Lagenser ist seit 23 Jahren trocken: "Der Saufdruck ist allgegenwärtig"

Lage. Gottfried Zimmek kann sich ein Leben ohne den Freundeskreis Suchtkrankenhilfe Lage nicht mehr vorstellen. Seit 23 Jahren ist er Vorsitzender des Vereins, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Alkoholabhängige auf ihrem Weg zur Abstinenz zu begleiten. Auch der 67-Jährige war süchtig, verlor seinen Job, ist jetzt aber seit Jahren trocken. Geholfen habe ihm die Gruppe. Er und seine Lebensgefährtin Edith Bögeholz, die ihren früheren Mann durch den Alkohol verloren hat, raten Betroffenen und Angehörigen, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen.

Der Freundeskreis besteht seit 1987. 1992 kam Zimmek zu seiner ersten Sitzung. &bdquo;Die erste Gruppenstunde, ich weiß es noch wie heute: Ich hatte ein mulmiges Gefühl, aber ich wollte nie mehr trinken. Das war damals unvorstellbar für mich."

Jobwechsel bringt keine Abhilfe

Bis zu diesem Schritt war es ein langer Weg: Zimmek war lange Jahre als Monteur unterwegs. &bdquo;Ich habe schon immer Bier getrunken, aber dort auch Schluck. Damals ist es aus dem Ruder gelaufen", erinnert sich der 67-Jährige. Er habe gedacht, wenn er sich einen anderen Job suche, würde das Problem verschwinden. &bdquo;Doch ich habe meine Logistik mitgenommen." Was Zimmek meint? Er wusste weiterhin genau, wo er sich morgens, mittags und abends unauffällig Alkohol besorgen konnte.

Auch als ihm sein Führerschein entzogen wurde änderte er sein Verhalten nicht. &bdquo;Ich hatte geglaubt, jederzeit aufhören zu können mit dem Trinken, aber das war mein größter Irrtum." Und so musste er erst seine Arbeit verlieren, um ein richtiges Problem zu erkennen, meint Zimmek heute.

"Es ist schwierig für Außenstehende"

Er habe sich damals seinem Betriebsarzt anvertraut, der ihm ein Blatt mit Ansprechstellen in Lippe gab. Gemeinsam mit seiner Frau ging er dann zur ersten Sitzung. Schnell habe er in den Gesprächen mit den anderen gelernt, wie wichtig kleine Schritte seien. Er fing zum Beispiel an, mit seiner Frau über seine Sucht zu sprechen. Sie hatte viele Fragen, konnte einiges nicht nachvollziehen. &bdquo;Es ist schwierig für Außenstehende, das zu verstehen – der Hauptgrund, warum Familien daran auseinander brechen. Aber Alkohol ist eine Droge, Alkoholismus eine Krankheit", sagt Zimmek. Deswegen meint er, dass Alkoholmissbrauch einsam machen kann und legt großen Wert darauf, dass auch die Partner beim Verein dabei sind.

So wie Edith Bögeholz: &bdquo;Mein Mann war Alkoholiker und sah das nicht ein. Ich bin daher selbst zu einer Gruppe gegangen. Dort wurde mir erst bewusst, wie co-abhängig ich war. Ich ging zum Beispiel für ihn einkaufen." Zimmek ist überzeugt: &bdquo;Wenn man allein ist, es ist wesentlich schwieriger aufzuhören." Mittlerweile übernimmt Bögeholz den &bdquo;Telefondienst" im Verein. Oft würden die Menschen am Wochenende anrufen, wenn es ihnen nicht gut gehe, dann passierten die meisten Rückfälle. Seit Corona häuften sich die Anrufe, umso wichtiger sei es für das Paar, zumindest telefonisch den Kontakt zu halten. Selbsthilfe sei eine Holschuld, sind sie sich einig.

Gruppe kann Betroffene auffangen

&bdquo;Es gibt keine Garantie, dass man trocken bleibt – auch nicht nach 20 Jahren. Das ist eine Lebensaufgabe: Einmal Alki, immer Alki. Und der Saufdruck ist allgegenwärtig, ob an Weihnachten, Silvester, Schützenfesten oder anderen Feierlichkeiten. Jede Stunde, die ich trocken bin, ist eine Leistung", betont der Vorsitzende, der bei sich von einer &bdquo;zufriedenen Abstinenz" spricht. Die Gruppe könne einen Betroffenen nach einem Rückschlag wieder auffangen.

Zimmek habe es damals auch geholfen, dass er nach kurzer Zeit bereits Co-Gruppenleiter geworden sei: &bdquo;Das hat mich stark gemacht. Ich musste schließlich eine Vorbildfunktion erfüllen." Die Gemeinschaft sei viel Wert. &bdquo;Man lernt miteinander wieder zu lachen", meint der 67-Jährige. Neben den Gruppengesprächen, die wegen Corona derzeit nur in Kleinstgruppen stattfinden können und für deren Teilnahme eine vollständige Impfung Voraussetzung ist, gibt es für Ungeimpfte auch die Möglichkeit für Einzelgespräche per Telefon oder bei Spaziergängen in der freien Natur nach vorheriger Terminabsprache. Die Mitglieder unternehmen auch mal etwas zusammen wie Wanderungen und Radtouren oder organisieren Kegel- und Spielenachmittage.

"Wer nicht aufhören kann, ist abhängig"

34 zahlende Mitglieder und etwa 15 sporadische Teilnehmer hat der Verein aus verschiedenen Altersstufen, sozialen Schichten und es ist auch nicht Voraussetzung, dass man aus Lage kommt. &bdquo;Jeder hat seine eigene Geschichte und es ist nicht wichtig, wie viel man trinkt. Wer damit nicht aufhören kann, ist abhängig", verdeutlicht Zimmek und Bögeholz meint: &bdquo;Dann ist es wichtig, das zuzugeben und etwas dagegen zu machen, zum Beispiel zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen."

Und was will der Verein mit dem Preisgeld des Heimatpreises in Höhe von 2500 Euro machen? Das sollen die Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung entscheiden. In diesem Jahr steht das 35-jährige Vereinsbestehen an. Eine große Feier ist wegen Corona derzeit schwierig. Aber Zimmek kann sich später ein Treffen mit dem Partnerverein Freundeskreis Oberland Schirgiswalde (Sachsen) in einem Seminarhotel über mehrere Tage vorstellen. Dort könnten sich Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen austauschen.

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