Gegenwind für neuen Klinikchef in Lippe - Mitarbeiter solidarisieren sich

Kreis Lippe. Nach außen schien es, als sei im Klinikum Lippe nach dem Wechsel an der Spitze Ruhe eingekehrt. Doch hinter den Kulissen rumort es. Gewaltig sogar. Wenn am Donnerstag der Aufsichtsrat des Klinikums tagt, soll über einen Antrag beraten werden, der das Kapitel mit Dr. Niclas Cruse an der Spitze womöglich beendet. Was – und das zeigt ein Blick auf drei Briefe an den Aufsichtsrat - zahlreiche leitende Mitarbeiter bedauern würden.

In einem Antrag zur Tagesordnung fordern nach Unterlagen, die unserer Zeitung vorliegen, zwei Personalvertreter im Gremium Folgendes: Die Gesellschafterversammlung möge den Vertrag mit der Firma, die derzeit den Interims-Geschäftsführer stellt, und damit verbunden &bdquo;auch die Organstellung von Herrn Dr. Niclas Cruse zum nächstmöglichen Zeitpunkt beenden“. Übersetzt: Der neue Chef soll schnell wieder verschwinden.

Keine Bestätigung vom Landrat Eine offizielle Bestätigung, dass dieser Punkt auf der Tagesordnung steht, verweigert der Noch-Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Axel Lehmann (er tritt Sonntag nicht zur Wiederwahl als Landrat an) der Lippischen Landes-Zeitung. Er verweist auf den nicht-öffentlichen Charakter der Sitzung und darauf, dass man so &bdquo;eine von öffentlichem Druck freie Beratung im Gremium sicherstellen“ wolle. Ein anwaltliches Aufforderungsschreiben mit einem Hinweis auf den gesetzlichen Informationsanspruch der Presse wurde mit Verweis auf ein schutzwürdiges privates Interesse ebenfalls abgewiesen. Für eine Klärung seiner Argumentation vor dem Verwaltungsgericht reichte mit Blick auf den Termin der Aufsichtsratssitzung die Zeit nicht.

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Warum wollen die zwei Antragssteller die anderen Aufsichtsratsmitglieder dazu bewegen, das Kapitel Dr. Cruse &bdquo;in geheimer Abstimmung“, wie sie fordern, zu beenden? In ihrem Antrag zielen die Initiatoren auf einen Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 1. Juli 2025 ab, nach dem eine bestehende Vereinbarung des Klinikums mit einer Einkaufsgenossenschaft gekündigt werden solle. Gleichzeitig habe Dr. Cruse in diesem Zusammenhang die Zustimmung erhalten, den Gesamteinkauf neu auszuschreiben. Als Grund sei demnach angegeben worden, dass beim bisherigen Partner vergaberechtliche Bedenken bestünden.

Gegner befürchten Regelverstoß Dr. Niklas Cruse ist Interimsgeschäftsführer und Mitarbeiter einer bundesweit agierenden Firma, die überwiegend kommunalen Kliniken Management-Angebote macht. Ihr Name: Hospital Management Group GmbH (HMG). Und diese Firma ist wiederum Teil einer großen Unternehmensgruppe (Vivecti), zu der auch ein Klinikversorger zählt, der möglicherweise nach Ausschreibung ein neuer Partner des Hauses in Lippe sein könnte. In dieser Konstellation sehen die Antragsteller augenscheinlich ein Risiko, dass eine Vergabe unsauber sein könnte. Daher fordern sie unter anderem die Beauftragung eines unabhängigen Dritten, der die Regelkonformität (Compliance) in Zusammenhang mit einer künftigen Vergabe überprüft. Mehr noch: Computer-Spezialisten sollen untersuchen, ob möglicherweise vom Dienst-Laptop des Klinikchefs bereits sensible Daten abgeflossen seien. Kurzum: Ein 14 Punkte umfassender Fragenkatalog an den Klinik-Geschäftsführer Dr. Cruse und die Beschlussvorschläge zu Compliance und Datenschutz, die die Antragssteller eingereicht haben, sind von tiefem Misstrauen geprägt.

Dr. Cruse hat bereits offensichtlich auf diese Vorwürfe reagiert und im Vorfeld den Fragenkatalog umfangreich beantwortet. Auch dieses Schreiben wurde der Redaktion zugespielt. Demnach verweist er darauf, dass sein Unternehmen HMG von Anfang an offen mit seinen Verbindungen zur Vivecti-Gruppe umgegangen sei. Zudem versichert er, dass es in der Zeit seiner Geschäftsführung keinerlei Angebotsabfragen oder Anbahnungsgespräche mit Partnern ebendieser Gruppe gegeben habe. Er habe lediglich zwei Markterkundungsgespräche geführt, eines davon nach einem Austausch mit Partnern im OWL-Uniklinikverbund mit einer Firma, die Teil der Vivecti-Gruppe sei. Derartige Gespräche seien nicht nur üblich, sondern rechtlich sogar geboten.

Bis zu 3,9 Millionen Euro Einsparpotenzial Auf die Frage nach einem möglichen Einsparpotenzial verweist Dr. Cruse demnach auf ein Gutachten von Roland Berger. Demnach könne es machbar sein, im Sachkostenbereich 2,8 bis 3,9 Millionen Euro gutzumachen. Zudem verneint er in dem Fragebogen, dass interne Daten abgeflossen seien. Und verweist darauf, dass das Vergabeverfahren vorerst gestoppt sei, weil man den neuen Leiter des zentralen Einkaufs, der Anfang September eingestellt worden sei, nun mit einbinden wolle.

Persönlich wollte sich der Interimsgeschäftsführer auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu den Vorgängen um seine Person äußern.

Offene Briefe der Mitarbeiter Geäußert haben sich allerdings in den vergangenen Tagen zahlreiche leitende Mitarbeiter des Klinikums Lippe. In insgesamt drei offenen Briefen an den Aufsichtsrat, die der Lippischen Landes-Zeitung ebenfalls vorliegen, bekräftigen Ärzte und leitende Pflegekräfte ihre Sorge, dass das Klinikum wieder in unruhige See gerät.

So schreiben verantwortliche Mediziner unter anderem: &bdquo;Nach zwei turbulenten, für einige Kliniken chaotischen Jahren stehen wir aktuell vor den Herausforderungen der Krankenhausstrukturreform und der Transformation zu einem Universitätsklinikum. In dieser Phase ist es entscheidend, Kontinuität in der strategischen Unternehmensführung und -planung sicherzustellen.“ Für sie sei die Konstruktion eines etwaigen zukünftigen Compliance-Problems im Kontext eines noch nicht begonnenen Ausschreibungsverfahrens nicht nachvollziehbar. Insgesamt wünschen sich in diesem Schreiben 23 ärztliche Direktoren und Chefärzte &bdquo;eine kontinuierliche konstruktive Arbeit der aktuellen Geschäftsführung“.

Auch mehr als 20 Stationsleitungen wenden sich an den Aufsichtsrat und loben das neue Wir-Gefühl, das unter dem neuen Geschäftsführer entstanden sei. &bdquo;Wir wünschen uns sehr, dass dieser Kurs der Offenheit, Verbindlichkeit und Wertschätzung nachhaltig unterstützt und fortgesetzt wird.“

&bdquo;Arbeitszufriedenheit steigt spürbar“ Und auch die Pflegedirektion des Klinikums stellt sich hinter ihren neuen Chef. Die Verantwortlichen loben in dem Schreiben an den Aufsichtsrat den Führungsstil und die konkreten Maßnahmen des Interims-Chefs. Wörtlich heißt es: &bdquo;Die Ergebnisse sprechen für sich. Die Zahl der Überlastungsanzeigen im Pflegebereich ist in den vergangenen sechs Monaten nachweislich zurückgegangen. Die Arbeitszufriedenheit bei unseren Mitarbeitenden und Auszubildenden steigt spürbar.“

Wie es auch sei: Donnerstag soll der Aufsichtsrat, der nach der Kommunalwahl auch politisch neu besetzt sein könnte, auf Antrag von zwei Personalvertretern wohl beraten und der Gesellschafterversammlung eine Empfehlung geben, ob Dr. Cruse geht oder bleibt.

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