Lage. Ballernde Hochzeitsgäste scheinen auch in Lippe in Mode zu kommen. Erst in der vergangenen Woche hatte die Polizei eine Hochzeitsgesellschaft auf der A 2 aus dem Verkehr gezogen. Nun fielen am Samstagnachmittag feiernde Autofahrer in Lage auf.
Gegen 16 Uhr meldeten Anwohner einen Hochzeits-Autokorso, der hupend durch Lage fuhr. Einige Teilnehmer dieses Autokorsos schössen mit Waffen in die Luft, hieß es.
Hieraufhin wurden starke Polizeikräfte zusammengezogen und der Autokorso auf der Schötmarschen Straße und Friedrich-Petri-Straße gestoppt. 15 Fahrzeuge mit 32 Insassen wurden kontrolliert. Zwei Schreckschusswaffen wurden sichergestellt, heißt es im Polizeibericht.
Die mutmaßlichen Besitzer, ein 32-jähriger Detmolder und ein 32-jähriger Mann aus Bayern, konnten den erforderlichen kleinen Waffenschein nicht vorweisen. Bei einem 45-jährigen Lagenser wurde ein Schlagstock gefunden und ebenfalls sichergestellt. Strafanzeigen wegen Verstoß gegen das Waffengesetz wurden gefertigt.
Zur Gefährdung des Straßenverkehrs kam es durch die Beteiligten des Autokorsos nicht. Die Polizei verbot den Hochzeitskorso. Die Hochzeitsgäste setzten ihre Fahrt in den Kreis Gütersloh, wo die eigentlichen Feierlichkeiten stattfanden, ohne weitere Vorkommnisse fort. Die Polizei Gütersloh sprach vor Ort mit dem Brautpaar, das sich kooperativ und einsichtig zeigte.
Zeugen, die Hinweise zu den Schussabgaben geben können, werden gebeten das Kriminalkommissariat 1 unter der Rufnummer 05231-6090 zu informieren.
Länder wollen reagieren
Auch in Hannover kam es am Wochenende zu einem Zwischenfall: Aus einem Hochzeitskorso heraus hat ein 19-Jähriger mit einer Schreckschusswaffe in die Luft geschossen. Bei einem Halt des Autokorsos an einer roten Ampel sei der Mann am Sonntag aus seinem Wagen gestiegen und habe mehrfach in die Luft gefeuert, teilte die Polizei am Montag mit. Von einem Zeugen alarmierte Polizisten stoppten den Wagen später und entdeckten bei einer Durchsuchung die Schreckschusswaffe samt Munition, wofür der 19-Jährige nicht die erforderliche Genehmigung hatte. Gegen ihn wird nun wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt, außerdem wurde die Führerscheinstelle über den Vorfall informiert.
Nordrhein-Westfalen als Vorbild
Nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen planen deshalb mehrere Bundesländer, jetzt härter dagegen vorzugehen.
Das niedersächsische Innenministerium will den Umgang mit den Autokorsos „zeitnah in den Gremien der Polizei der Länder und des Bundes thematisieren", sagt ein Sprecher. Ziel sei, konsequenter gegen Straftäter und Verursacher vorgehen zu können. Inzwischen sei nämlich bundesweit festzustellen, dass die Fahrt zur Hochzeit „von bestimmten Gruppierungen dazu genutzt wird, Straftaten oder erhebliche Ordnungswidrigkeiten zu begehen".
38 Einsätze allein am Osterwochenende
Erst vorvergangene Woche wurde bei einem Hochzeitkorso auf einer niedersächsischen Bundesstraße wieder aus einem Auto geschossen. Und in Nordrhein-Westfalen wurde die Polizei allein am Osterwochenende zu 38 Einsätzen mit Hochzeitkorsos gerufen. Bei Gladbeck sollen rund 50 Fahrzeuge die Autobahn A52 blockiert haben. Laut Zeugen zündeten Hochzeitsgäste dabei Pyrotechnik und beleidigten Fahrer, die wegen des Korsos im Stau standen. In Köln zählte die Polizei 50 Fahrzeuge, die bei einer Hochzeit in zweiter Reihe parkten.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte sich bereits vergangene Woche in die Debatte eingemischt und gewarnt: „Autobahnen und Innenstädte sind keine privaten Festsäle." Als Anlass nannte sein Ministerium vergangene Woche explizit „Feiernde mit Migrationshintergrund". Reul sagte weiter: „Wenn Hochzeitsgesellschaften sich und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringen, werden die Toleranzgrenzen unserer Gesellschaft klar überschritten."
Auch die Berliner Polizei beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit den Hochzeitkorsos, erklärte die Senatsverwaltung für Inneres. Allerdings seien Straftaten „wegen der Kurzfristigkeit der Aktionen" oft nicht mehr feststellbar, wenn die Polizei eintrifft. Jetzt plane Berlin, Teilnehmer der Hochzeitskonvois im Falle von Belästigung „einer intensiven verkehrsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen", so ein Sprecher der Innenverwaltung.
Flyer in Deutsch und Türkisch
In Bremen versucht die Polizei bereits seit zwei Jahren durch intensive Aufklärungsarbeit die Lage zu verbessern, sagte eine Sprecherin des Innenressorts auf Anfrage. So informiere die Polizei „mit zweisprachigen Flyern in Deutsch und Türkisch über das richtige Verhalten im Straßenverkehr." Zum anderen schreite die Polizei bei Verstößen strikt ein.
Statistische Angaben über das Ausmaß des Problems liegen in den meisten Bundesländern noch nicht vor. In Baden-Württemberg gibt es aber genaue Zahlen über die Vorfälle in den letzten vier Jahren: Allein auf Autobahnen seien in dort den letzten vier Jahren fünf Blockade-Aktionen „durch Autokorsos von türkischen oder arabischen Personengruppen" bekannt geworden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
Keine Probleme in Bayern und Hamburg
Auf anderen Straßen wurden in Baden-Württemberg seit 2015 insgesamt 86 Vorfälle polizeilich registriert. Das geht aus Antworten auf Anfragen der AfD-Fraktion im Landtag hervor. Insgesamt stellte die Polizei dabei 31 Straftaten fest. In den meisten Fällen – zwölf Mal – lagen Verstöße gegen das Waffengesetz vor. Zudem mussten sich Korso-Teilnehmer unter anderem wegen fahrlässiger Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung, Fahren ohne Fahrererlaubnis und Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz verantworten. Einmal kam es zu einem Verkehrsunfall.
Allerdings sehen nicht alle Bundesländer die Hochzeitkorsos als großes Problem an. Dem Bayerischen Innenministerium seien keine Probleme mit Autokorsos von Hochzeitsgesellschaften bekannt, erklärte ein Sprecher. Und auch der Hamburger Behörde für Inneres „ist keine Problemlage bekannt", sagt ein Sprecher: „Es ist in Hamburg wirklich kein Thema. Wir wollen es nicht überdramatisieren."