: &bdquo;Doch ich denke, das Glück ist mit den Tüchtigen.“

Sein Herzensthema in der Medizin fand er früh - nicht zuletzt, weil sein Vater eine kardiologische Erkrankung hatte. Als er ihm zum ersten Mal eine Nadel setzte, sei der jedoch zusammengezuckt und habe gefragt: &bdquo;Junge, kannst du das auch?“ Vlachojannis schmunzelt bei der Erinnerung daran. Denn: &bdquo;Ich war da immerhin schon Oberarzt.“

Das &bdquo;Go“ für Lemgo In der Praxis trudeln jetzt Medizingeräte ein und werden installiert, die Kartenterminals eingebunden, die Praxissoftware wird ans Laufen gebracht. Es klingt nach einem sportlich-ambitionierten Vorhaben, innerhalb von nur gut zwei Monaten komplett leere Räumlichkeiten einzurichten. So lange ist es her, dass er von der Kassenärztlichen Vereinigung das endgültige &bdquo;Go“ für Lemgo bekommen hat. &bdquo;Wir haben hier bei null angefangen“, erzählt Dr. Marios Vlachojannis, während er das Wartezimmer zeigt, die Behandlungsräume, den Aufenthaltsbereich für das Team.

Der Vorteil sei, dass er alles nach seinen eigenen Vorstellungen einrichten könne. So schwebe ihm eine fast gänzlich papierlose Praxis vor. Auch können Patienten in Zukunft vom Untersuchungsraum mit freiem Oberkörper nach nebenan in das Zimmer für das Belastungs-EKG gehen. Da Vlachojannis hier an einem Vormittag in der Woche auch ambulante diagnostische Herzkatheter-Untersuchungen über das Handgelenk anbieten will, gibt es einen Extra-Erholungsraum für die Beobachtung und Nachruhe der Patienten.

Ein Facharzt fehlte Seit acht Jahren lebt Vlachojannis in Lemgo - und genau so lange fällt ihm auf, dass es hier keinen Kardiologen gibt. So habe er schon oft für Freunde Laborergebnisse interpretiert oder Ratschläge erteilt, damit diese nicht erst Monate, manchmal bis zu ein Jahr lang, auf einen Facharzttermin warten mussten. Viele, weiß er, suchten händeringend eine ambulante Versorgung - und meldeten sich schließlich mit ihren Herzproblemen in der Notaufnahme des Klinikums, auch wenn sie dort streng genommen nicht hingehörten. &bdquo;Mit einer Herzschwäche, die für zu viel Wasser im Körper sorgt, landet man schließlich oft im Krankenhaus“ - dabei sei die Problematik gut ambulant in den Griff zu bekommen.

Vlachojannis kann sich gut vorstellen, mit dem Klinikum am Standort Lemgo zu kooperieren, was die Katheteruntersuchungen betrifft. Erste Gespräche habe er hierzu schon geführt. &bdquo;D as dortige Labor bräuchte zwei, drei Investitionen, um kardiologisch eingesetzt werden zu können.“ Das Klinikum und er warteten hier noch auf Aussagen zu den entsprechenden Summen. &bdquo;Zuletzt hört man in Lemgo ja eher von Abbau, und es wäre doch schön, hier mal etwas Neues zu etablieren“, sagt er.

Ein gesunder Lebensstil Als niedergelassener Arzt wolle er Patienten dazu anleiten, ihr individuelles Risiko zu minimieren. Er gibt ein Beispiel: &bdquo;Rauchen ist natürlich nie gut fürs Herz. Doch wenn jemand noch andere Risikofaktoren mitbringt, dann wird es fast Selbstmord.“ Für solche Lifestyle-Beratungen sei es wichtig, den Patienten klarzumachen, dass sie gar nicht &bdquo;auf alles verzichten“ müssten. Auch strittige Themen wie &bdquo;Cholesterinsenker - ja oder nein“ will er im persönlichen Gespräch erörtern.

Dass der Bedarf in Lemgo groß sei, sieht er durch die Reaktion auf die Freischaltung erster Termine über die Plattform Doctolib bestätigt. &bdquo;Das ist der Wahnsinn“, meint er. Der Januar sei bereits ausgebucht. Wobei sie sich mit der Vergabe noch zurückgehalten hätten, denn: &bdquo;Der Betrieb muss sich ja erst einspielen, es wird sicher noch hier und dort haken.“ Drei medizinisch-technische Assistentinnen, die zweieinhalb Stellen besetzen, wird er anfangs beschäftigen. Perspektivisch komme im Frühjahr sicher noch eine vierte MTA, beizeiten vielleicht sogar ein zweiter Arzt, ist Vlachojannis optimistisch.

&bdquo;Ein Schock“ Erst Ende Oktober erfuhr der 50-Jährige vom Zulassungsausschuss, dass er den KV-Sitz tatsächlich von Bad Salzuflen, wo es statt drei nun zwei Kardiologen gibt, in seine Heimatstadt Lemgo verlegen darf. Seine Frist für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit: drei Monate. Seine Familie unterstütze ihn bei seinem Vorhaben. Auch wenn für den Laien die hohen Summen, die ein Arzt für eine solche Praxis in die Hand nehmen muss, beeindruckend seien - Vlachojannis lacht und bringt es sprachlich auf den Punkt: &bdquo;Für meine Mutter und meine Ehefrau war das erst mal ein Schock.“

Sein Umfeld wisse jedoch, dass ihn die Arbeit in der Klinik nicht mehr glücklich gemacht habe. Eine Chefarztstelle und damit noch mehr Geschäftsmann und weniger Arzt sein? Das habe er nicht mehr für erstrebenswert gehalten. &bdquo;Der körperliche Stress hielt sich bei mir noch im Rahmen“, sagt er. &bdquo;Ich habe es eher als psychisch belastend wahrgenommen.“ Der Druck in der Klinik sei hoch und über die Jahre noch gestiegen - nichts, was er sich bis zur Rente vorstellen konnte. Denn dass das in jeder Hinsicht nicht gesund ist, weiß vermutlich niemand besser als - ein Kardiologe.

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Info: Wie funktioniert das mit den Facharzt-Sitzen? Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) steuern, wo und wie viele Facharztpraxen zugelassen werden, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Grundlage ist die sogenannte Bedarfsplanung. Freie KV-Sitze werden in unterversorgten Gebieten ausgeschrieben und nach festen Kriterien vergeben. In überversorgten Regionen sind Neuzulassungen stark eingeschränkt oder nur über Praxisübernahmen möglich.

Ein KV-Sitz ist grundsätzlich an einen Ort beziehungsweise einen Planungsbereich gebunden und kann nicht frei verlegt werden. Eine Verlegung in eine Nachbarstadt ist nur möglich, wenn die Kassenärztliche Vereinigung zustimmt, etwa weil beide Orte im gleichen Planungsbereich liegen oder die Versorgung am neuen Standort dadurch nicht verschlechtert wird. Grundlage ist ein formeller Antrag, den der Zulassungsausschuss prüft und genehmigen oder ablehnen kann.

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