Ripsime Simonian lebt im Übergangswohnheim. 1994 kam die heute 17-Jährige als Flüchtling aus Turkmenistan mit Mutter und Geschwistern hierher. Jetzt hat sie einen Roman geschrieben.
Lage. "Nachts in Somerville" heißt ihr Erstlingswerk, das im "Lippe Verlag" erschienen ist. Es schildert eine Romanze zwischen dem weißen Mädchen Sophia und dem schwarzen Jungen Jermaine. Die Handlung spielt in den USA der 1950er Jahre – zu einer Zeit, als die strikte Trennung der Rassen in vielen Teilen des Landes noch ehernes Gesetz ist. Schließlich kommt es zur Tragödie. Sophias Vater erschießt Jermaine. Doch der Mord bleibt ungesühnt, auch deshalb, weil die Tochter ihren Vater nicht verrät. Fortan muss das Mädchen mit der quälenden Mitschuld am Tod ihres Geliebten leben.
Ein Jahr hat Ripsime Simonian an dem Buch geschrieben und viel über das Amerika der damaligen Zeit recherchiert. "Ich habe Geschichtsbücher gewälzt und alles verschlungen, was ich in die Hände bekommen konnte", so die Schülerin, die die 11. Klasse des Hanse-Berufskollegs in Lemgo besucht. Ihre Leidenschaft für die Schriftstellerei entdeckte sie, als sie ihre Lebenserfahrungen einem Tagebuch anvertraute. Was Rassismus bedeutet, hat die Familie von Ripsime am eigenen Leib erfahren müssen. Als im Zuge von "Glasnost" Anfang der 1990er Jahre die Sowjetunion zusammenbrach und ihr Heimatland Turkmenistan in die Unabhängigkeit entlassen wurde, begann für die christliche armenische Minderheit, zu der auch die Simonians gehörten, eine Leidenszeit.
"Wir wurden von Moslems verfolgt und mussten schließlich das Land verlassen. Andernfalls wären wir alle umgebracht worden", so die 17-Jährige, der Mutter und Geschwister die Gräueltaten erzählten, weil sie damals noch ein Baby war. Mit dem letzten Geld kauften sie sich ein Flugticket nach Deutschland und fanden schließlich in Lage eine neue Heimat. Hier lernte Ripsime auch Gunnar Lüttmann (73) von der Flüchtlingshilfe Lippe kennen, der sie bestärkte, den Roman zu vollenden und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Lüttmann gelang es, Verleger Dr. Hans C. Jacobs für die Herausgabe des Buches zu gewinnen. Der verzichtete auf ein Honorar. Sämtliche Einnahmen fließen an Ripsime. Schriftstellerin möchte sie nicht werden. Viel lieber Friseurin. Die junge Frau weiß aber: Als Staatenlose wird sie niemals arbeiten dürfen.